Ruhmeshalle Yeasayer - All Hour Cymbals
Ethnofalle? Weltmusikhipster? Das Debütalbum von Yeasayer wirft viele Fragen auf. Und gibt keine Antworten. Aber selten geht Tradition und Moderne, Spiritualität und Technikfaszination so perfekt in einer großen Soundblase auf.
Ich liege auf dem Bauch, mit dem Gesicht in einer Schweißpfütze und hoffe einfach nur, dass es bald vorbei ist. Mein ganzkörpertätowierter Yogalehrer schwärmt, wie er meine Blockaden nachgeben spürt. Ich dagegen habe ganz ernsthaft Angst, dass jede Sekunde meine Schließmuskeln nachgeben. Ich schließe die Augen und bete. Und auf einmal ertönt ein Gospelchor.
Und gerade als ich überlege, ob das schon eine Nahtoderfahrung ist, da gesellt sich zum Uhhhh ein sprödes Klavier und Klatschen dazu. Spätestens als Chris Keating leicht quäkig zu singen beginnt, entspanne ich mich: so klingt nicht die Himmelspforte, ich bin nur im Hipster-Bikramyoga. Und da übt man 2007 zu Yeasayers Debütalbum "All Hour Cymbals". Das hat Sinn, denn aufs erste Hören haben die Brooklyner Herren tatsächlich ein akustisches Räucherstäbchen komponiert.
Sphärische Klänge und hypnotische Rhythmen
Dieses Album ist die Eintrittskarte für Yeasayer in den illustren Kreis von Musikern wie TVOTR, Grizzly Bear oder Animal Collective. Alles Bands, die scheinbar Unvereinbares im besten Brian Eno- und David Byrne-Sinn kombinieren: Tradition und Moderne, Spiritualität und Technikfaszination und natürlich: den Klang der ersten Welt mit dem des Nicht-Westens. "All Hour Cymbals" anhören ist ein bisschen wie plötzlich auf einer aus der Zeit gepurzelten Party landen. Selig dengelt da eine Sitar vor sich hin, sphärische Synthieklänge wabern über hypnotische afrikanische Rhythmen, ekstatisch wird Yeah Yeah im Chor gerufen. Aber das bedeutet nicht, dass Yeasayer mit ihrem vielstimmigen Debüt in die Ethnofalle wohlmeinender Weltmusikhipster getappt sind - so vernebelt "All Hour Cymbals" auch immer wieder daherkommt.
Düstere Hymnen statt New-Age-Ringelreihen
Auch wenn Yeasayer 2007 noch langhaarig sind und ihre Klänge trippig verschwurbelt, auf "All Hour Cymbals" gibt es kein New-Age-Ringelreihe-Tanzen. Hinter Hippie-Songtiteln wie "No Need To Worry" oder "Wait For The Wintertime" verstecken sich düstere, atonale Hymnen. In "Germs" wird die Natur besungen, weil sie dem wehrlosen Großstädter boshaft die Lungen mit Schimmelpilzen erstickt. Und in, "2080", dem vielleicht besten Song des Albums, wird nicht mit naivem Optimismus in die Zukunft geblickt. Ganz im Gegenteil: "I can't sleep when I think about the future I was born into", heißt es hier.
Nach "All Hour Cymbals" wurden Yeasayer poppiger, bekömmlicher und das Gott sei Dank ohne weniger spinnert zu sein. Ihr 2007er-Debüt aber riecht sogar heute noch ein bisschen nach Yogamatte für mich. Aber wisst Ihr was? Gerade im Kopfstand versteht man diese Band ein kleines bisschen besser.