Discosterben in Deutschland? Fress-Strategien der letzten Giganten
Große Discos haben es im Moment nicht leicht. Die Konkurrenz von kleinen Clubs oder Bars mit Tanzflächen wird immer größer. Wie überlebt man also mit einem Großraumschuppen? Wir haben nachgefragt: beim Inhaber der größten Disco Süddeutschlands.
Der Trend beim Feiern heißt seit einigen Jahren: Raus aus den großen Discos! Die goldene Zeit der riesigen Feierhallen war die 90er. Und die sind eben vorbei. Dem Deutschen Discothekenverband zufolge ging die Zahl der Discos in Deutschland in den letzten zehn Jahren von 2100 auf 1700 zurück. Das heißt: Jede Fünfte musste schließen. Und gerade die Riesen haben es extra schwer, denn die schauen noch schneller leer aus als die kleinen Clubs, wenn nur ein paar Gäste nicht mehr kommen.
Stefan Egger ist Betreiber der größten Disco Süddeutschlands, dem PM in Untermeitingen bei Augsburg. Der 49-Jährige leitet das PM seit sechs Jahren, 30 Jahre lang war er selbst DJ, bevor er hinter die Partyfläche getreten ist. Und trotz den Problemen, die viele andere große Clubs haben, macht er sich keine Sorgen:
"So traurig das ist, ich denke mir immer: Je weniger Clubs übrig bleiben aus den fetten Jahren, in denen jeder mit zwei Händen und zwei Füßen eine Disco aufgemacht hat und jeder Türsteher und jeder DJ plötzlich einen eigenen Laden hatte, werden nunmehr die übrig bleiben, die die Gäste glücklich machen. Und die werden auch überleben. Sagen wir`s mal so: Es ist ein Marktbereinigungsprozess."
Stefan Egger
Und um diesen Marktbereinigungsprozess zu überleben, braucht es, wie bei jeder anderen Firma eben auch, eine gute Strategie, findet Egger.
Gut Kalkulieren
Jeder Abend muss genau vorgeplant werden, damit er sich lohnt. Für eine normale Party im PM braucht Stefan Egger mindestens 1000 Gäste – damit zumindest die Kosten für Miete und Strom, die Lohnkosten für die Mitarbeiter und Reinigungskräfte sowie Gagen für DJs gedeckt sind. Weil die Abende aber so unterschiedlich ausfallen, muss jedes Mal neu kalkuliert werden.
Deswegen wettet Egger auch gerne mit sich selber, wie viele Gäste wirklich aufkreuzen:
"Ist es ein großer Abend, wo du weißt: Oh ich erwarte 2.500 Leute und hab volle 19 Securitys und alle Bedienungen oder hab ich eben einen flaueren Sommer-Freitag, wo ich eh nur z.B. 1000 Gäste hab. Das variiert wahnsinnig, aber ich würde sagen du liegst sicher zwischen 5.000 - 10.000 € pro Abend an Kosten."
Stefan Egger
Als Discobetreiber muss man eben nicht nur eine Nase für gute Acts haben, sondern auch ein Händchen für Finanzen. Im PM gibt es schnell mal große Posten zu verwalten. Für die Lizenz der GEMA, also zum Musikspielen allein, legt Stefan Egger zum Beispiel im Jahr 40.000€ auf den Tisch.
Die Masche
Größtes Problem der Großraumdiscos sind die fehlenden Gäste. Nicht nur die kleineren Clubs und Bars werden nämlich den Großraumdiscos zum Verhängnis, sondern auch, dass es insgesamt immer weniger junge Leute gibt. Sobald ein großer Club aber nur ansatzweise leer ausschaut, bleiben auch noch die letzten Gäste weg, sagt Stefan Egger.
"Das ist sicherlich die größte Herausforderung: So interessant zu sein und auch zu bleiben und so aktuell up to date zu sein, dass du einfach immer zwischen 1000 und 3000 Gäste hast."
Stefan Egger
Fürs PM heißt das: mindestens 1.000 Feierwütige, damit sich der Abend überhaupt lohnt. Das gibt der kleine Ort Untermeitingen bei Augsburg mit gerade 6.500 Einwohnern nicht her. Eine Strategie, um den Gästen auch einen weiten Weg attraktiv zu machen, ist der Shuttlebus von Augsburg oder Landsberg. Der bringt das Partyvolk nicht nur sicherer nach Hause als das eigene Auto, sondern macht die Anreisen überhaupt erst sexy. Eine andere Strategie ist, Fame von außen einzukaufen, also Special Events mit großen Stars, die über die Landkreisgrenzen hinaus ziehen. Der Eintritt ist dann zwar teurer, aber dafür konnte so mancher im Landkreis Augsburg schon mal mit 50 Cent oder Snoop Dogg feiern. Zu ihrer Anti-Tour wird auch Rihanna im PM absteigen. Solche Stars mit Gagen von bis zu 70.000€ pro Abend, können sich eben nur große Clubs leisten.
Das PM
Trink-, Tanz- und Partyfläche: 2490 m² - und damit immerhin ein Drittel eines Fußballfeldes
Fassungsvermögen: bis zu 3000 Gäste
Areas: vier Tanzflächen und ein Ruheraum
Mitarbeiter pro Abend: ca. 50
Stromkosten allein für eine Nacht: 800€