Von wegen Chancengleichheit Billiger studieren in der Kleinstadt? Nein, danke!
Bildungsministerin Anja Karliczek findet, dass BAföG-Studierende zur Not in billigere Uni-Städte ziehen sollen, wenn das Wohngeld nicht zum Leben in München, Hamburg und Co. reicht. Unser Autor findet das diskriminierend.
Das BAföG soll dieses Jahr steigen und mehr Leute sollen davon profitieren. Eigentlich cool! Blöd nur, wenn das Geld trotzdem nicht zum Leben reicht. In beliebten Unistädten, wie Hamburg oder München, ist mit der maximalen Wohnungspauschale von 325 Euro kaum ein WG-Zimmer zu bezahlen. Bildungsministerin Anja Karliczek findet das okay. "Man muss ja nicht in die teuersten Städte gehen", sagt sie dazu im Spiegel-Interview.
Ganz nach dem Motto: Wer sich die Traum-Uni nicht leisten kann, soll’s halt lassen. Aber hier geht es nicht um eine Backpack-Weltreise oder das neue High-End-Smartphone. Es geht um das Menschenrecht auf Bildung, zu dem sich auch Deutschland im UNO-Pakt von 1948 bekannt hat. Und das Studieren in einer billigeren Stadt ist eben nicht immer eine gleichwertige Alternative.
Uni-Standort bestimmt über Qualität und Spezialisierung
Zuerst müssen Unis in billigen Städten den Studiengang meiner Träume überhaupt mal anbieten. Klar, kann ich in Deggendorf eine günstige Wohnung finden. Nach einer Analyse von WG-gesucht.de gibt’s dort ein WG-Zimmer für durchschnittlich 252 Euro. Super lässig, aber Rechtswissenschaft, Medizin oder Germanistik kann ich dort nun mal nicht studieren. Und damit sind drei der fünf beliebtesten Studiengänge von Frauen schon mal raus.
Und selbst wenn: Studiengang ist nicht immer gleich Studiengang. Neben verschiedenen Schwerpunkten gibt es in der heutigen Studienlandschaft eine riesige Menge an fachspezifischen Studiengängen oder Spezialisierungsmöglichkeiten. Studierende bekommen heute bei Beratungen zu hören: "Am besten wisst ihr schon vorher, im welchem Bereich ihr später genau arbeiten wollt. Sucht danach den Studienort aus!" So sollte es sein, ja.
Außerdem ist es völlig legitim, wenn künftige Studis ihre Uni auch nach deren Ruf auswählen. Im Uni-Ranking von Times Higher Education landen nun mal zwei Universitäten aus München auf den besten deutschen Plätzen. Wenn es nach unserer Bildungsministerin geht, bewerben sich dort in Zukunft anscheinend nur noch Menschen mit dem entsprechenden Geldbeutel.
Komplett absurd wird die Argumentation der CDU-Ministerin schließlich, wenn man seinen Studienort über die Zentrale Studienplatzvergabe zugeteilt bekommt. Wer zum Beispiel Medizin studieren will, bewirbt sich zentral und kann höchstens sechs Wunschorte angeben. Wer vom BAföG abhängig ist, sollte also vorher die Mietpreise rausgesucht haben. Denn auch ein Tauschen im Nachhinein ist nicht so leicht möglich.
Mal abgesehen von diesen Extremfällen bleibt für Geringverdiener oft nur die Möglichkeit, ihre Kinder woanders hinzuschicken oder junge Menschen bleiben gleich zuhause wohnen. Das mag manchmal funktionieren, aber eben nicht immer. So zu tun, als gäbe es ein gleichwertiges Angebot für jedes Interesse und jeden Geldbeutel, entspricht nicht der Realität.
Bildung ist eben doch noch eine Geldfrage
Anja Karliczek wollte vielleicht einfach Alternativen für ein günstigeres Studium aufzeigen. Zugegeben: Es ist auch lästig, wenn man gerade Geld lockermacht und alle sofort wieder schreien, es sei zu wenig. Aber es ist eben nicht okay, wenn Geringverdiener in billigere Städte oder aufs Land ziehen sollen, um zu studieren. Weil der Studienort entscheidend für die berufliche Zukunft sein kann.
Und wer ernsthaft will, dass Bildung keine Frage des Geldes mehr ist, muss auch an eine freie Wahl der Uni denken. Egal, wie teuer das ist. Das ist sicherlich nicht nur ein BAföG-Problem. Es geht auch darum, dass es bei weitem nicht genügend Studentenheime gibt und die Mietpreise weiter explodieren. Aber wer wie die Bildungsministerin argumentiert, sorgt dafür, dass Reiche unter sich bleiben. Der Rest kann schauen, wo er bleibt – so gut Unis in kleineren Städten und auf dem Land auch sein mögen.
Sendung: Filter vom 12.02.2019 – ab 15 Uhr.