BJ the Chicago Kid im Interview "Nur weil ich in der Hood groß geworden bin, nimmt mir das nicht meine Intelligenz"
Im Interview spricht der vierfach Grammy-nominierte BJ the Chicago Kid über seine Kollabos mit anderen Stars, Gewalt in der Hood und macht deutlich, dass ihn Kritik an Solange stinksauer macht.
Bei BJ the Chicago Kid läuft es: Auf seinem aktuellen Album "In My Mind" sind unter anderem Kendrick Lamar und Chance the Rapper zu hören. Bei den Grammys war er letztes Jahr einmal und dieses Jahr gleich dreimal nominiert, in der R&B-Kategorie hatte er mehr Erwähnungen als Beyoncé, Rihanna oder Frank Ocean. Eine erfolgreiche Welttournee hat er jetzt auch hinter sich. Auch wenn beruflich vieles klappt, belasten den Musiker andere Dinge wie beispielsweise die Mordserie in seiner Heimatstadt Chicago, die neulich erst U.S.-Präsident Donald J. Trump in einem kontroversen Tweet angesprochen hat. PULS hat mit ihm darüber und über seine Arbeit mit Solange gesprochen.
PULS: Auf deinem Album wird deutlich, wie sehr dir soziokulturelle Themen am Herzen liegen. Viele Künstler scheuen sich davor, politisch zu sein. Wie wichtig ist es für dich, gesellschaftliche Probleme anzusprechen?
BJ the Chicago Kid: Das Problem ist, dass die Leute taub geworden sind – gegenüber den ganzen Sachen, die in Chicago passieren, die ganzen Morde in den USA, die Terror-Anschläge auf der ganzen Welt. Das sind abnormale Dinge, daran darf man sich nie gewöhnen. Wenn man den Schimmel einfach akzeptiert, dann wächst er. Du kannst mir jetzt sagen: "Das passiert sowieso jeden Tag, da können wir doch eh nichts machen." Aber wenn ich 13 Jahre alt wäre und mit meiner alleinerziehenden Mutter leben würde, und ein fremder erwachsener Kerl verprügelt sie jahrelang und er macht das nur, weil kein anderer erwachsener Mann anwesend ist – dann wird mir das nie egal sein, egal wie oft er zuschlägt. Daran kann man sich nicht gewöhnen. Und wenn dann eine Knarre herumliegen würde, dann würde ich ganz schnell zum Mann werden und den Kerl auch erschießen. Es ist wichtig, sich solche Dinge unter keinen Umständen gefallen zu lassen.
Dieses tägliche Leben mit Gewalt wirkt für viele befremdlich. Kannst du das nachvollziehen?
Ja, ich höre Hip Hop und arbeite mit Rappern. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich gewalttätig bin oder Leute killen möchte – egal ob meine eigenen oder irgendeine andere Volksgruppe. Ich singe R&B. Ich singe über die Liebe. Ich freue mich doch, wenn meine Freunde sagen, dass sie sorglos glücklich sind. Wenn eine Freundin sagt, dass sie jetzt verlobt ist oder ein Freund erzählt, dass er ein Kind bekommt. Nur weil ich in der Hood groß geworden bin, nimmt mir das nicht meine Klasse oder meine Intelligenz. Ehrlich gesagt glaube ich, dass Leute aus sozialen Brennpunkten in vielen Arten viel klüger sind als andere. Glaube es mir oder nicht: Schmeiss mich in einer chaotischen und in einer ruhigen Straße aus – ich werde es nach Hause schaffen. Und das mit Liebe. In diesen Umgebungen aufzuwachsen macht dich tougher. Es lehrt dich so viele Dinge so viel schneller. Und ich akzeptiere das, es hat mich stärker gemacht. Wenn die Leute nur wüssten... Ich weiß, ich schweife ab. Aber du hast wohl eines der realsten Interviews von mir.
Sprechen wir über Solanges Album "A Seat At The Table". Ihr wart zuletzt beide für die Grammys nominiert. Wie war die Zusammenarbeit mit ihr? Wie ist die Kollaboration entstanden?
Solange hat eine wunderschöne Seele. Deswegen mache ich mich stark für sie und alle anderen, die für unsere Dinge einstehen, die den Stolz zelebrieren, wie ein guter Bruder es tun sollte. Sie würde keiner Fliege etwas zuleide tun. Solange hat sich bei mir über die sozialen Medien gemeldet. Sie wollte mich auch nicht für einen bestimmten Song. Sie hat mich einfach eingeladen ins Studio. Wir haben zusammen gechillt, uns die ganzen Tracks vom Album angehört und dann hat sich das irgendwie ergeben, dass ich auf "FUBU" mit The-Dream gelandet bin. Das war übrigens genauso mit Chance the Rapper und Kendrick Lamar auf meiner Platte "In My Mind".
Über Solanges Album habe ich neulich mit einem Kollegen gequatscht. Er fand es komisch, dass Solange in den Skits und Interludes ständig betont, dass sie schwarz ist und dass das so toll sei. Er hat das nicht böse gemeint, aber er empfand das als befremdlich. Wie gehst du mit Themen wie Rassenbeziehungen um?
Jeder Schwarze ist stolz darauf, schwarz zu sein. Und es ist okay, das auch zu sagen, dass wir stolz darauf sind, wer wir sind. Wenn eine Person kaukasischer Abstammung sagt, dass sie stolz darauf ist, kaukasischer Abstammung zu sein, macht sie das nicht zum Rassisten. Es heißt einfach nur, dass die Person stolz darauf ist, woher sie kommt und wer sie ist. Ganz einfach. Wo ist eine Zukunft ohne Stolz? Ohne Stolz gibt es keine Zukunft. Meine Leute müssen aber eine Zukunft haben. Ehrlich gesagt gebe ich einen Fick drauf, wie sich dein Kollege dabei fühlt.
Wie gesagt, es war nicht böse gemeint. Er war eher überrascht, nach dem Motto: "Warum muss sie das immer…"
Ja, das verstehe ich, aber hör mir zu: Als Medienmacher hat er die Macht, Leuten seine Meinung sowie seine Inhalte zu präsentieren. Er hat aber genauso die Freiheit, Solanges Album einfach nicht zu spielen, nicht zu besprechen oder nicht zu hören. Das ist das Schöne an der Welt. Wenn du etwas nicht hören willst, musst du das nicht. Aber jemandem vorhalten, dass er stolz auf das ist, was er ist und ihn zu fragen "Musst du das ständig erwähnen?" – das ist scheiße. Deinem Kollegen kann ich nur sagen: Leck mich am Arsch!