Testo, Das Paradies, Josi Miller und BLOND Was Bands über Unterschiede zwischen Ost und West denken
Seit fast 30 Jahren ist die Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland weg - zumindest physisch. Unterschiede werden aber immer noch gemacht. Wir haben junge Bands gefragt, wie sie mit dem "Ossi-Stempel" umgehen.
Im November wird in Deutschland der Mauerfall gefeiert - Klassiker. Ost und West sind nicht mehr getrennt, Deutschland wächst zusammen. Aber tun sie das wirklich? Auch 29 Jahre nach dem Mauerfall lässt sich die deutsche Gesellschaft immer noch in Ost und West teilen: In Punkto Lebensstandard, Bildung oder Einkommen zum Beispiel. Ob das musikalisch auch gilt, darüber haben wir mit jungen Musikern aus den ostdeutschen Bundesländern gesprochen.
Testo (Zugezogen Maskulin)
Geboren 1988, hat Testo seine Jugend in Leipzig und Stralsund in Mecklenburg Vorpommern verbracht, bevor er nach Berlin kam. Das ist für ihn auch heute noch ein Thema. In dem Song "Plattenbau O.S.T." rappt er zum Beispiel über eine Jugend in der Platte: "Bunte Plattenbauten, Himmel aschgrau, hier sind wir zuhaus, unsere Gangzeichen eingeritzt im Arm, Fenster, die mal Hakenkreuze waren und Feuerzeugbrandnarben". Testo wird immer wieder Ostdeutscher genannt, auch wenn er sich eigentlich wünscht, dass diese Unterscheidung keine Rolle spielt.
"Für meine ostdeutsche Herkunft muss ich mich nie rechtfertigen. Was eher Thema war, grade in den Anfangszeiten von Zugezogen Maskulin: Dass wir keine Ur-Berliner sind, sondern eben zugezogen. Aber wenn man mich als Ostdeutschen bezeichnet finde ich das in Ordnung. Ich bin ja aus Ostdeutschland. Dass in Ost und West gedacht wird, finde ich eigentlich nicht so schlimm. Man kann ja Unterschiede wahrnehmen und benennen, was die Biographien, Familiengeschichten und Lebensumstände angeht.
Was ich vielmehr problematisch finde, ist dieses misstrauisch aufeinander schauen. Da wäre es doch gut, wenn man irgendwann wohlwollend aufeinander schaut und sagt: Ok, es gibt Unterschiede, aber ist doch spannend! Außerdem glaube ich, dass das auch eine Frage der Zeit ist. Über die Generationen wird das immer weniger werden. Die ganze aktuelle Diskussion, bei der die Prozesse von damals nochmal aufgerollt werden, finde ich gut. Es ist wichtig, dass mal alle Karten auf den Tisch gelegt werden und man sich ausspricht. Dann kann man das nämlich auch irgendwann abhaken."
Testo, Zugezogen Maskulin
Nina Kummer (BLOND)
Die dreiköpfige Band BLOND aus Chemnitz zelebriert in ihrer Musik gerne mal sehr rotzig das ordnungsgemäße Scheißen auf Konventionen. Die beiden Schwestern Lotta und Nina Kummer kennen Johann Bonitz, den Dritten im Bunde, schon seit ihrer Kindheit. Unterschätzt zu werden, weil man aus dem Osten stammt, hat für sie nicht nur negative Facetten.
"Wir merken keinen Unterschied zwischen Musikmachen im Osten oder Westen. Für unsere Herkunft mussten wir uns auch nie rechtfertigen. Man kann sich ja nur für Dinge rechtfertigen, die man selber verursacht hat. Und dass wir im Osten geboren sind, das konnten wir nicht beeinflussen. Dass uns deswegen ein Stempel aufgedrückt wird, passiert nur sehr selten. Aber wenn man unterschätzt wird, kann man ja grundsätzlich nur positiv überraschen! Dass endlich aufgehört wird in Ost und West zu denken, dafür braucht man vor allem gleiche Löhne, gleiche Renten und ein Zusammenkommen von Menschen aus allen Himmelsrichtungen. Zum Beispiel auf unseren Konzerten!"
Nina Kummer, BLOND
Florian Sievers (Das Paradies)
Mecklenburg Vorpommern, Rostock, mittlerweile Leipzig. Florian Sievers hat einen Großteil seines Lebens in den mittlerweile gar nicht mehr so neuen Bundesländern verbracht. Manche kennen ihn vielleicht noch als die männliche Hälfte des Duos "Talking To Turtles". Mittlerweile macht er solo Musik und besingt in seiner aktuellen Single eine goldene Zukunft. Unterschiede zwischen Ost und West bemerkt er eigentlich nur beim Baden.
"Ich erlebe eigentlich keine Unterschiede zwischen Ost und West. Wie sich Konzerten in alten oder neuen Bundesländer anfühlen, da liegen die Ursachen für 'schön' oder 'schlecht' ganz woanders, zum Beispiel wie man selber grade drauf ist. Wo man ist spielt da eigentlich keine Rolle.
Ich habe auch noch nicht erlebt, dass ich mit meiner Musik einen Oststempel aufgedrückt bekommen habe. Das ist mir einfach noch nicht passiert. Oder ich habe es vergessen. Aber ich glaube eher ersteres. Der einzig große Unterschied ist, dass, wenn man mit Leuten auf Tour ist, es eine unterschiedliche Auffassung davon gibt, wie viel Scham man empfindet, wenn man FKK badet."
Florian Sievers, Das Paradies
Josi Miller
Kurz vor dem Mauerfall wurde Josi Miller geboren und ist in Leipzig aufgewachsen. Man kennt sie vor allem als DJ für Trettman und Frauenarzt.
"Als Musikerin merke ich schon einen Unterschied zwischen dem Publikum im Westen und im Osten. Da gibt es zum Beispiel Unterschiede in der Ausgehkultur oder welches Verhältnis die Leute zu Geld haben. Das ist allerdings nicht so gravierend, dass mich das jetzt irgendwie in meiner Kunst beeinflusst. Aber ich habe mich immer wohl gefühlt, egal wo ich war.
Dass jemand schlechte Ossi-Witze gemacht hat, ist mir persönlich auch noch nicht passiert. Das kenne ich nur von Böhmermann oder der heute-show. Ich denke, damit nicht mehr so viel in Ost und West gedacht wird, müsste man vielleicht auch gar nicht mehr solche Interviews führen und das nicht mehr ständig thematisieren. Ich glaube bei uns Millenials spielt das sowieso keine große Rolle mehr, wir haben doch ganz andere Probleme um die wir uns kümmern müssen."
Josi Miller
Sendung: Filter vom 08.11.2018 ab 15 Uhr