Die Frage Woher kommt der Fitness-Hype?
Auf YouTube sehen wir Body-Transformations, im Park schwitzen sich immer mehr Leute zum Traumkörper und bei Instagram laden uns Weltstars auf ihre Fintessmatten ein. Woher kommt der Fitness-Hype?
Ich sehe sie im Park, auf Bildschirmen, Leinwänden und sogar in meiner privaten Facebook-Timeline: Schwitzende Körper, die ihre Bauchmuskeln trainieren oder einem fröhlich unter die Nase reiben, dass sie vor der Arbeit mal wieder flott einen Halbmarathon gelaufen sind. Wieso haben immer mehr Leute Lust, sich zu bewegen und warum landet das dann in den Social Streams? Woher kommt der Fitness-Hype?
Um das Phänomen besser zu verstehen, habe ich fünf Workouts in fünf Tagen gemacht. Das ist meine eigene, Mini-Body-Transformation.
10 Weeks Body Change mit Detlef D! Soost
Detlef D! Soost, der Popstars-Tanzlehrer, der Privatfernseh-Drill-Instructor verspricht mir: "I make you sexy". Das 10 Wochen Body Change Programm läuft über eine Onlineplattform. Wer sich hier für 79 Euro registriert, hat Zugang zu Rezepten, Workout- oder Koch-Videos, der Community und verschiedenen Motivations-Häppchen – wie zum Beispiel dem "Vertrag mit mir selbst". Kann man sich ausdrucken und unterschreiben.
WIN: Das 10 Wochen Body Change Programm ist so etwas wie das Dreirad unter den Fitnessprogrammen – mit einer Lenkstange, die Detlef D! Soost steuert, damit man auch ja nicht aus der Bahn gerät. Wie Kaa, die Schlange aus dem Dschungelbuch, versucht Detlef, mich mit intensiven Anstarren in einen Fitness-Hypnose-Zustand zu versetzen: "Das hier ist ne wichtige Sache! Das ist ne Mission, bei der wir zwei sexy beiden Partners in Crime sind!"
FAIL: Mir ist das schon nach einem Tag zu langweilig. Den Frauen-Zum-Weinen-Bringer-Detlef von früher gibt es hier nicht. Der hier schleift meinen Arsch nicht über die Fitnessmatte, der hier ist sanft. Und: er nimmt sich und die Sache so verdammt ernst. Kein Augenzwinkern, kein Funken Selbstironie - und selbst wenn Detlef mal einen Gag versucht, dann trainiert er damit höchstens meine Fremdschäm-Muskeln.
Calisthenics
Ein Athlet macht einarmige Handstand-Liegestütze und präsentiert dabei Muskelgruppen, die ein Mediziner wohl auch erst mal recherchieren müsste. Calithenics ist eine Form des klassischen Ghettoworkouts: Man macht Klimmzüge, Muscle Ups und viele artistische Figuren an Geländern und Stangen im Park. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
WIN: Der Spirit: Als ich zum Beispiel meinen ersten Muscle Up mit Mühe hinter mich gebracht habe - also einen Klimmzug, bei dem man am obersten Punkt umgreift und sich noch weiter über die Stange drückt, bis die Arme wieder gestreckt sind - überschüttet mich die Gruppe mit Lob, obwohl ich mit Abstand am schwächsten abliefere.
FAIL: Calisthenics ist garantiert nichts für untrainierte Würste. Viele kommen dazu, wenn ihnen Freeletics oder Cross Fit nicht mehr reicht. Hier kann man dann auf wirklich krasse Fitnessziele hinarbeiten: Die Human Flag oder andere Stunts, die einem im Alltag nix nutzen - außer man will bei einer Truppe Zirkus-Akrobaten anheuern. Bis man da hin kommt, kann es aber Jahre dauern.
Freeletics
Free Athletes – so nennen sich Menschen, die Freeletics machen. In Parks und auf Bolzplätzen treffen sie sich für die tägliche Ration Burpees, Squats und Sit Ups. Das passende Workout wird in der App rausgesucht. Side Fact: Alle Workouts von Freeletics heißen wie griechische Gottheiten.
WIN: Man muss sich vermessen, um in der Community mitzuspielen. In der App können andere User sehen, wie lange ich für mein Workout brauche, ob ich mich verbessere, was meine Highscores sind. Und sie sehen mein "Level". Am Freeletics Stammtisch wird dann ausgepackt: Mein Haus, mein Boot, mein Level. P.S.: Meins ist 3. Na? Beeindruckt?
FAIL: Das wichtigste Freeletics-Gebot lautet: "No Excuses". Mit schwerem Pathos beladene Motivations-Sprüche kriegt man aber nicht nur von den Machern. Aber am Ende ist man eben doch nichts Besonderes als Freier Athlet. Man ist einfach nur einer von vielen, die es durchstehen, 500 Hampelmänner zu zählen.
Das Fitnessbuch
In "Fit ohne Geräte" sagt Autor Mark Lauren: "Ich trainiere Menschen, deren Leben davon abhängt. Ich habe die Übungen in diesem Buch fortlaufend verfeinert, während ich hunderte von Anwärtern auf die Elitetruppen der US Special Operations vorbereitet habe." Puh. Das hier ist kein Wohlfühl-Fitness, es ist knallharter Army-Talk. 125 Übungen hat Mark Lauren in das Buch gepackt, dazu gibt es unendlich viele Vorschläge, wie man sich selber Trainingspläne zusammenstellt. Oder man pickt sich eines der vorgefertigten Programme raus. Hauptsache, man pimmelt nicht planlos rum…
WIN: Mehr, als alle anderen Fitness-Programme, bringt mir dieses hier bei, das Training zu verstehen. Nach meiner Lektüre könnte ich ja mal im örtlichen Fitnessstudio vorbeischneien und ein bisschen rumgockeln: "Hey, Freunde, checkt mal meinen Erector spinae!" Oder: "Deinen Iliopsoas solltest du im Auge behalten, Kumpel…"
FAIL: Military-Mark geht mir schon nach der Einleitung auf die Nerven. "Fit ohne Geräte" verspricht mir den Durchblick und den Körper eines Navy-SEALs. Endlich selbstbestimmt sein. Endlich effektiv sein. Endlich jede Sekunde meiner teuren Zeit nutzen. Das ist trendy, das ist amerikanisch… Das ist aber leider so unterhaltsam wie stundenlanges Strammstehen.
EMS
Die beste Form deines Lebens mit nur 20 Minuten Aufwand in der Woche. Das verspricht EMS, Elektrostimulations-Training. Hierzu schlüpfe ich in einen hautengen Baumwollsuit und zurre eine Weste sowie mehrere Gurte an meinen Körper. Durch Elektrodenpads an der Innenseite der Weste werden mir nun ein paar Milliampere durch die stromunerfahrenen Muskeln gejagt.
WIN: Es kitzelt, es knistert im Muskel und ich muss wirklich viel lachen. Trainer Paul bei der Kette Body Street kümmert sich außerdem höchstmotivert um mein Wohlbefinden und meine Muskeln. Wie ein Elektro-DJ tuned er an den Rädchen: Hier ein bisschen weniger Oberarm, da ein bisschen mehr unterer Rücken.
FAIL: Nach 20 Minuten unter Strom habe ich richtig Hunger und schlappe Glieder. Ist EMS jetzt Sport? Zu dieser Aussage kann ich mich nicht durchringen. Macht EMS Spaß? Auf eine perverse Art und Weise schon. Aber irgendwie mache ich mein nächstes Training doch lieber wieder "unplugged".
Pumpen und Pop
Kollegah pumpt, Ryan Gosling pumpt, Justin Bieber auch. Egal ob im HipHop oder in Hollywood - ohne Sixpack traut sich kein Star mehr aus dem Haus - und erst recht nicht auf die Leinwand. Die Bilder der durchtrainierten Stars verfolgen uns auch im Netz: Auf Instagram posen sie mit ihren mit gemeißelten Disko-Muskeln oder posten auf Twitter Bilder von ihren Yoga-Matten. Der Druck steigt, genauso auszusehen. Was macht der Fitness-Hype mit uns Normalos?