Kriminalstatistik In Bayern werden Kiffer am härtesten verfolgt. Nicht!
Für die meisten ist klar: Wenn's um's Kiffen geht, ist Bayern das härteste Bundesland. Wir haben Statistiken gewälzt und herausgefunden: Stimmt gar nicht! So streng werden Kiffer in den einzelnen Bundesländern verfolgt.
Das Tütchen Gras in der Tasche, am Hauptbahnhof umsteigen, da reflektieren aus der Ferne sieben Buchstaben: POLIZEI. Ob dem Kiffer der Schweiß den Rücken herunter rinnt oder ob er entspannt weiterschlurft, hängt wohl auch davon ab, an welchem Bahnhof er unterwegs ist. In München setzt vermutlich der Fluchtinstinkt ein. Wer in Bayern mit Gras erwischt wird, hat im Vergleich zu allen anderen Bundesländern angeblich mit den härtesten Konsequenzen zu rechnen. Wir haben herausgefunden: So schlimm ist es gar nicht. Unsere fünf Facts zum Umgang mit Cannabis in den verschiedenen Bundesländern.
1. Die Gesetze: Nicht härter in Bayern
Für alle Bundesländer gilt generell, dass der Besitz von Cannabis illegal ist. Trägt man jedoch nur geringe Mengen Gras mit sich herum, hat jedes Bundesland die Möglichkeit, auf eine Strafe zu verzichten. §31a des Betäubungsmittelgesetzes macht das möglich und erlaubt den Ländern, eine eigene Höchstmenge festzulegen, bis zu der das Verfahren eingestellt werden kann. Außer einer Anzeige passiert dann unter bestimmten Voraussetzungen nichts. Bayern hat 6 Gramm Cannabis als Höchstmenge definiert, genauso wie 12 andere Bundesländer. Nur in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen darf man mit mehr Gras erwischt werden, ohne dass eine Strafe blüht.
Grundsätzlich wird in jedem Bundesland das Verfahren aber nur dann eingestellt, wenn das Cannabis zum Eigenverbrauch gedacht ist und keine anderen Drogen im Spiel sind. Außerdem sollte der Täter kein Wiederholungstäter sein und die Öffentlichkeit kein Interesse daran haben, die Straftat zu verfolgen – wie es zum Beispiel bei Erziehern und Lehrern der Fall wäre. Trotz der Kulanzgrenze ist die Entscheidung an jedem deutschen Gericht immer dem Richter überlassen.
2. Vollzugsbeamte: Bayern, doch kein Polizeistaat
Wer am Münchner Hauptbahnhof unterwegs ist, könnte meinen, Bayern hätte nicht nur die angestaubtesten Polizei-Uniformen der Republik, sondern auch die meisten Beamten. Tatsächlich ist es im Bundesländer-Vergleich nicht so: Im Verhältnis zur Einwohnerzahl haben neun andere Bundesländer mehr Polizisten, die im Vollzug – also auf der Straße, im Streifenwagen, auf der Wache – tätig sind. Die meisten Polizisten sind in den drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg unterwegs, die wenigsten in NRW und Baden-Württemberg. Bayern landet im Mittelfeld.
3. Anzeigen: Derb in Bremen – lax in Sachsen?
Wie oft Cannabisdelikte angezeigt werden, ist in Deutschland sehr verschieden. Mehr Anzeigen in einem Bundesland kann auch heißen, dass da mehr Kiffer leben. Trotzdem fällt auf: In Bayern werden nicht überdurchschnittlich viele Strafanzeigen wegen Gras gestellt. Ganz im Gegenteil, der Freistaat landet nur auf Platz 11. In Bremen gibt es am meisten Anzeigen, im Saarland und in Sachsen am wenigsten.
Strafanzeigen werden immer aufgenommen, wenn die Polizei jemanden mit Cannabis erwischt. Unabhängig davon, wie viel Gras gefunden wird, handelt es sich um eine Gesetzwidrigkeit. Ob das Verfahren letztendlich eingestellt wird, entscheidet anschließend die Staatsanwaltschaft.
4. Verurteilungen: Hier liegt der Norden vorn
Hier kommen wir dem Klischee von den harten bayerischen Behörden schon näher. In den Stadtstaaten Bremen und Hamburg werden am meisten Menschen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt. Bayern landet gleich dahinter.
5. Einstellung der Verfahren: Bayern hart, Sachsen härter
Glück im Unglück haben Kiffer häufig in Berlin und Schleswig-Holstein: Wer mit einer geringen Menge Gras von der Polizei erwischt wurde, kann in diesen beiden Ländern am ehesten darauf hoffen, dass das Verfahren gegen ihn fallen gelassen wird und er keine Strafe bekommt. Fast bei der Hälfte aller Fälle wird in Schleswig-Holstein das Verfahren eingestellt. In diesem Punkt macht Bayern seinem Ruf alle Ehre: Bayerische Staatsanwälte sind strenger und stellen nur 11 Prozent aller Cannabis-Verfahren ein. Dennoch ist es nicht das härteste Bundesland, in Sachsen ist die Wahrscheinlichkeit noch geringer, einem Verfahren zu entgehen.
Bayern ist nicht liberal im Umgang mit Cannabis, aber auch nicht in allen Punkten unverhältnismäßig viel härter als andere Bundesländer. Dass sich der Eindruck hält, Bayern würde mit Abstand den schärfsten Gras-Kurs fahren, könnte daran liegen, dass die Polizei grundsätzlich härter vorgehen darf, als in anderen Ländern. Das bayerische Polizeirecht erlaubt beispielsweise, dass Menschen bis zu zwei Wochen in Gewahrsam genommen werden dürfen, bevor ein Richter entscheidet, was geschieht. In NRW und Berlin geschieht das maximal für 48 Stunden.
Bayern wird trotz dieser Fakten wohl nicht so schnell seinen Titel als gefühlt härtestes Bundesland für Kiffer verlieren – zu viele Geschichten kursieren, zu viele Zahlen sind unbekannt und zu gerne mögen wir Klischees. Trotzdem: Falls ihr in nächster Zeit an einem Bahnhof in Bayern kontrolliert werdet, denkt euch: Das hätte mir woanders auch passieren können.