Kommentar Wie viel Political Correctness verträgt Fasching?
Black Facing auf dem Würzburger Faschingszug, Negerball, Chinesenfasching. Muss man sich an Fasching eigentlich politisch korrekt verkleiden? Muss man nicht, sagt unsere Autorin Linda Becker. Aber es gibt Grenzen.
Von: Linda Becker
Stand: 27.02.2017
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Noch vor dem Wochenende wollte ich einen Kommentar darüber schreiben, wie schlecht es ist, sich an Fasching nicht politisch korrekt zu verkleiden. Klar, denn ich bin ja gebildet, kein Nazi und will niemandem auf die Füße treten. Jetzt – nach dem Wochenende – ist meine Meinung dazu aufgeweicht, Zwiespalt in meinem Kopf. Allerdings stelle ich mir die Frage: Gibt es eine klare Grenze zwischen rassistischen Kostümen und übertriebener Political Correctness?
Die notwendige Grenze
In Würzburg hat am Wochenende die rechtsextremen Partei "Der III. Weg" mit schwarz bemalten Gesichtern auf der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin rumgetrampelt. Ganz klar – alle Schwarzen sind Flüchtlinge und wollen bloß unser Geld. Ein Paradebeispiel dafür, wie man Stereotype (auch an Fasching) für politische Nulllogik missbrauchen kann.
Wenn man anfängt ganze Menschengruppen zu labeln, dann ist das immer falsch, egal ob an Fasching oder an jedem normalem Tag. Sobald bestimmte Charakteristiken mit dem Prädikat „schlecht“ oder „seltsam“ markiert werden – wie in „schwarze Menschen = schlechte Menschen“ beim Würzburger Faschingszug – ist es zu Recht vorbei mit dem Spaß, auch an Fasching. Die Grenze ist dann überschritten, wenn man stereotype Verkleidung dazu missbraucht, Stimmung gegen eine ganze Menschengruppe zu machen.
Ähnlich sieht das das Kölner Forum gegen Rassismus und Diskriminierung. "Ich bin kein Kostüm!" ist eine Plakatkampagne, die seit Faschingsbeginn in ganz Deutschland läuft. Das Ziel: aufmerksam machen. Darauf, dass es Menschen gibt, die ihre Identität als Faschingsverkleidung nicht lustig finden, sich sogar sehr verletzt fühlen könnten. Auf den Plakaten zur Kampagne finden sich Bilder von Schwarzen, Asiaten, Transgendermenschen oder Muslimen. Diese Kostüme würden laut der Initiative rassistische Stereotype verstärken.
Political Correctness-Panik
Stimmt wahrscheinlich. Stimmt auch deshalb, weil Fasching ganz grundsätzlich Stereotype verstärkt. Fasching ist DAS Fest der Stereotype, denn schließlich sind die meisten Kostüme absolut überzeichnete Darstellungen von Comic- oder Serienfiguren, Personengruppen oder Dingen wie Erdbeeren (mein diesjähriges Faschingskostüm) und Avocados (neues Hipster-Faschingskostüm).
Aber ist es deshalb nötig, direkt die Political Correctness-Panik zu bekommen? Ab sofort keine Cowboys mehr (zu viele Schießereien gegen indigene Bevölkerungsgruppen), keine Indianer (weil die unterdrückt und vertrieben wurden), kein Schwarzen (ähnlich scheiße gelaufen), keine Palästinenser (weil die extremen Beef mit den Juden haben), keine Polizisten (weil die die Staatsgewalt verherrlichen), keine sexy Krankenschwestern (weil sexistisch) - wo fängt man an und wo hört man auf?
Vorschlag: Weniger Flennen, mehr Nachdenken.
Für mich liegt die feine Linie zwischen Political Correctness und fragwürdigen Kostümen in der Art, wie die Kostüme eingesetzt werden: Will man einfach mal jemand anderen darstellen oder will man damit ein politisches Statement setzen? Darin besteht der Unterschied. (Natürlich kann man dann immer noch darüber streiten, ab wann man denn ein politsches Statement setzt und woran man das erkennt.)
Es wäre aber sicher hilfreich, wenn – in politisch aufgewühlten Zeiten wie diesen – die eine Gruppe nicht immer direkt "Scheiß Nazis!" und die andere Gruppe nicht immer direkt "Freiheitsbeschneidung durch xyz!" brüllen würde. Denn, nein, es geht natürlich überhaupt nicht klar, Stereotype zu verstärken, um damit die politische Stimmung anzuheizen und Personengruppen zu stigmatisieren. Dagegen muss man ankämpfen, immer. Aber man kann auch nicht erwarten, dass jeder mit dem oft sehr eng gestrickten Political Correctness Common Sense einverstanden ist.
Was man allerdings schon erwarten kann, ist, dass man es ernst nimmt, wenn Menschen sich in ihrer Identität verletzt fühlen – auch wenn es "nur" im Fasching ist. Und dass man wenigstens ernst gemeint darüber nachdenkt, ohne direkt den "Untergang der freien Faschingsentfaltung" zu befürchten. Denn schlimm wird es erst, wenn man nicht mehr nachdenkt.