Virales Marketing Wie Künstler*innen die Charts mit Hilfe von Memes stürmen
Memes sind mit das lustigste, das das Netz je hervorgebracht hat. Für Musiker*innen ist das eine Goldgrube: Denn es gibt keine bessere Werbung als ein Foto oder Video mit deinem Gesicht drauf, das viral geht. Gerade im HipHop funktioniert das besonders gut.
Dieser Text beginnt mit dem Zweikampf um Platz Eins der US-Charts. Vor wenigen Tagen hat nämlich Justin Bieber seine neue Single "Yummy" released und seine Fans aufgefordert – wie das mittlerweile ja üblich ist – den Song rauf und runter laufen zu lassen, selbst nachts. Damit sollen möglichst viele Klicks generiert werden, um im Chart-Ranking aufzusteigen.
Doch das Vorhaben scheitert. Denn ein Song, genauer gesagt ein Geräusch, durchkreuzt die Pläne des Sängers und seiner Fan-Armee: "The Box" vom 21-jährigen Rapper Roddy Ricch.
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Roddy Ricch - The Box [Official Lyric Video]
Wer zum Teufel ist Roddy Ricch? Diese Frage haben sich in diesem Moment viele gestellt. Antwort: Ein junger Rapper aus den USA, der gerade sein erstes Studioalbum "Please Excuse Me For Being Antisocial" veröffentlicht hat. "The Box" ist eine Single-Auskopplung aus diesem Album. Dass die in den vergangenen Tagen so steil gegangen ist, liegt in erster Linie an der App TikTok. Vor allem das komische Quietschen des Beats hat sich nämlich als extrem meme-worthy rausgestellt: Unzählige Menschen haben Videos hochgeladen, in denen sie zu "The Box" Fenster putzen, Brillengläser säubern oder knarzende Türen auf und zu machen. Der Joke verselbstständigte sich, "The Box" wurde weltbekannt und auch auf Spotify über 150 Millionen Mal gespielt. Konsequenz: Platz Eins der Charts.
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The Box - Roddy Rich | TikTok Compilation
Die Geschichte zeigt: In Zeiten, in denen das Internet ein elementarer Bestandteil der Lebenswelt von Musikkonsument*innen geworden ist, kann ein Meme reichen, um sogar einen Musikgiganten wie Justin Bieber aus den Charts zu drängen.
Wer seine Popularität boosten will, muss also verstehen, wie man virale Inhalte generiert. Denn was ist für einen Musiker bessere Promo, als permanent auf den Bildschirmen der Leute aufzutauchen? Damit erreicht man nicht nur wahnsinnig viele Menschen, die Leute verarbeiten den Song auch noch auf kreative Weise. So wird sie vor allem mit Spaß verbunden und bleiben noch länger im Gedächtnis.
Lil Nas X, Fler, Shindy – vor allem Rapper*innen produzieren ständig neue Memes
Das Spiel mit den Memes scheinen im Moment vor allem Rapper*innen verstanden zu haben. Denn in keinem anderen Genre gibt es so viele Memes wie im HipHop. Nehmen wir zum Beispiel Lil Nas X, der seinen Song "Old Town Road" mit Hilfe von Memes zum Song des Jahres 2019 machte. Seine Taktik war damals, immer wieder kleine Video-Ausschnitte zu bestimmten Lines zu posten. Denn die Textzeilen aus "Old Town Road" eigneten sich perfekt als Meme-Überschriften. Der Hype war da und der Song hielt sich 15 Wochen lang auf Platz Eins der US-Charts. Und als der Hype abzuflachen drohte, kam prompt ein Video voller Area 51 Memes: Hier hat Lil Nas X alle Alien-Gags in ein Video gepackt, die damals im Internet steilgingen, und abermals bewiesen, dass er Internet kann.
Angefangen hat das alles im Jahr 2015, als Drake – freiwillig oder unfreiwillig – mit seinen kreativen Dancemoves zu "Hotline Bling" zur Lieblingsvorlage aller Meme-Lords wurde.
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Drake - Hotline Bling
Mit diesem Meme auf Trends oder Debatten zu reagieren, hat sogar einen eigenen Namen bekommen: Drakeposting.
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drakememessss
So true! 😂👌
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Double Tap For More! ❤
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#drake #champagnepapi #meme #relatable #awesome #amazing #bestmemepage
Auch deutsche Rapper*innen verstehen das Meme-Game
Auch hierzulande ist virales Marketing mittlerweile mindestens genauso wichtig, wie die Musik selbst. Zumindest im Rap. Es wirkt schon fast so, als würden Rapper*innen absichtlich besonders ausgefallene Moves in ihre Videos einbauen. Shindys breites Lachen zum Beispiel, im Video zum Song "EFH", wurde zum Deutschrap-Meme 2019. Ob Shindy das absichtlich so platziert hat? Weiß am Ende nur er selbst. Die Fans jedenfalls denken sich etliche Punchlines aus, das Gesicht von Shindy ist plötzlich überall – und Shindy musste dafür keinen Cent bezahlen.
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Shindy - EFH (prod. by Nico Chiara, Shindy & OZ)
Auch bei Fler wurde nach seinem Ausraster bei einer Polizeikontrolle im letzten Herbst fleißig spekuliert: War das alles von Fler geplant? Fler bestreitet das. Der Begriff "Fanboy" ging danach aber viral, die Kommentarspalten waren voll damit und Fler selbst hat spontan einen gleichnamigen Song rausgebracht. Also auf jeden Fall richtig gute Promo und auch eine willkommene Möglichkeit, das Gangster-Image aufzupolieren. Ob nun gewollt oder nicht – Fler blieb durch das Video im Netz und im Gespräch.
Show me your moves - they might get memed
Aber wie das so ist bei Memes: Es entstehen ständig neue. Am 17.01. releasten Loredana und Juju ihr Musikvideo zum Song "Kein Wort". Und die Youtube-Kommentare drehen sich im Moment vor allem darum, einer Bewegung von Loredana lustige Captions zu verpassen. Immer dabei: Der Timecode 1:02. Denn hier fuchtelt Loredana unkontrolliert mit den Armen. Die User*innen schreiben: "Wenn du den Kühlschrank nicht aufkriegst" oder: "Wenn sich dein Ex im Auto eingeschlossen hat und du versuchst ihm die Fresse zu polieren".
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LOREDANA X JUJU - KEIN WORT
Die vielen Beispiele zeigen: Memes generieren ist im Musikbusiness mittlerweile fast genauso wichtig wie die Musik selbst – und kann virale Hits und reale Charterfolge bringen. Das funktioniert vor allem beim überwiegend jungen HipHop-Publikum, das Bock hat, sich ständig neue Jokes auszudenken und zu verbreiten.
Sendung: PULS am 24.01.2020 - ab 16.00 Uhr