Barrierefreiheit Fünf Gründe, warum ihr noch heute Gebärdensprache lernen solltet

Lautlos reden? Das geht! Und zwar nicht nur mit dem öden Fingeralphabet, mit dem es ewig dauert. Sondern mit der Gebärdensprache! Diese Sprache nutzen gehörlose Menschen. Aber auch wenn ihr hört, könnte sie euch taugen!

Von: Iris Meinhardt

Stand: 25.01.2019 | Archiv

Gebärdensprache  | Bild: picture-alliance/dpa

1. Ihr könnt durch verschlossene Fenster sprechen

Ihr habt Freund*innen eingeladen und sitzt gemütlich beisammen. Immer wieder gehen einige zum Rauchen auf den Balkon. Die Nichtraucher*innen unter euch bleiben genervt zurück, vor allem wenn's mal wieder Minusgrade hat. Weiter diskutieren wollt ihr trotzdem! Wie gut, wenn ihr Gebärdensprache könnt. Ihr stellt euch vor ein Fenster und das Problem ist gelöst.

Läuft auch, wenn ihr die U-Bahn nicht mehr erwischt, eure Freundin aber schon reingesprungen ist und mit leerem Handy-Akku davonfährt. Ein paar Handzeichen und ihr habt einen neuen Treffpunkt ausgemacht.

Noch besser: auf der Autobahn. Ein Auto von eurer Kolonne möchte zur Tanke. Ihr fahrt einfach nebeneinander, seht euch und informiert die anderen per Gebärdensprache.

Ja, auch Gehörlose sitzen am Steuer. Denn zum Autofahren müsst ihr nicht hören. Wichtig ist es, den Verkehr zu sehen. Deswegen haben Rettungswägen ja auch Blaulicht.

2. Ihr könnt plötzlich eine Fremdsprache

Im Urlaub: Der*die Kellner*in kommt zu euch. Ihr bestellt auf Englisch - der*die Kellner*in antwortet euch in der Landessprache. Keiner versteht den*die andere*n. Also lasst ihr am besten die Stimme beiseite und gebärdet drauf los. Zwar ist die Gebärdensprache eine natürliche Sprache und deswegen - wie die Lautsprache - in jedem Land anders, einige Begriffe können sich trotzdem ähneln. Denn: Elementare Bestandteile der Sprache sind Mimik und Körpersprache. Und das haben viele Menschen einfach drauf! 

Aber Achtung: Missverständnisse können schnell passieren. Zum Beispiel bedeutet die deutsche Gebärde für "gut" im Italienischen "Arschloch".

3. Klausuren müssen euch nicht mehr stressen

Keinen Strich für die Klausur gelernt, keine Zeit mehr Spicker zu schreiben und dein Buddy sitzt viel zu weit weg? Jetzt Gebärdensprache können - ein Traum! Schaut dein*e Lehrer*in oder Dozent*in gerade mal nicht rüber, können andere dir lautlos die Lösungen stecken. Die Klausur ist gerettet.

Krasser Fakt zur Gebärdensprache an Schulen: Selbst an Gehörlosenschulen war die Gebärdensprache früher verboten. Die Kinder mussten von den Lippen ablesen und Sprechen üben. Wurden sie beim Gebärden erwischt, gab es Rohrstockschläge auf die Hände. Das hat sich zum Glück geändert. An Schulen für Gehörlose gibt es immer mehr Lehrer, die gebärden können. Aber: Die Gebärdensprache ist immer noch keine Voraussetzung für Lehrer, um an einer Gehörlosenschule arbeiten zu dürfen. Deswegen schicken manche Eltern ihre gehörlosen Kinder an inklusive Schulen, in Begleitung eines Gebärdensprachdolmetschers. So können sie die Lehrer besser verstehen.

4. Ihr könnt etwas für die Inklusion leisten

Fragt euch jemand nach dem Weg, der nicht hören kann, ist der erste Impuls vieler, auf Englisch zu antworten. Sobald eine Person eine andere Sprache benutzt, die jemand nicht beherrscht, schaltet das Gehirn auf die Universalsprache. Nur hilft das keinem*r Gehörlosen. Abhilfe verschafft deutliches sprechen, schreiben oder ganz lässig - gebärden!

Dass ihr in die Situation geratet, ist gar nicht so unwahrscheinlich. In Bayern leben rund 8.000 Gehörlose und circa 65.000 Schwerhörige. Manche hören die Sprache, manche die Geräusche besser, je nachdem, ob sie die hohen oder tiefen Töne oder die Lautstärke wahrnehmen können.

Die Bezeichnung "taubstumm" ist deswegen auch nicht korrekt. Die Stimme ist vorhanden, nur klingt sie oft monoton oder anders, weil sie mit schlechtem oder ohne Gehör nicht kontrolliert werden kann. Deswegen könnt ihr einigen den Weg erklären, indem ihr deutlich sprecht, bei anderen funktioniert es mit gebärden besser.

5. Weder laute noch leise Orte halten euch vom Reden ab

Ihr seid im Club und die Musik ist laut. Oder auf einem Festival. Ihr möchtet euch unterhalten. Ihr schreit euch gegenseitig an. Aber auf Dauer wird eure Stimme heiser. Nicht, wenn ihr gebärdet!

Auch besonders leise sein ist für euch kein Problem! Bei einem Theaterbesuch oder in der Vorlesung zum Beispiel. Außerdem könnt ihr hier Gehörlosen helfen. Die Kosten für die Gebärdensprachdolmetscher im Theater müssen Gehörlose sonst aus eigener Tasche bezahlen. Zwar wurde die Sprache nach langen Kämpfen der Gehörlosen-Community 2002 in Deutschland anerkannt. Das heißt aber nur, dass Gehörlose und Schwerhörige gegenüber öffentlichen Behörden das Recht haben, in Gebärdensprache zu kommunizieren. Und da werden die Kosten für die Gebärdensprachdolmetscher erstattet. Im privaten Bereich? Fehlanzeige.

Gebärdensprache lernen

Um die Gebärdensprache zu lernen, gibt's diverse Apps: Spread the Sign ist kostenlos und ein paar Vokabeln können einfach mal ausprobiert werden. Umfangreicher wird's bei der kostenpflichtigen App Deutsche Gebärdensprache - das große DGS-Wörterbuch. Diese App könnt ihr benutzen, wenn ihr euren Wortschatz zu bestimmten Themen erweitern wollt.  Für den Anfang gibt es ein Paket mit 80 Gebärden kostenfrei. Jedes weitere Paket kostet rund acht Euro. Guckt euch auch die Seite www.manimundo.de an. Dort übt ihr mit interaktiven Beiträgen die Vokabeln und euch werden die Grundlagen der Grammatik erklärt. Allerdings ist die Seite nur noch bis Ende Januar kostenlos.

Natürlich könnt ihr auch eine Volkshochschule oder eine Gebärdensprachschule besuchen.

Sendung: Plus 1 vom 26.01.2019 ab 14 Uhr