Dan Croll im Interview beim PULS Open Air 2017 "Paul McCartney hat sehr oft 'groovy' gesagt"
Dan Croll wurde der Pop nicht nur in die Wiege gelegt - er hat ihn auch studiert. Uns hat er erzählt, warum er trotzdem Respekt vor dem Musikbiz hat, erst spät Beatles-Fan wurde und ein Sticker von Claire auf seinem Gitarrenkoffer klebt.
Brille, gelecktes Haar, braver Blick in die Kamera: Dan Croll sieht aus wie ein Streber. Ein Streber der Popmusik! Sein gesammeltes Musikwissen hat er nicht nur in Examen am Liverpool Institute for Performing Arts zur Schau gestellt - er trägt es in die Welt hinaus, dieses irrsinnige Konglomerat aus britischem Folk, Dub, 70s Rock und Synth-Pop. Damit ist er sogar schon auf dem Soundtrack von "Grand Theft Auto” gelandet - und auf der Pyramidenbühne vom PULS Open Air 2017.
Dort hat er nicht nur ein Konzert gespielt, sondern auch noch einen höchst romantischen Heiratsantrag musikalisch begleitet, den eine PULS Hörerin ihrer Freundin gemacht hat (Video folgt!). Nebenbei hat er noch Zeit gefunden, für ein Interview bei uns vorbeizukommen. Da ging es um sein Treffen mit Paul McCartney, Vergleiche mit musikalischen Vorbildern und die dunkelsten Seiten des Musikgeschäfts.
PULS: Für dein Album hast du alle Instrumente selber aufgenommen, du spielst sie selber. Wie fühlt es sich an, wenn auf Konzerten andere Leute deine Songs spielen? Bist du sehr streng zu ihnen?
Dan Croll: Nein, im Gegenteil. Ich glaube, der Grund, warum ich alles selber spiele, ist, dass ich ziemlich perfektionistisch bin. Ich wollte dieses Album in den Hände halten und sagen können, dass ich alles darauf selber geschrieben und gespielt habe. Aber es ist unmöglich, das live alles selber zu spielen. Und ich das will auch gar nicht - denn einer der Gründe, warum ich Musik mache, ist, dass ich mit meinen sechs, sieben besten Freunden rumreisen kann - als Band. Das ist das Coolste für mich. Dann gebe ich ihnen die CD und sage: "Lernt das - aber nicht Note für Note!" Ich finde es gut, wenn sie den Songs ihre persönliche Note geben, weil ich Fan von ihrer Musik bin.
Dein neues Album "Emerging Adulthood" unterscheidet sich sehr von deinen bisherigen Sachen. Beschreibt der Titel, wie du dich fühlst - wirst du gerade erwachsen?
Auf jeden Fall komme ich dem Erwachsensein sehr viel näher. Auf dem Album geht es um meine Schwierigkeiten damit, einen Platz im Leben zu finden. Ich weiß, das klingt ziemlich emotional, aber es ist ein grundlegendes Ding. Der Titel stammt aus einem Buch, das ich gelesen habe und das auch "Emerging Adulthood" heißt - von einem amerikanischen Autoren. Darin geht darum, wie Kids, Teenager und junge Erwachsene die Schule oder die Uni abschließen und weil alles bezahlbar und erreichbar ist, haben sie so viele Möglichkeiten. Sie können alles machen, was sie wollen. Für manche Leute ist das aufregend, aber für manche ist es auch ziemlich überwältigend. Ich denke, ich gehöre zur letzten Kategorie: Wer will ich sein? Was will ich tun? Wo will ich leben? Wie kann ich Geld verdienen? Nach dem ersten Album habe ich mir viele solcher Fragen gestellt und zur gleichen Zeit am zweiten Album geschrieben.
Das klingt, als sei eine Karriere als Musiker sehr riskant. Aber du hast eine ziemlich solide Ausbildung. Du hast am Liverpool Institute for Performing Arts studiert und das ist ja ein guter Weg, um so eine Karriere zu starten.
Es ist echt hart, weil Musik so was persönliches ist und jeder was anderes mag. Du kannst jemandem nicht erklären, wie man einen Song schreibt. Es gibt keine magische Formel, wie es vielleicht viele Popstars probieren. Ja, ich bin zur Uni gegangen, aber mir ging es nicht um die Theorie, sondern darum, mit vielen talentierten Leuten in einer Klasse zu sitzen und mich in der lokalen Musikszene auszuprobieren. Ich habe viele Gigs gespielt, Leute und neue Musik kennengelernt. Ich hatte echt einen unaufgeregten Start ins Musikbusiness.
Würdest du das empfehlen?
Ja, auf jeden Fall. Du musst nicht unbedingt studieren. Ich weiß auch nicht, wie teuer das in Deutschland ist - in Großbritannien ist es ziemlich teuer. Aber das wichtigste ist wirklich: Auftreten und Leute treffen.
Während deines Studiums hast wurdest du von einem Fonds, der Musiker unterstützt, als "National Songwriter of the Year" ausgezeichnet. Der Preis: Ein Treffen mit Paul McCartney. Wahrscheinlich langweilt es dich schon, die Geschichte zu erzählen - aber vielleicht gibt's ja was, das du noch nie erzählt hast - wie er riecht oder so?
Er hat sehr oft "groovy" gesagt - das ist mir echt aufgefallen. Vor allem, weil ich vor dem Treffen noch Witze gemacht habe: "Wäre es nicht echt lustig, wenn er ganz oft 'groovy' sagen würde?" - und er es dann wirklich getan hat. Aber in einer viel cooleren Art, als ich dachte!
Paul McCartney ist wahrscheinlich einfach ein verdammt cooler Typ.
Ist er. Er ist in seinem Anzug aufgetaucht und sah echt schick aus. Er war todesrelaxt, wir haben ewig gequatscht und gejammt.
Wie fühlt sich das an, wenn man mit Paul McCartney jammt?
Ich kriege jetzt bestimmt Ärger, aber ich war nie ein Beatles-Fan. Mir haben die Beach Boys, James Taylor, Michael Jackson oder die BeeGees besser gefallen. Ich hab die Musik auch nie richtig verstanden. Als ich Paul McCartney getroffen habe, war ich also echt entspannt. Ein paar andere Leute sind ausgerastet, ich nicht. Inzwischen bin ich aber besessen von seiner Musik, weil mein Keyboarder Andy so oft Songs von ihm spielt. Wenn ich Paul McCartney jetzt treffen würde, würde ich auch ausflippen. Damals war also vielleicht der richtige Zeitpunkt.
Mit viele Künstlern, die du eben genannt hast, wird deine Musik echt oft verglichen - Beck, Paul Simon, Vampire Weekend, Pink Floyd, Beach Boys und tatsächlich auch die Beatles.
Wow! Nehm' ich alles gerne an - außer Pink Floyd.
Das ist lustig, weil viele Musiker ja genervt sind, wenn man sie mit anderen vergleicht. Aber in deinem Fall wirst du einfach mit den besten verglichen, die es je gab.
Ja, das sind die, die mich beeinflusst haben und mit denen ich aufgewachsen bin. Dank Brian Wilson und den Beatles bin ich erst mit Harmonien in Berührung gekommen - davor war ich einfach nur ein Solo-Künstler mit Gitarre. Die alten Experten, aber auch Bands wie Vampire Weekend oder Tame Impala - bei denen sage ich wirklich gerne, dass sie mich beeinflusst haben. Vielleicht manchmal auch zu oft. (lacht)
Wenn wir über die Beach Boys und Brian Wilson reden, dann macht mir seine persönliche Story (u.a. psychische Probleme, Drogensucht, Anm. d. Red.) und wie die Band auseinandergebrochen ist, wirklich Angst. Macht dir sowas auch Angst? In deinen Songs geht es ja manchmal auch um solche Sachen.
Auf jeden Fall. Auf dem neuen Album gibt es den Song "One Of Us" - da geht es sehr viel um Gruppenzwang und wie man es schafft, da nicht hinein zu geraten. Es ist tough, wenn man mit einer Band tourt. Auf der einen Seite ist es super, so viel unterwegs zu sein und Konzerte zuspielen. Aber es ist gefährlich, wenn man sich auf Alkohol oder irgendwelche Substanzen verlässt, um eine gute Zeit zu haben. Wenn man jeden Tag auf Tour trinkt, ist das echt hart. Glücklicherweise bin ich von Menschen umgeben, auf die ich mich verlassen kann, die mich stoppen würden. Das ist definitiv eine dunkle Seite des Musikindustrie.
Überrascht es dich, dass deine Musik extrem oft für Werbungen genutzt wird? Ich kann mich gar nicht mehr an alle Firmen erinnern...
Wir hatten alles - von Handys über Autos bis Käse.
Offensichtlich können Menschen mit deiner Musik alle Arten von Produkten verkaufen. Überrascht dich das? Denn du hast eigentlich keinen billigen Ansatz von Popmusik.
Ich bin froh, dass das du das sagst. Ich hoffe, das liegt nicht daran, dass meine Musik einfacher, catchy Pop ist. Sondern eher daran, dass ich Songs schreiben, in denen es nicht um erfundene Situationen geht oder um Sachen wie "Ich bin im Club und besaufe mich mit Shots." Meine Musik ist sehr persönlich. Und ich hoffe, dass sich genau deswegen viele Leute damit identifizieren können.
Und manchmal, wie jetzt beim PULS Open Air 2017, werden zu deiner Musik auch Heiratsanträge gemacht. War das der erste Antrag?
Es war der zweite, von dem ich offiziell weiß. Aber ich habe gesehen, dass es bei Konzerten schon ein paar gab. Da hat sich dann eine Gruppe im Publikum so sehr gefreut. Aber ich werde den beiden Mädels heute erzählen, dass es der erste Antrag war. (lacht)
Ich habe gehört, dass die Band Claire und du euch vor dem PULS Open Air 2017 schon mal getroffen haben. Stimmt das?
Ja, das war vor vier Jahren in New York. Da war ich auf Promo-Tour und habe in einem fürchterlichen Hotel in Brooklyn gepennt. Und als ich in den Aufzug gestiegen bin, stieg eine Frau ein, sah meinen Gitarrenkoffer und wir haben angefangen zu quatschen. Das war Josie von Claire. Sie hat mir ihren Band-Sticker gegeben. Der klebt immer noch auf meinem Gitarrenkoffer. Und das ist jetzt das erste Mal, dass wir zusammen auf einem Festival spielen. Wir wollen später ein paar Bier trinken. Das wird super!