Arbeiten im Kreißsaal Das erwartet euch als Hebamme
Die Geburtenrate in Bayern boomt seit Jahren. Und bei jeder dieser Geburten ist eine Hebamme dabei, das ist gesetzlich so geregelt. Hebammen machen also einen unverzichtbaren Job. Das Problem: Die Arbeitsbedingungen sind nicht gerade rosig, darum fehlt es an Fachpersonal. Das soll sich aber ändern. Ein Überblick.
Fast 90 Prozent aller Babys kommen auf einer Krankenhaus-Geburtsstation auf die Welt. Das ist nicht nur für die Mütter (und Väter) ein stressiger Ort. Oft betreut eine Hebamme bis zu vier Geburten gleichzeitig. Überstunden sind da normal - 13,5 Überstunden schieben festangestellte Hebammen in Bayern laut einer Studie durchschnittlich im Monat. Dazu kommt der Schichtdienst, auch an Wochenenden, nachts und an Feiertagen. Kliniken zahlen zwar Zuschläge für Nachtdienste und Co, aber gemessen an der Verantwortung, die Hebammen tragen, gibt‘s wohl eher wenig Kohle. Durchschnittlich 36.163 EUR brutto pro Jahr verdient eine festangestellte Hebamme in einer Vollzeitstelle.
Alternative Selbstständigkeit
Rund 730 Hebammen sind in Bayern fest an Kliniken angestellt. Bei den selbstständigen Hebammen ist die Zahl deutlich höher: Bayernweit arbeiten rund 2.700 Hebammen in Selbstständigkeit. Einige von ihnen arbeiten weiterhin als Beleghebammen in den Kreißsälen der Kliniken - obwohl sie nicht über die Klinik angestellt sind. Andere betreuen werdende Mütter nur noch vor und nach der Geburt, sie bieten also Geburtsvorbereitungskurse, Wochenbettbetreuung, Rückbildungsgymnastik oder Stillberatung an. Bei der Geburt selbst sind sie nicht dabei. Und es gibt freie Hebammen, die sich zusammenschließen und eigene Geburtshäuser betreiben, ganz ohne Krankenhaus und Ärzte - solange es keine Komplikationen gibt.
Dazu gehört Magdalena Habrik. Sie arbeitet zusammen mit 14 anderen Frauen freiberuflich im Geburtshaus München. Davor war sie fünf Jahre in einer Klinik. Sie kennt also alle Facetten ihres Berufs, weiß, wie sich der Stress im Krankenhaus anfühlt und wie es ist, als Freiberufliche sich selbst und ein Geburtshaus zu organisieren.
"Es ist kein 9-to-5-Job und es ist keine Arbeit, die man von seinem Leben abkoppelt - also einfach arbeiten geht, Geld kriegt und dann seine Freizeit nur für sich verplant. Es braucht schon viel Flexibilität, keine Frage. Aber er ist durchaus auch total erfüllend und befriedigend."
(Magdalena Habrik, freiberufliche Hebamme im Geburtshaus München)
Ein großer Vorteil von Magdalenas Arbeit im Geburtshaus ist, dass sie ihre Arbeitsbedingungen besser und ohne den Druck der Klinikleitung im Nacken bestimmen kann. Freie Hebammen können sich so oft mehr Zeit für die werdenden Mütter und die Babys nehmen. Im Fall von Magdalena heißt das konkret: Eins-zu-eins-Betreuung im Geburtshaus. Sie und ihre Kolleginnen betreuen auf diese Weise rund 36 gesunde Schwangerschaften im Monat. In Kliniken ist diese intensive Betreuung selten möglich, da sind es im Monat durchschnittlich 27 Geburten - pro Hebamme.
Außerdem verdienen selbstständige Hebammen auf den ersten Blick etwas mehr Geld, weil sie direkt mit den Krankenkassen abrechnen können. Gepaart mit der Tatsache, dass sie sich häufig besser auf einzelne Mütter einlassen können und ihren Beruf oft weniger als "Massenabfertigung" empfinden, könnte man meinen, dass freiberufliche Hebammen deutlich im Vorteil sind. So weit so gut.
Achtung: Hebammenhaftpflichtversicherung!
Aber das Leben als freiberufliche Hebamme hat einen fetten Nachteil: die Berufshaftpflichtversicherung. Für freie Hebammen, die noch aktiv in der Geburtshilfe arbeiten ist die besonders hoch, liegt momentan bei 8.664 Euro im Jahr. Für Selbstständige, die keine Geburten betreuen, ist die Versicherung etwas günstiger. Das ist wiederrum ein wichtiger Grund, wieso sich rund 50 Prozent der freiberuflichen Hebammen aus der aktiven Geburtshilfe zurückziehen und nur noch Vor- beziehungsweise Nachsorge machen. Die Versicherung ist schlichtweg zu teuer.
So entsteht der Hebammenmangel, der in Bayern gerade viele werdende Mütter belastet. Sie finden keine Hebamme, die sie durch die Geburt begleitet, haben Angst alleine zu sein. Und das obwohl es in Bayern seit Jahren deutlich mehr Bewerberinnen als Ausbildungsplätze gibt, auch wenn Hebammenschulen in den vergangenen Jahren einen leichten Rücklauf bemerkt haben.
Was sich ändern soll
Doch es gibt Pläne, dieses Hebammendilemma zu lösen: Stichwort Akademisierung. Bisher ist Hebamme oder Entbindungspfleger bei uns ein Ausbildungsberuf. Im kommenden Jahr wird aber alles anders, denn die Ausbildung wird zum dualen Studium. Das soll Hebammen mehr Perspektiven geben - wie einen Masterabschluss oder eine gleichwertige Stelle in anderen EU-Ländern.
Außerdem - und das ist echt nicht unerheblich - sollen angestellte Hebammen mit einem Studium zukünftig besser bezahlt werden. Sagt zumindest der Deutsche Hebammenverband. In Sachen Berufshaftpflichtversicherung macht sich der Verband für einen Haftungsfonds stark, der die Kosten auf mehrere Schultern verteilen soll. Einen konkreten Plan zur Umsetzung gibt es aber noch nicht.
Für Magdalena ist vor allem wichtig, dass ein anerkanntes Studium endlich auch das fachliche Know-how der Hebammen mehr würdigt.
"Mein Traum, meine Vision vom Hebammenberuf ist, dass die gesunde Schwangerschaft in Hebammenhände kommt. Einfach auch, damit das Kompetenzgerangel aufhört. Es geht nicht darum, dass ich gegen die Ärzte, oder die Ärzte gegen mich reden. Es soll eigentlich zu einem schönen Miteinander kommen."
(Magdalena Habrik, freiberufliche Hebamme im Geburtshaus München)
Hebammen machen einen verdammt wichtigen Job. Sie leiten Frauen durch eine der intensivsten Lebensphasen überhaupt und passen darauf auf, dass beiden - Mama und Baby - nichts passiert. Der Job ist jetzt schon so viel mehr als "ein bisschen Händchen halten".
Sendung: Filter vom 20.03.2019 - ab 15 Uhr