Für einmal Kiffen in Dealerdatei gespeichert Polizei kriegt Ärger von Datenschützern
Drogenermittler haben jahrelang zu viele Daten gespeichert. Neben Bagatellfällen sind auch viele Verfahren, die die Staatsanwaltschaft längst fallen gelassen hat, bundesweit für Polizisten abrufbar. Datenschützer sehen große Mängel – und fatale Folgen für uns.
Von: Tobias Krone
Stand: 11.11.2016
| Archiv
Illegale Drogen können einen in Schwierigkeiten bringen – soweit so bekannt. Aber dass man in Polizeikreisen eine gewisse Prominenz erreicht, nur weil man mal mit einem Joint erwischt wurde, wussten bis jetzt nur die Wenigsten. Jetzt haben Datenschutzbeauftragte festgestellt, dass die Polizei in ihrer bundesweiten Rauschgiftdatei immer wieder gegen Gesetze verstößt.
In der Bundesdatenbank – wegen einem Joint
In der so genannten "Falldatei Rauschgift" haben Datenschutzbeauftragte von Bund und Ländern schon öfter Stichproben gemacht und auch immer mal wieder Verstöße gefunden. Jetzt haben sie sie systematisch kontrolliert. Eigentlich ist die Datenbank dazu da, Polizisten bei ihrer bundesweiten Jagd auf Drogenbanden zu unterstützen. Die Ermittler wollen Großdealer bekämpfen, indem sie ihre Daten über die Grenzen der Bundesländer hinweg vernetzen. Aber dabei waren sie wohl etwas zu eifrig und haben zu viele Daten eingespeist. Auch die von ganz kleinen Drogendelikten – und das geht gar nicht, sagen die Datenschützer.
"Die Verbunddateien müssen erhebliche Straftaten betreffen und eine länderübergreifende Bedeutung haben. Also Bagatellstraftaten und Eintagsfliegen haben in einer bundesweiten Datei nichts zu suchen."
Thomas Petri, Bayerischer Datenschutzbeauftragter
Als Partyveranstalter in der Drogenkartei
Die Kontrolleure haben aber nicht nur Daten von kiffenden "Eintagsfliegen" gefunden. Die Polizei hat zum Beispiel auch die Daten von jemandem gespeichert, der eine private Party veranstaltet hat, bei der Gäste auf der Toilette Drogen genommen haben. Sogar ein Apotheker steht in der Datei – weil ein Kunde rezeptpflichtige Medikamente gestohlen hat.
Laut Gesetz muss die Polizei jeden Eintrag in die Falldatei Rauschgift begründen – vor allen Dingen muss sie erklären, warum sie bei diesen Personen weitere Straftaten befürchten. Aber bei vielen Einträgen fehlen diese geforderten Negativprognosen, so der Bericht der Datenschützer.
Auch nach Freispruch noch in der Drogendatei
Staatsanwaltschaften stellen die Ermittlungen bei kleinen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz oft ein. Damit erlischt dann auch die Anzeige. In der Bundesdatei bleiben die Fälle laut dem aktuellen Bericht aber drin.
"Nehmen wir an, die Polizei hat am Anfang den Verdacht, diese Person ist Mitglied einer Bande, die Rauschgift dealt, und speichert das zurecht in der Bundesdatei. Dann aber stellt die Staatsanwaltschaft fest, diese Person ist gar nicht der Täter, sondern möglicherweise ein Opfer oder nur ein Zeuge, und stellt das Verfahren ein. In aller Regel haben die Staatsanwälte diese Information an die Polizei zurückzuspielen. Dann muss die Polizei das in der Datei korrigieren. Wenn sie das nicht tut, dann bleibt die Information, das ist ein mutmaßlicher Täter in einer bundesweiten Falldatei gespeichert, obwohl die Person sich überhaupt nichts hat zuschulden kommen lassen. Und bei diesem Punkt haben wir sehr viel Wert darauf gelegt, dass sich da was ändert."
Thomas Petri, Bayerischer Datenschutzbeauftragter
In Zukunft könnte ein Computerprogramm dafür sorgen, dass diese Fälle wieder gelöscht werden. Aber bis jetzt müssen Polizisten die noch selbst löschen – was sie häufig nicht getan haben.
Dieser sorglose Umgang mit den Daten kann schwerwiegende Folgen haben. Wer für einmal Kiffen zu Unrecht in der Datei gelandet ist, muss damit rechnen, dass er bei jeder Polizeikontrolle als Verdächtiger behandelt wird – und damit weitere Kontrollmaßnahmen über sich ergehen lassen muss. Seine Daten können auch weitergegeben werden – und das ist besonders fatal.
Alle, die zum Beispiel einen sicherheitsrelevanten Job antreten wollen, also Polizist*in, Soldat*in oder Pilot*in werden wollen, müssen durch eine Zuverlässigkeitsüberprüfung. Dabei werden unter anderem Daten beim Bundeskriminalamt eingeholt und wenn es dumm läuft, dann gibt es da so einen Datensatz und man bekommt den Job nicht.
Landespolizei darf weiter speichern
Die Datenschützer fordern dementsprechend von der Polizei, dass sie die Daten wie vorgeschrieben löscht – und in Zukunft viel sensibler mit ihnen umgeht. Aber, das heißt nicht, dass es einen Kahlschlag bei der Speicherung von Daten geben wird. Wer zum Beispiel in Bayern von der Polizei mit Marihuana erwischt wird, muss weiterhin damit rechnen, in Dateien zu landen.
"Um das nicht falsch zu verstehen: Natürlich kann die bayerische Polizei das unter bestimmten Voraussetzungen speichern. Aber eben nicht weitergeben an diese Bundesdatei, die eigentlich für Straftaten von erheblicher Bedeutung konzipiert ist."
Thomas Petri, Bayerischer Datenschutzbeauftragter
Warum speichert die Polizei jahrelang die kleinsten Bagatelldelikte in einer bundesweiten Drogendatei? Vom Datenschutzexperten im Bundeskriminalamt gab es auf diese Nachfrage von PULS heute leider keine Antwort.