Psychotricks & versteckte Kosten Wie uns Ticketverkäufer immer mehr Geld aus der Tasche ziehen
Konzerttickets von der Couch aus zu kaufen ist viel bequemer als den langen Weg an den Ticketschalter auf sich zu nehmen – klar. Aber Ticketverkaufsseiten tun mit perfiden Methoden ihr Bestes, um an unser Geld zu kommen.
Viele Musikfans haben das so oder so ähnlich schon erlebt: Du schaust dich online um bei einem Festival, das ganz hübsch aussieht, aber bist dir noch nicht ganz sicher, ob du an dem Wochenende überhaupt kannst. Doch plötzlich blinkt eine Zeile auf: "Nur noch 10 Minuten verfügbar!" und kurz darauf kommt noch "Nur noch 3 Tickets übrig!" dazu. Die Schweißtropfen perlen dir von den Schläfen und dann kaufst du’s einfach – schwups, kommen noch Versandkosten, Platinticket-Gebühren etc. dazu. Und dann sitzt du da mit einem Ticket, das du anfangs gar nicht wolltest und 400 Euro weniger in der Tasche. Wie ist das passiert?
Psychodruck und Werbetricks
Bei Ticketmaster etwa sind die Tickets, einmal im Warenkorb, nur 10 Minuten lang reserviert. Dieser Timer läuft in grellem Pink im Sekundentakt herunter. Das macht richtig Druck. Noch krasser ist die umstrittene Seite Viagogo: In einer aufdringlichen roten Box verraten sie dir, dass angeblich nur noch 1% der Tickets verfügbar sind. "Tickets für Seeed erfreuen sich großer Nachfrage" blinkt neben einem beweglichen grünen Banner. Dieser psychische Druck ist eine sehr beliebte Vertriebsmethode und nennt sich: High Pressure Selling.
"High Pressure Selling heißt, auf den Verbraucher wird Druck ausgeübt, indem ihm vorgemacht wird, dass die Ware nur noch zu reduzierten Mengen vorhanden ist. Das funktioniert natürlich besonders gut bei endlichen Gütern wie Flügen oder eben Tickets. Der Verbraucher meint, jetzt schnell reagieren zu müssen, und lässt sich davon abhalten, noch bei anderen Anbietern zu vergleichen."
Tatjana Halm, Leiterin der Digitalen Marktwächter in der Verbraucherzentrale Bayern
Lügen dürfen Ticketseiten aber auch nicht: Diese Verknappungen sind nicht gänzlich falsch, aber verzerrt dargestellt.
Erst- oder Zweitmarktanbieter? Händler oder Börse?
Worüber man sich nämlich klarwerden muss: Es gibt einen Unterschied zwischen lizenzierten Erstanbietern (dazu gehören zum Beispiel Eventim, MünchenTicket oder Ticketmaster) und Zweitanbietern, also Ticketbörsen (etwa Viagogo oder StubHub). Die stellen sich zwar dar wie offizielle Verkaufsstellen, sind in Wahrheit aber nur Reseller und verkaufen Tickets aus zweiter Hand.
Wenn also Viagogo in schrillen Lettern schreibt: "Nur noch 3 Tickets verfügbar!", dann stimmt das vielleicht sogar. Da Viagogo die Tickets für Privatpersonen weiterverkauft, haben sie vielleicht in dem Moment tatsächlich nur genau drei Tickets zum Weiterverkauf im System.
"Letztendlich hat der Verbraucher nur die Möglichkeit, sich wirklich bewusst zu machen, dass das nicht echt sein muss, was da angezeigt wird. Sondern in Ruhe nochmal gucken, ob ein anderer Anbieter nicht vielleicht doch Angebote hat. Die Erfahrung zeigt, dass selbst, wenn bei dem Portal wirklich nur noch soundsoviele Angebote sein sollten, vielleicht doch noch andere Anbieter da sind, die auch noch was zur Verfügung stellen."
Tatjana Halm, Leiterin der Digitalen Marktwächter in der Verbraucherzentrale Bayern
Ob es sich um eine offizielle VVK-Stelle oder ein Zweitverkaufsportal handelt, muss aufgrund einer Auflage von Google seit Februar 2018 offen auf der Startseite klargestellt werden. Wer also die Augen aufsperrt, wird bei Zweitanbietern einen Hinweis darauf finden. Obwohl das auf den mit Pop-Ups und Werbung gespickten Websites ziemlich schwer zu erkennen ist.
Der Verbraucherzentrale Bayern reicht diese kleine Google-Bedingung aber nicht: Seit April 2018 klagt sie vor dem Landgericht München gegen Viagogo. Der Vorwurf: Das Portal macht nicht transparent genug, dass man nicht beim Portal selbst kauft. Das Urteil wird Anfang Juni erwartet. Was Viagogo selbst zu den Vorwürfen sagt, wissen wir nicht – zu einem Interview waren sie nicht bereit.
Versteckte Nebenkosten: Bei Viagogo tatsächlich nicht transparent
Durch gut versteckte Nebenkosten wird uns zusätzlich noch Geld abgeluchst. Teilweise wird auch gar nicht darauf hingewiesen.
"Wenn auf Zusatzgebühren nicht hingewiesen wird, müsste man auch nicht für die zahlen. Man könnte sein Geld also zurückfordern, da ist dann aber die Frage, ob man sein Recht tatsächlich durchgesetzt bekommt, denn Viagogo sitzt in der Schweiz."
– Tatjana Halm, Leiterin der Digitalen Marktwächter in der Verbraucherzentrale Bayern
Oft wird auf diese Zusatzgebühren sogar aufmerksam gemacht, aber eben auf eine sehr irreführende, unklare Art und Weise. Ein hellgraues, kleingedrucktes "zzg. Versand und Gebühren" überliest man natürlich schnell.
Print@Home-Gebühr abgeschafft: Besserung in Sicht
Ein wenig Besserung bei Nebengebühren scheint aber in Sicht, zumindest bei den lizenzierten Plattformen. Seit August 2018 darf keine Gebühr mehr dafür verlangt werden, dass man sich das Ticket selbst zuhause ausdrucken kann. 2,50€ wollte etwa Eventim früher dafür pro Bestellvorgang haben. Rund eine Million Euro hat Eventim nach eigenen Angaben damit pro Jahr verdient. Damit ist, dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe sei Dank, nun Schluss.
VIP-Platinum-Schießmichtot-Tickets: Braucht’s das?
Ein weiterer Geldfresser: Spezial-Tickets. Für das Elton-John-Konzert in Hannover Ende Mai sind eine Woche vorher auf Eventim alle Ticketkategorien ausverkauft – bis auf das VIP-Paket "Farewell Yellow Brick Road" für saftige 849€. Neben einem Sitzplatz in den ersten Reihen bekommt man dazu noch Dinge wie die "unvergessliche Fotomöglichkeit auf der Bühne an Elton Johns Klavier" (ohne Elton selbst versteht sich), die Möglichkeit, vor den anderen Besucher*innen zum Merchstand zu können (zahlen muss man aber immer noch selber), ein Glas Champagner und ein Poster.
Klar, jedem das Seine. Man muss die Tickets nicht kaufen – aber wenn es sonst keine mehr gibt (und man Reseller-Plattformen nicht trauen will), dann eben schon. Hier muss man aber die Ticketportale in Schutz nehmen: Solche Spezialtickets liegen tatsächlich in der Hand der Konzertveranstalter – wenn’s sein muss, werft die Tomaten also auf Elton Johns Management, nicht auf Eventim.
Immer mit der Ruhe
So verlockend einfach es auch scheinen mag, in die Suchmaschine meines Vertrauens "Band + Konzert + Stadt" zu hämmern und mir beim erstbesten seriös wirkenden Link ein Ticket zu schnappen – das ist verdammt unsicher. Am sichersten ist es, das Ticket auf der Plattform zu kaufen, auf die einen die Band selbst weiterleitet. Und auch wenn ihr 2 Uhr nachts beim halbtrunken-emotionalen Mitsingen der neuesten In-Band für den perfekten Moment für den Ticketkauf haltet: Einfach mal durchatmen, Hirn einschalten, konzentrieren – die Tickets sind morgen sicher auch noch da.
Sendung: PULS am 15.05.2019 - ab 15.00 Uhr