Ruhmeshalle Die Sterne - Posen
1996 waren Die Sterne dank zweier hervorragender Platten fester Bestandteil der sogenannten Hamburger Schule. Aber erst mit dem Album "Posen" wurde die Band zur Institution, die einer ganzen Generation ein Gesicht geben konnte.
Es muss ungefähr Mitte der sogenannten Nullerjahre gewesen sein: Eine Freundin hatte mich auf eine Berliner WG-Party geschleppt, auf der ich keinen Menschen kannte. Die Leute sahen nett aus, die Musik war gut. Aber die ganze Nacht wurde keine einzige CD in die Hand genommen. Die Songs wurden ausschließlich per MySpace abgerufen. Das war neu. Was dann aber gar nicht neu war, das war die Songwahl kurz nach Mitternacht: "Was hat dich bloß so ruiniert?" von den Sternen.
Das erste Mal Generationsgefühl
Was passiert wohl auf einer Berliner WG-Party, wenn das locker zehn Jahre alte "Was hat dich bloß so ruiniert?" aufgelegt wird? Alle singen mit. Wort für Wort. Und trampeln dazu, dass man befürchtet, das Haus stürzt ein. Es war unglaublich. Und es war das einzige Mal, dass ich so etwas wie ein "Generationsgefühl" hatte. Wir kennen uns alle nicht, aber wir haben ein paar Sachen gemeinsam: Wir gehen viel zu schnell auf die 30 zu, wir wissen immer noch nicht, wohin und wir fragen uns, was uns in Gottes Namen so verdammt versaut hat. Und in diesem einen Song finden wir uns alle wieder: Was hat uns bloß so ruiniert?
"Posen" war 1996 schon das dritte Sterne-Album, aber es war das erste, das auch außerhalb der engeren Hamburger Schule verständlich gemacht hat, was diese Band zu sagen hat. Und es war das Album, mit dem Die Sterne sich unsterblich gemacht haben. Frank Spilkers verschachtelte Texte erzählen in komischen Metaphern von dem Moment, in dem man erwachsen geworden ist und sich fragt, ob das alles so stimmt, wie einem jahrelang eingetrichtert wurde, dass es stimmen sollte. Haben wir sie noch alle? Oder sind wir längst in genau dem Leben angekommen, das immer das Feindbild war?
Die perfekte Synthese
Musikalisch ist "Posen" die perfekte Synthese aus allem, was Die Sterne waren, sind und immer sein wollten. Da ist der rumpelige Orgel-Funk der frühen Tage, da ist der perfekte Pop von "Inseln", "Trrrmmer" und "Swinging Safari". Und da ist die elektronische Zukunft der Band, die mit "Unter Geiern II" beginnt.
Was das Album "Posen" mit meiner Generation gemacht hat, das kann man gar nicht hoch genug hängen. Wir waren alle irgendwann fett und rosig. Und wir sind immer noch Gott weiß wie privilegiert. Aber hält uns das aus, was uns aufhält? Gehören wir dazu? Und wie halten wir das eigentlich aus? So lang wir keine Antwort auf diese Fragen haben, müssen wir "Posen" hören. Immer und immer wieder. Und wenn's dann immer noch keine Antwort gibt, dann heißt das nur eins: Dass Die Sterne unseren Zustand perfekt beschrieben haben. Dafür werden wir ein ums andere Mal Berliner Altbauwohnungen abbruchreif trampeln und Sex in den Trümmern haben. Und träumen.