Ruhmeshalle Muse - Origin Of Symmetry
Große Oper für große Stadien: 2001 legen Muse mit ihrem zweiten Album den Grundstein für ihren bahnbrechenden Erfolg. Ob man sie dafür nun liebt oder hasst, ist den Briten ziemlich egal – sie ziehen ihr Ding durch.
Alles beginnt mit einem PR-Hype. Ende der Neunziger werden Muse als das next big thing aus Großbritannien vermarktet: Ihr Debütalbum "Showbiz" wird als die Schnittstelle zwischen Radiohead und Queen angepriesen. Auf Papier klingt das absurd – auf CD nicht. Einziges Manko von "Showbiz": Dem Exkurs in expressive Tonwelten fehlt der rechte Biss. Hätten die drei Collegefreunde so weitergemacht, wären sie wohl schnell vergessen worden. Aber dann veröffentlichen sie ihr zweites Album. Und erfinden sich einfach neu.
Mit "Origin Of Symmetry" spielen sich Muse endgültig frei von den Weichspül-Vorgaben der Plattenindustrie. Die Band beharrt auf dem jetzt fast hysterischen Falsettgesang von Matthew Bellamy – und trennt sich im Streit von ihrem US-Label. Als Konsequenz erscheint das Album in Amerika mit ganzen vier Jahren Verspätung. Im Rest der Welt wird der beherzte Griff in die Experimentierkiste derweil frenetisch gefeiert.
Zwischen Moll, Groll und atonalem Größenwahn
Muse - Origin Of Symmetry (Cover)
Eruptive Pathosinszenierungen zwischen Glam und Tinnitus, zwischen Moll, Groll und atonalem Größenwahn sind seit "Origin Of Symmetry" das Markenzeichen von Muse – für das sie geliebt, zu gleichen Teilen aber auch belächelt werden. Was der Band aber herzlich egal ist. Wie sonst ließe sich erklären, dass Muse ihr Konzept seitdem immer weiter auf die Spitze treiben.
Auf die Spitze treibt es auch Bandimpressario Matthew Bellamy. Privat eher schüchtern und verkopft, mutiert der schmächtige Junge mit dem Faible für hochgegelte Igelhaare auf der Bühne zum Derwisch. Was er beisteuert, geht über die Eskapaden am Mikrofon weit hinaus. Um seine Soundphantasien zu erfüllen, müssen Gitarren nach seinen Vorgaben mit allerlei technischem Schnickschnack aufgerüstet werden. Und wenn er schwer atmend am Piano steht, die Gitarre griffbereit am Körper, dann nimmt die Stimmung in der Halle endgültig messe-ähnliche Züge an.
Liebeskummer mit Amokphantasien
"Origin Of Symmetry" klingt wie die Summe der in Musik gegossenen Stimmungsschwankungen eines manisch-depressiven Liebeskummerkandidaten mit Amokphantasien. Das Album ist der wahnsinnige oder, besser: in seiner überladenen Stringenz komplett größenwahnsinnige Beweis, dass Briten mehr können als schmeichlerischen Massenpop à la Oasis und Coldplay. Diese Grenzen haben Muse mit "Origin Of Symmetry" definitiv überschritten. Denn ihr Metier ist ein ganz eigenes: Barock'n'Roll für die Neuzeit.