#aufschrei-Aktivistin Anne Wizorek 7 Argumente gegen Feminismus im Check
Gleichberechtigung finden alle gut. Bei Feminismus sind sich da viele nicht mehr so sicher - und es fallen immer die gleichen Argumente dagegen. Wir haben die feministische Aktivistin Anne Wizorek gefragt, wie sie darauf reagiert.
Von: Juliane Frisse
Stand: 31.08.2015
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Anne Wizorek kennt eines leider nur zu gut: Frauenfeindlichen Hass und die immer selben Argumente gegen Feminismus. 2013 wurde sie als Netzfeministin einem großen Publikum bekannt, als sie die #aufschrei-Kampagne startete. Denn die hat damals auch jenseits von Twitter für eine saftige Sexismusdebatte gesorgt. Uns hat sie beschrieben, wie und warum sie auf die typischen Argumente der Feminismusgegner reagiert.
"Feministinnen hassen Männer."
Anne Wizorek: Das ist natürlich Quatsch. Feministinnen hassen das Patriarchat und das zurecht. Eine Gesellschaftsform, in der Männer eine bevorzugte gesellschaftliche Stellung haben und Frauen herabgesetzt werden, kann nicht gerecht sein. Das Patriachat drängt aber auch Männer in eine stereotype Rolle. Wenn sie zum Beispiel der starke, niemals weinende Alleinernährer einer Familie sein müssen, dann ist das auch ein extremer Druck für viele Jungen und Männer. Genau von diesen einsperrenden Geschlechterrollen wollen wir weg.
"Feminismus braucht doch keiner mehr. Ich bin ja schließlich auch eine Frau und ICH habe noch NIE erlebt, dass ich benachteiligt wurde."
Anne Wizorek: Da würde ich antworten, dass es nicht zwangsweise immer um dich selbst und in diesem Moment geht. Altersarmut zum Beispiel betrifft insbesondere Frauen, weil diese sehr häufig in Teilzeit arbeiten müssen, da sie ihre Kinder betreuen oder Angehörige pflegen. Frauen erhalten dadurch am Ende im Schnitt nur die Hälfte der durchschnittlichen Rente, die Männer bezahlt bekommen, obwohl sie genauso gearbeitet haben.. Wenn man das selbst noch nicht erlebt hat, dann ist das schön, dann sollte sich diejenige freuen. Aber das ist kein Grund zu sagen, dass wir nicht für uns als Gesellschaft insgesamt etwas Besseres anstreben sollten.
"Und dann immer dieses spaßbefreite Rumhacken auf jeder Werbung, wo eine Frau im Bikini drauf ist... Männer werden doch genauso zum Sexobjekt gemacht und sollen sich möglichst einen Sixpack antrainieren!"
Anne Wizorek: Der kontinuierliche Zwang zur Selbstoptimierung, auch des Körpers, ist ebenso eine Entwicklung des Neoliberalismus. Das lehnen auch Feministinnen ab. Wenn Menschen zum Beispiel in Bezug auf ihr Aussehen unter Druck gesetzt werden, dann ist das für niemanden wirklich gesund - weder für Männer noch für Frauen. Ich finde daher auch nicht, dass es eine gerechtere Entwicklung ist, zu sagen: "Hey, Frauen waren schon so lange Sexobjekte, jetzt müssen Männer das genauso werden." Es geht schlicht darum, Menschen in ihrer Vielfalt und Schönheit darzustellen und nicht immer an einem Schönheitsideal zu messen, das sie dank Photoshop eh nicht erreichen können.
"Gleichberechtigung ist ja richtig, aber Feministinnen betreiben Gleichmacherei! Männer und Frauen sind nun mal verschieden - das ist wissenschaftlich bewiesen."
Anne Wizorek: Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Menschen, die sind aber nicht unbedingt ausschließlich am Geschlecht festzumachen. Die meisten Argumente, die da kommen, sind ja so was wie: Frauen seien begabter für Erziehungsberufe und Männer angeblich besser in technischen Jobs. Die Hirnforschung hat hier einen Unterschied aufgrund des Geschlechts längst widerlegt, aber er wird immer noch herbeigeredet, um Frauen und Männer in für sie angeblich typische Berufe zu drängen. Da muss also auch ein Update unseres gesellschaftliches Bildes her, anstatt uns immer wieder an einem Bild festzuhalten, das die Männer zu den Jägern macht und die Frauen zu den Sammlerinnen. Außerdem wurde sogar diese Geschlechteraufteilung schon lange wissenschaftlich widerlegt.
"Feministinnen zwängen Frauen doch nur wieder in andere Schubladen, so nach dem Motto: 'Ihr müsst alle Karriere machen!' Ist es etwa weniger wert, sich um die Kinder zu kümmern?!?"
Anne Wizorek: Das ist auch Quatsch. Es geht darum, dass alle, Frauen genauso wie Männer, die Wahlfreiheit haben zu entscheiden: Will ich eine Familie gründen und immer zu Hause bleiben? Will ich Kinder und Karriere miteinander vereinbaren? Will ich vielleicht gar keine Kinder? Feministinnen sind nicht gegen das Hausfrau-Sein, sondern wir gucken uns an, warum viele Frauen immer noch Hausfrau sind, obwohl sie sich vielleicht auch beruflich verwirklichen möchten. Wir machen darauf aufmerksam, dass Müttern, die in den Beruf zurückkehren, immer wieder Steine in den Weg gelegt werden und ihnen Kompetenzen und Verantwortung abgesprochen werden.
"Und dann immer diese feministischen Sprach-Nazis: 'Studierende' klingt halt einfach scheiße. Wir haben doch schon immer 'Studenten' gesagt - ist doch eh klar, dass Frauen mitgemeint sind!"
Anne Wizorek: Der Witz ist ja: Unsere Sprache ist schon gegendert. Sie ist halt nur maskulin gegendert, aber das wird als Norm dargestellt und deswegen als neutral. Allein das zeigt schon sehr gut, wie die Machtstrukturen in unserer Gesellschaft funktionieren. Ich habe auch etwas länger gebraucht, um zu merken, wie das auch in meinem Sprachgebrauch funktioniert. Das berühmte "Frauen sind mitgemeint" funktioniert in der Praxis nicht. Auch das wurde mittlerweile durch die Hirnforschung untermauert, wenn sich zum Beispiel bei einer Jobausschreibung, die im generischen Maskulinum formuliert ist, Frauen eben nicht angesprochen fühlen und deshalb auch gar nicht erst bewerben.
"Feministinnen stellen Männer unter Generalverdacht."
Anne Wizorek: Diese Behauptung stammt aus älteren feministischen Theorien. Dazu muss man vielleicht auch erwähnen, dass es nicht den einen Feminismus gibt, sondern Feminismen. Also verschiedene Richtungen, in die Feminismus gedacht werden kann. Ich finde wichtig, dass Männer, die erkennen, dass Sexismus existiert und ein Problem ist, auch Verantwortung übernehmen und sich dagegen einsetzen. Also nicht einfach nur Sexismus im Stillen verurteilen, sondern wirklich ganz klar Position beziehen, wenn ihr bester Kumpel zum Beispiel Frauen belästigt. Aber es gibt tatsächlich auch immer mehr feministische Männer. Davon abgesehen können Frauen sich genauso sexistisch verhalten, denn sie wachsen auch in dieser Gesellschaft auf, die Frauen und Männer eben anders bewertet. Deswegen müssen wir auch alle an Geschlechtergerechtigkeit arbeiten.