Festival-Neuentdeckungen Zehn Acts, die uns beim SXSW umgehauen haben
Das SXSW in Austin ist das größte Newcomer-Festival der Welt und kehrt 2017 wieder zurück zu seinen Wurzeln: Weniger große Namen im Programm, dafür umso mehr zu entdecken. Wir waren für euch in Austin auf Schatzsuche.
Wer ist in Austin nicht schon alles als Überraschungsgast aufgetreten: Lady Gaga, Jay Z und Kanye, Drake – Stars von diesen Kalibern gab es dieses Jahr keine. Das South by Southwest 2017 hat im Vergleich zu den Vorjahren nicht ganz so dick aufgetragen – und das war gut so. So konnten wir uns auf die vielen tollen Newcomer-Acts konzentrieren, von denen an die 2.000 aus der ganzen Welt angereist waren, um die Musikwelt von sich zu überzeugen. Gleich am Anfang fiel auf, das irgendwas gewaltig anders ist dieses Jahr. Kaum HipHop, Elektro oder EDM: 2017 klingt politisch, weiblich und vor allem gitarrig. Das sind unsere 10 Highlights:
Sløtface - Punkrock aus Stavanger (Norwegen)
Gitarreschlagzeugbass irgendwo zwischen 90er-Grunge und 00er-Punk, ganz ohne Pathos und kein bisschen cheesy, dank der energiegeladenen Sängerin Haley Shea. Sløtface sind eine fantastische Liveband, die schlimm hartnäckige Ohrwürmer schreibt: "So, please take me out dancing this Saturday night. Please, get me a little drunk, I won't ask why!"
The Vryll Society - Psych-Rock aus Liverpool
Fast wären wir daran vorbeigelaufen: Aber der psychedelische Retrosound von The Vryll Society hat uns hypnotisiert. Die Liverpooler sperren sich angeblich wochenlang in ihrem Kellerproberaum ein – und kommen wieder raus mit Gitarren, die klingen wie rückwärts gespielt, mit hopsenden Bassläufen und herrlich lang gezogenen Vokalen im Gesang.
PWR BTTM - Queerer College-Punk aus New York
Unberechenbar sollten sie sein, die Liveshows vom queeren Rock-Duo Liv Bruce und Ben Hopkins aus New York – unsere Erwartungen waren also hoch. Und sie wurden in keiner Sekunde enttäuscht. PWR BTTM sind die subversive College-Rock-Band, die mit Glitterbomben, Witz und politischen Ansagen jeden Bro-Code sprengen. Und Trump bekam natürlich auch sein Fett weg: "This song is about assholes. Like the President."
Chloe x Halle - R'n'B aus Atlanta
Auch wenn sich die beiden Schwestern soundtechnisch noch nicht so ganz gefunden haben: Chloe (18) und Halle (16) performen mit gewaltigen Stimmen zu selbstgebauten Beats, versuchen sich an Future-R'n'B, trauen sich in seichte Popgewässer und an steile Rap-Klippen. Wenn die so weitermachen, haben Rihanna und Co. bald nix mehr zu melden. Den Label-Deal bei Beyoncé haben sie schon in der Tasche.
The Big Moon - Alterna-Rock aus London
Die vier Londonerinnen machen breitbeinigen Alterna-Rock mit unwiderstehlichen Melodien – und liefern trotz ganzer sechs Auftritte in vier Tagen den tightesten Auftritt der Woche. Frontfrau Jules Jackson neckt und flirtet so sehr mit dem Publikum, dass man niemals woanders hinschauen möchte als auf sie.
Chain of Flowers - Gothy Postpunk aus Cardiff
Chain of Flowers handarbeiten klassisch-britischen Post-Punk mit Goth-Einschlag, der live eine Energie heraufbeschwört, die die Jungs zum Tanzen und die Mädels zum Bierverschütten bringt. Wie die sechs Waliser – und vor allem der überdrehte Frontmann Joshua Smith – von ihrer bierdeckelgroßen Bühne einen kaum viel größeren Laden auseinander nehmen: Das ist ein Schauspiel, für das wir jede andere Band sausen lassen würden.
Pell - Rap aus New Orleans
Nur mit Laptop, orangenem Pulli und Cap ausgestattet: Pell springt wie ein Flummi über die Bühne, holt ein paar Kollegen als Tänzer mit hoch und hat einfach unfassbar viel Spaß. Genau wie wir: Bei Pells Sound können wir unsere Füße nicht davon abhalten, sich zum Beat zu bewegen. Dazu sein pointierter Flow und der unendliche Spaß am Wortspiel – es wird Zeit, dass dieser Typ ein anständiges Album raushaut.
Gurr - Garage-Rock aus Berlin
Die zwei Berlinerinnen Laura und Andreya hatten bei einem Open-Air-Gig den wahrscheinlich sweetesten Moshpit des Festivals, bestehend aus Mutter, Tochter und Sohn – während Musikjournalisten sich fleißig Notizen gemacht haben. Wir haben Gurr dreimal live gesehen und haben immer noch nicht genug. Ihr dürft dem Hype um diese Band glauben. This shit is bananas.
Dream Wife - Riot Grrrl Rock aus London/Reykjavik
Stehen drei Blondinen ganz in Weiß auf der Bühne und brüllen: "I’m gonna fuck you up / gonna cut you up / gonna fuck you up." Dazu schneidet Sängerin Rakel Mjöll diese Grimasse von einem Kleinemädchenlächeln und fixiert jemanden in der Crowd gerade solange, bis es gruselig wird. Wie Dream Wife in ihren Texten und ihrer Performance Rollenklischees zerreißen, ist einfach nur unfassbar charismatisch und intensiv.
Let's Eat Grandma - Experimentalpop aus Norwich (UK)
Wäre Claire Boucher alias Grimes eine Sportart, Let's Eat Grandma wären sowas wie die hypertalentierte U18-Nationalmannschaft. Und ihr Spezial-Move wären pausenhofgestählte Klatsch-Choreographien. Kindlich bis kindisch ist das manchmal, verspielt auf jeden Fall und dann aber auch so alterslos und düster, dass wir zwischendurch ein bisschen Gänsehaut kriegen.
Sendung: PULS Spezial, "Austin Power" - 1. April 2017, ab 18 Uhr