Die Rückkehr der Doppel-Alben Warum Musikalben immer länger werden
Nicki Minaj, Migos, Drake. Die erfolgreichsten Alben des Jahres haben eins gemeinsam: Sie sind vollgepackt mit überflüssigen Songs. Denn, um es heute an die Spitze der Charts zu schaffen, braucht es neben Klasse vor allem Masse.
In knapp 45 Minuten geht eigentlich alles: Hits abfeuern, ein Statement setzen und beweisen, was man sonst noch alles so kann. Zeichen gesetzt, fertig und "Habe die Ehre" bis zum nächsten Mal. Für viele Musikfans sind 45 Minuten nach wie vor die optimale Lauflänge für ein Album. Punkrock-Bands dürfen sogar auch mal unter 30 Minuten auf den Punkt kommen.
Doppelalben hingegen gelten traditionell bis auf wenige Ausnahmen als selbstgefällig, maßlos und überflüssig. Nur im Hip-Hop verhält es sich ein bisschen anders – seit den späten 80er Jahren war es für lange Zeit üblich, Alben durch zahlreiche Skits und Instrumentals weit über die 60-Minuten-Marke hinweg auszudehnen. In den 90ern, als Hip-Hop dann kommerziell explodierte, wurde von prägenden Rappern wie 2Pac, Notorious BIG oder dem Wu-Tang-Clan dann auch gerne mal die doppelte Portion Vinyl aufgetischt.
Langweilige Doppel-Alben in Spielfimlänge
Momentan erleben wir aber einen neuen Höhepunkt der exzessiven Spielzeit. Zahlreiche KünstlerInnen aus Hip-Hop und R&B drängen mit Doppel-Alben in Spielfilmlänge auf den Markt. Zum Beispiel die Trap-Crew Migos aus Atlanta. Ihr Album "Culture II" besteht aus 24 Songs und dauert eine Stunde und 46 Minuten. Das ist lange – für eine Band, die nicht gerade für abwechslungseiche Songs bekannt ist.
Der notorisch übergriffige R&B-Barde Chris Brown packt sogar ganze 45 Songs auf sein "Heartbreak on a Full Moon". Spielzeit: Knapp 160 Minuten. Und Drake etabliert sich momentan als wahrer Serientäter der Uferlosigkeit. Sein Album "Views" aus dem Jahre 2016 kam mit seinen 20 Songs bereits auf eine Lauflänge von guten 80 Minuten. Der Nachfolger "Scorpions" hat nochmal fünf Songs mehr drauf.
Was alle dieser bisher genannten Alben gemeinsam haben: Ausschussware ohne Ende und verhaltene Kritiken. Trotzdem gehören sie zu den erfolgreichsten Werken der letzten Zeit und besitzen allesamt Platinstatus.
Es geht nur noch um die Klicks
Das Problem: die überlangen Alben verfolgen heute meistens keine künstlerischen Ziele mehr. Es geht schlichtweg um mehr Profit und prestigeträchtige Chart-Platzierungen. Die Rechnung ist einfach: Seit 2014 wird auch Streaming in die Erhebungen der Charts miteinbezogen. 1500 Streams zählen dabei so viel wie ein verkauftes Album – und die erreicht man mit 25 Songs natürlich wesentlich leichter, als mit zehn. (Ein Song gilt als gestreamt, wenn er mindestens 30 Sekunden läuft.)
Und es gibt noch mehr Methoden, die Streamingzahlen zu befeuern: Travis Scott hat nur einen Tag nach Veröffentlichung seines Albums "Astroworld" drei neue "Bonustracks" nachgeschoben, die sicherlich dabei geholfen haben, endlich Drakes "Scorpions" von Platz Eins der Charts zu stoßen. Nicki Minaj hat schon bei Veröffentlichung ihres Albums "Queen" (19 Tracks) angekündigt, manche Textpassagen "upzudaten". Auch so bekommt man Leute dazu, die Songs nochmal zu streamen.
Früher mussten die Tracks auf einem Album den Hörer vom Kauf überzeugen. Dafür wurden aus einer Vielzahl aufgenommener Songs nur die besten ausgesucht. Aussortieren braucht heute niemand mehr, denn selbst die Ausschussware kann Alben heute auf die Eins katapultieren. Das Album als Kunstform ist damit in den Hintergrund gerückt. Hauptsache, es gibt ständig genügend klickbares Material.
Sendung: Plattenbau, 14.08.2018 - ab 19.00 Uhr