Die Papst-App "Click To Pray" im Selbsttest Warum Beten mit Handy echt gewöhnungsbedürftig ist
Papst Franziskus ist seinen Gläubigen jetzt ganz nah – mit der App "Click To Pray". Sie soll das Beten revolutionieren. Unser Autor ist gläubig und hat sie ausprobiert – ist aber nur so halb beseelt.
Von: Tobias Krone
Stand: 23.01.2019
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Zuerst mal eine Feststellung: Ich glaube an Gott. Aber nicht an den Papst. Als ich von der Gebets-App gehört habe, dachte ich deswegen: Warum nicht mal ausprobieren. Also habe ich mir "Click To Pray" runtergeladen. Ich bin neugierig, was eine Gebets-App vom Papst mit mir macht. Und ob sie frischen Wind in mein Glaubensleben bringen kann.
"Click To Pray" ist das neueste Gimmick von Papst Franziskus, der ja als volksnaher Kirchenvater bekannt ist. Neulich stand er auf dem Petersplatz bei seiner wöchentlichen Audienz vor tausenden Papst-Fans - und wischte auf seinem Tablet rum. Wer genau hinschaut, erkennt: Das war keine Segnungsgeste - sondern der Versuch, den Text auf seiner App größer zu ziehen. Gerade ist er auf dem Weltjugendtag in Panama - und will, dass möglichst viele mitbeten. Auch wer's nicht nach Lateinamerika geschafft hat, soll im Geist dabei sein. Eine Mitmach-App für die Katholiken dieser Welt also.
Hatten Jesus' Jünger eine Facebook-Gruppe?
Was mich gleich am Anfang irritiert: Bei der Papst-App muss man sich anmelden: Warum? Hatten Jesus' Jünger eine Facebook-Gruppe, der sie dann beigetreten sind? Hat Johannes seine Täuflinge nach der E-Mail-Adresse gefragt? Wohl kaum. Aber "Click To Pray" geht eben mit der Zeit - sie will von Anfang an eine App wie jede andere sein.
Beten heißt einen Button drücken
Im ersten Menüpunkt kann man das monatliche "Gebetsanliegen des Papstes" mitbeten, das schon 90.092 andere gebetet haben. Der Papst hat es diesen Monat für den Weltjugendtag geschrieben. Es ist ungefähr 20 Zeilen lang. In dem Moment frage ich mich: Was ist eigentlich beten? Bete ich schon, indem ich diesen Text nur lese? Ich beschließe, den Text zumindest laut zu lesen und bin mit dem meisten davon okay: Dass die sozialen Probleme in Südamerika weniger werden - check. Dass die Leute auf dem Weltjugendtag eine gute Zeit haben - check. Und dann entdecke ich das Kernstück der Gebets-App: den Pray-Button. Ich drücke ihn. Ein helles Fenster erscheint: "Danke, dass du mitbetest." Und das war's. Offenbar heißt beten diesen Button zu drücken. Das war easy.
Für den Bettler an der Ecke zahlt's sich aus
Beim nächsten Menüpunkt wird's ein bisschen interessanter. Hier gibt der Papst für jeden Tag morgens, nachmittags und abends Gebetsanweisungen, aber oft sind es keine fertigen Gebete, sondern eher Challenges. Morgens fordert er mich auf, darüber nachzudenken, wo ich in meinem Alltag dem Beispiel Jesu folgen und jemandem Hilfe anbieten kann. Dann fahre ich zur Arbeit. Immerhin, für den Bettler an der Ampel könnte sich die Papst-App auszahlen. Denn beim Vorbeigehen denke ich an die Worte meiner Papst-App und hole meinen Geldbeutel raus.
Bis jetzt habe ich morgens und abends gebetet - still für mich. Angefangen habe ich damit als Kind, weil ich eine Zeit lang nicht einschlafen konnte. Das hat damals funktioniert und deshalb bin ich dabeigeblieben, habe mit Gott im Laufe der Jahre unter anderem meinen Liebeskummer und meine Angst vor der Führerscheinprüfung verhandelt. Auch deshalb wäre mir nie die Idee einer Massen-App gekommen: Ein Gebet ist etwas absolut Persönliches. Aber offenbar nicht für alle.
Alle Kommentare unter Marias Gebet: Amen
In der U-Bahn nach Hause lese ich auf der App die Gebete von anderen Leuten. Weltweit posten Menschen ihre Gebete - offenbar wollen sie, dass möglichst viele mitbeten. Maria aus Südamerika zum Beispiel bittet Gott auf Spanisch um Frieden für Kolumbien. Man kann unter den Posts auch antworten - wie in jedem sozialen Netzwerk. Die meisten antworten mit einem Wort: Amen. Das bedeutet: "So sei es." Was für einen klugen Kommentar soll man auch haben für eine Frau am anderen Ende der Welt, die mit Bürgerkrieg großgeworden ist. Auch mir fällt gerade nichts anderes ein. Ich drücke den Pray-Button, murmele "Amen" - und denke mir: Wäre es nur so einfach mit dem Frieden!
Die App zeigt mir, wie wenig katholisch ich bin
Mittlerweile glaube ich nicht mehr daran, dass Gott irgendwas direkt lenken kann, dass er mir eine gute Klausurnote oder ein besseres Gehalt schenkt. Ich glaube, für alles, was Menschen verändern können - Kriege und Armut beenden, Erfolg im Beruf haben - dafür sind Menschen auch selbst verantwortlich. Das einzige, das Gott wirklich bewirken kann, ist, wie wir uns dabei fühlen. Ich kann zum Beispiel eine Party perfekt organisieren, aber dass sie am Ende auch wirklich gut wird, die Leute sich mögen - das kann niemand wirklich beeinflussen. Manche nennen es "Atmosphäre", andere den "Spirit". Ich als Gläubiger nenne es "Segen" - und ich glaube, dass Gott allein den geben kann. Auch bei "Click To Pray" poppt immer wieder dieses Wort auf. Da bin ich mit dem Papst auf einer Wellenlänge. Und trotzdem lässt mich seine App immer wieder spüren, wie wenig fromm und katholisch ich wirklich bin. Bei Bibelworten wie denen von Maria - "Ich bin die Magd des Herrn" - denke ich nicht: Oh ja, I like! Sondern ich denke schlicht und einfach an die Unterdrückung der Frau und das "Wunder" der unbefleckten Empfängnis, das ich, sorry Gott, für ein fragwürdiges Märchen halte. So up to date die Kirche in Sachen Social Media sein will, so wenig kommt sie dem gesellschaftlichen Fortschritt hinterher.
Spricht Gott zu mir? Auf dem Smartphone?
Ich liege im Bett. Eigentlich wäre es jetzt Zeit für ein Abendgebet. Mein Handy hat aber keinen Saft mehr - ich stehe auf, stecke mein Ladegerät ein, mache "Click To Pray" auf. Jetzt, im Schummerlicht meiner Nachttischlampe fällt mir auf, dass das App-Design zwar sehr gut zu meinem ziemlich schrottigen, vier Jahre alten Smartphone passt, aber auf keinen Fall zu meiner Vorstellung von einem Gebet. Es fühlt sich überhaupt nicht an, als würde ich beten. Eher, als würde ich gerade mein Fernbusticket buchen.
Die Papst-Challenge des Abends: Ich soll mir überlegen, wie oft mich Gott an diesem Tag gerufen hat. Mmh, keine Ahnung, denke ich. Und schlafe über dem Grübeln ein. Aber ungelogen: Am nächsten Tag fängt mein Handy immer wieder an, metallisch zu krächzen und zu fiepen. Telefonieren klappt nicht mehr, nur noch ein lautes Rauschen ist zu hören. Entweder ist der Zorn Gottes in mein Handy gefahren, weil ich nicht richtig gebetet habe, oder seine Stimme ist einfach noch nicht Android-kompatibel.
Sendung: Filter, 23. Januar 2019, ab 15 Uhr