Vorgestellt // The Rifles Mit längerem Atem
Bei vielen Retro-Bands stellt sich die Frage, wo neben Stilbewusstsein die Originalität bleibt. The Rifles beweisen auf ihrem zweiten Album und der dazugehörigen Tour Willen zur Eigenständigkeit.
The Rifles wissen, was "bad timing" bedeutet. Da hatte man 2006 mit "No Love Lost" ein sehr ambitioniertes Debüt abgeliefert - und ging beinahe in der Flut all der Neo-Britpopbands unter. Der Glanz eines Großteils der Konkurrenten, die damals um des Hörers Aufmerksamkeit buhlten, ist mittlerweile wieder verglüht. The Rifles beweisen einen längeren Atem.
Erstaunlich eigenständig präsentieren sich die vier Jungs aus London auf dem zweiten Wurf "The Great Escape". Vom rauen Garagen-Flair der ersten Platte haben sie sich emanzipiert. Das gilt vor allem für die Arrangements, denn die Songtexte drehen sich immer noch um Teenager-Themen. Sie singen vom Wunsch, einfach abzuhauen, vom Weltschmerz und auch sonst eher großen Gefühlen. All das hat die Band in kompakte Lieder gegossen, die niemals länger als die obligatorischen drei Minuten sind. Knackig, aber nicht eindimensional. Mal bescheiden akustisch aufbereitet, wie bei der Ballade "Toerag". Mal gar mit Streichquartett- und Bläser-Opulenz untermalt wie bei "The General".
Große Gefühle ohne Klischees
Dabei umschiffen The Rifles mit einer gewissen Melancholie und Nachdenklichkeit geschickt jegliche Kitsch-Gefahr. Natürlich sind auch auf dem zweiten Werk die akustischen Vorbilder noch immer sehr präsent: The Clash, The Cure oder Paul Wellers "The Jam" hört man da an vielen Ecken tönen - und stellt berechtigt die Frage nach der Originalität. Den Rifles deswegen ihr Talent abzusprechen, das wäre aber falsch. Denn neben den Referenzen ist mittlerweile auch ihre eigene Handschrift zu erkennen.