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Interview mit dem Geschäftsführer Wie gut kennt mich Spotify?

Jeder Klick auf Play und Skip ist für Spotify eine wertvolle Information. Aber: Was macht der weltgrößte Musik-Streaming-Anbieter eigentlich mit den Daten, mit denen wir ihn füttern? Geschäftsführer Stefan Zilch gibt Einblicke.

Von: Katja Engelhardt

Stand: 06.02.2015

Stefan Zilch, Managing Director für Spotify Deutschland, Österreich und Schweiz | Bild: Spotify

Es gibt immer wieder Wirbel um den Musikstreamingdienst Spotify. Meistens geht es dabei um die Bezahlung von Musikern. Aber was ist eigentlich mit den Hörern? Seitdem die Streams auf Spotify Einfluss auf die offiziellen Charts haben, sind Hörerdaten noch wichtiger geworden. Setzt deine Lieblingsband gezielt auf den „Gläsernen Hörer“? Wir haben mit Stefan Zilch, dem Spotify Geschäftsführer für Deutschland, Österreich und Schweiz gesprochen.

PULS: Spotify sagt von sich, "data driven" zu sein. Was bedeutet  das eigentlich?

Stefan Zilch: Wir können erheben, welche Musik den Nutzern gefällt und wie sich ihr Musikgeschmack eventuell verändert an verschiedenen Wochentagen oder von Sommer zu Winter. Wir sammeln die Daten natürlich auch, um ihnen gute, neue  Empfehlungen geben zu können. Aber auch Musiker, deren Labels und Manager bekommen von uns Daten über die Menschen, die ihre Musik gerne hören: Ob das eher Männer sind als Frauen, ob sie eher jünger oder älter sind, wo sie leben... Wenn früher eine CD im Laden über den Scanner gezogen wurde, dann wusste man danach eigentlich gar nichts. Da sind wir jetzt einfach sehr viel schlauer.

Die gesammelten Daten müsst ihr natürlich auch noch auswerten - wie groß ist denn die Datenverarbeitungsabteilung bei Spotify?

Die ist riesig. Wir investieren auch das meiste an Geld und Gehirnschmalz da rein. Das Unternehmen "Echonest" haben wir für die Auswertung akquiriert, das funktioniert wie ein Google für Musik und stellt uns die ganzen Daten, Metadaten und Tags, die man mit einem Lied verbinden kann, bereit und errechnet daraus Algorithmen. Die Hälfte unserer Mitarbeiter hat einen ganz starken Technik-Hintergrund, nur die andere Hälfte kommt aus der Musik.

Dass die Daten euch nutzen ist klar, aber was bringen sie den Bands?

Die wissen dann zum Beispiel, wie oft welcher Song gehört wird, wann er gehört wird und wie er regional verteilt ist. Wir haben haben zum Beispiel schon oft von Bands gehört, dass sie Touren in Ländern gemacht haben, in denen sie laut unseren Daten niemand hört. Wir können mithilfe der Streamingdaten herausfinden, wenn Künstler eine relevante Anzahl von Fans im Ausland haben. Ich glaube, der erfolgreichste Act im Ausland ist gerade zum Beispiel Milky Chance.

Muss ein Label denn eine bestimmte Größe haben, um mit Spotify zusammenzuarbeiten?

Nein, aber natürlich haben Major Labels andere Kapazitäten. Und sie begreifen sich ja nicht mehr nur wie früher als Unternehmen, das CDs presst, sondern sehen sich viel stärker als Beratungsagentur. Dafür müssen sie Daten sammeln und in dem Feld eben sehr stark Kompetenzen aufbauen.

Zurück zum Nutzer: Wenn ihr noch nichts über einen Nutzer wisst außer Alter, Herkunft und Geschlecht - könnt ihr ihm dann auch schon präzise Empfehlungen geben?

Da müssten wir das Verhalten vorhersagen. Da sind wir, denke ich, noch nicht so stark. Was wir erstmal wirklich tun, ist zu versuchen, deine Historie des Musikhörens abzubilden und daraus Schlüsse zu ziehen.

Wenn das immer weiter voranschreitet, glaubst du, dass Tastemaker oder Kuratoren, wie zum Beispiel Blogger oder Musikmagazine weniger wichtig werden?

Nein, das glaube ich nicht, denn sie sind Teil des Prozesses. Ich denke, das wird immer eine Mischung aus Daten und Kuratoren wie Musikzeitschriften oder Radiosendern sein. Deswegen sind wir auch eine sehr offene Plattform.

Könnt ihr anhand von Streamingzahlen auch vorhersagen, ob ein Song ein Hit wird?

Ja, das können wir ganz gut, weil wir natürlich messen, wie stark sich Songs bei uns im Netzwerk verbreiten. Wir haben nicht nur die Charts, die zeigen, was am meisten gehört wird, sondern auch die viralen Charts, die zeigen, was zwischen Nutzern am meisten geteilt wird. Und die sind oft sogar sehr unterschiedlich. Bestimmte Phänomene kann man also durch sehr schnell, sehr stark anwachsende Plays vorhersagen. Ein Beispiel dafür ist die Neuseeländerin Lorde, die ja mittlerweile weltbekannt ist und zwei Grammys gewonnen hat - die haben wir bei Spotify schon gesehen, als der Rest der Welt sie noch nicht kannte.

Eine zentrale Funktion bei Spotify sind eure Playlisten, die ihr nach z.B. nach Stimmungen und Tageszeiten zusammenstellt. Gibt es auch die Möglichkeit für Labels, dass sie ihre neuen Acts in eure Playlisten einkaufen? Also sagen wir, ein Newcomer läuft in der "Freitagnacht mit den Mädels"-Playlist dann zwischen Katy Perry und Elli Golding...

Im Moment noch nicht, aber ich glaube ich verrate dir kein Geheimnis, wenn ich dir sage, dass natürlich Labels und auch Künstler selbst auf uns zukomme und fragen: "Hey, wie komme ich da rein, wie kann ich da ganz oben stehen?" Für uns ist das Ziel aber immer, dem Nutzer das beste Produkt anzubieten. Wenn wir das machen, dann haben wir automatisch auch die besten Ergebnisse für unsere Lizenzgeber, also für Plattenlabels und deren Künstler. Heißt: Wir wollen uns nicht kaufen lassen.

Wie sieht es denn dann auf der anderen Seite aus mit dem Datenschutz? Es besteht ja die Gefahr, dass man ein gläserner Hörer wird...

In Deutschland, wofür ich ja verantwortlich bin, sind wir eine GmbH, das heißt, wir unterliegen dem normalen deutschen Datenschutz, so wie jedes andere Unternehmen hier auch. Wir geben diese Daten natürlich nicht weiter. Wir wägen aber ab zwischen dem Datenschutz und dem - wie ich gerne sage - dem Datennutz. Aber wir geben definitiv keine Nutzerprofile weiter.

Was wäre da die optimale Zukunftsvision? Es gibt ja auch Ideen von einem Musikabspielgerät, bei dem ein Knopfdruck genügt und dann spielt es immer genau das, was man gerade hören möchte...

Wir sind natürlich als klassischer on-demand-Musikstream gestartet, in dem man alle Musik finden soll, die es gibt. Das ist unser originäres Produkt. Aber gerade für viele Nutzer, die nicht genau wissen, was sie hören wollen, ist die Idee, diesen Knopf zu entwickeln, gut. Das ist schon eine Vision von uns.


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