Interview zur Anti-HIV-Pille PrEP "Ich lege mein Leben nicht in die Hände von jemand anderem"
Für Klaus Z. aus München sind "die Zeiten des Gummis" vorbei. Statt Kondomen nimmt er PrEP, um sich beim Sex mit anderen Männern vor HIV zu schützen. Seit kurzem gibt's die Pille auch in Deutschland in ausgewählten Apotheken - die einzige bayerische ist in München.
PULS: Klaus, du nimmst die PrEP ja schon ein bisschen länger - wie hast du die eigentlich bisher bezogen?
Klaus: Die PrEP nehme ich jetzt seit Mitte Juli und bisher habe ich sie mir aus Indien besorgt. Von dort wird das von dem Pharmaziehersteller zu einem Postfach in Großbritannien geliefert, wo dann ein Weitersendungsauftrag an meine Münchner Adresse liegt. Es ist anscheinend nicht ganz legal, aber für den Eigengebrauch drückt der Zoll wohl ein Auge zu. Ein bisschen kompliziert ist es, aber im Internet gibt es Anleitungen, welche Postfächer man eröffnen und was man angeben muss, wenn man es in Indien bestellt - und das hat super funktioniert.
Warum hast du dich denn entschieden, die PrEP zu nehmen?
Ich hab von Freunden gehört, die das genommen haben. Die waren so begeistert, weil es ein ganz anderes Gefühl und Erlebnis ist, als Sex mit Kondom zu haben. Und ganz ehrlich: Ich kann das jetzt nur bestätigen. Ich bin ja eigentlich die Generation, die mit HIV aufgewachsen ist. In meiner Jugend, Anfang der 80er, war das ein ganz großes Thema, weil niemand wusste, wie es überhaupt übertragen wird. Da hab ich immer mein ganzes Leben Gummis verwendet. Und jetzt, seitdem ich die PrEP nehme, ist das ein ganz anderes sexuelles Erlebnis, weil es wesentlich einfacher und halt nichts dazwischen ist.
Wenn man sich die PrEP in der Apotheke holen will – was muss man da genau machen?
Als ich es mir noch aus Indien bestellt hab, brauchte ich ja noch kein Rezept. Letzte Woche war ich auch wieder bei meinem Arzt, wie alle drei Monate zur Nach- beziehungsweise Vorsorge und um zu schauen, ob die Leber- und Nierenwerte noch passen. Und da hab ich mir dann einfach ein Rezept geben lassen und bin zur Apotheke gegangen.
Musstest du die PrEP vorher bestellen?
Normalerweise wäre das vorrätig. Aber der Apotheker meinte, es ist so ein Run drauf, dass es vergriffen ist und ich es erst im Lauf dieser Woche bekomme. Angeblich wollten es gleich am ersten Verkaufstag in München achtundzwanzig Leute.
Kann jetzt deiner Meinung nach die PrEP helfen, dass HIV ein wenig seinen Schrecken verliert?
Ich denke, die PrEP ist halt nur eine andere Art, sich zu schützen. Die, die sich vorher mit Gummi geschützt haben, schützen sich entweder weiterhin mit Gummi oder mit der PrEP. Und die, denen es bisher egal war, werden auch nicht die PrEP nehmen. Ich glaube, nicht mehr Leute werden sich gegen HIV schützen, sondern es wird sich nur von Gummi zu PrEP verlagern.
Meine Erfahrung ist, dass in der jungen Generation HIV sowieso keinen Schrecken mehr hat - schmeiß ich mir halt jeden Tag ne Pille ein und alles ist gut. In meiner Generation hatte das einen ganz anderen Schrecken, der tief in den Knochen saß.
Wenn jemand zu dir sagt, wir können einfach ohne Kondom Sex haben, weil er die PrEP nimmt - kannst du dem dann vertrauen?
Nein, ich vertraue da nicht einfach dem anderen. Ich schütz mich, weil ich weiß, dass ich die PrEP jeden Tag nehme. Und es ist das A und O, dass man nicht Tage aussetzt, weil sie da ja nicht so gut wirkt. Und da weiß ich, ich kann mich auf mich verlassen, lege ich mein Leben nicht in die Hände von jemand anderem.
Was rätst du Leuten, die sich die PrEP holen möchten?
Auf alle Fälle ist es wichtig, dass man sich regelmäßig auf andere sexuell übertragbare Krankheiten testen lässt. Mein Arzt hat mir empfohlen, alle drei Monate zu kommen. Nicht nur, um die Nieren- und Leberwerte zu checken, sondern eben auch, damit man sich nicht irgendwas anderes eingefangen hat. Denn die PrEP hilft ja nur gegen HIV. Aber das kommt natürlich auch auf die Häufigkeit drauf an und ob man wechselnde Kontakte hat oder nicht.
Wollen jetzt auch in deinem Freundeskreis mehr Leute die PrEP?
Ja, viele Freunde fragen jetzt sehr interessiert, wie das denn ist. Die Frage ist halt aber auch immer die Sache mit den Nebenwirkungen. Will man seinen Körper den Nebenwirkungen aussetzen, nur um auf den Gummi verzichten zu können? Oder sagt man: Nee, das ist es mir eigentlich nicht wert.
Also ist's vor allem eine Frage des Lebensstils?
Ja, total. Ich habe mir halt jetzt gedacht, ich probiere das mal eine Zeit lang aus. Sollte sich irgendwas an meinen Leberwerten zeigen, hör ich sofort wieder auf. Aber das ist ja der große Vorteil: Während ein HIV-Positiver nicht aufhören kann, kann ich mit PrEP aufhören und es ist auch schön. Man hat die volle Alternative. Klar, dann muss ich wieder zum Gummi zurück, aber mit dem hab ich jetzt Jahrzehnte gelebt.
Info
PrEP steht für „Prä-Expositions-Prophylaxe“ und ist ein Vorsorgemedikament gegen den HI-Virus. Menschen ohne HIV können die Tablette nehmen, um sich beim Sex mit einer positiven Person zu schützen. Bei schwulen Männern mit hohem Risiko ist die Wirksamkeit der PrEP nachgewiesen - sie schützt genauso gut wie Kondome. Bei Frauen reichert sich der Wirkstoff schlechter in der Vaginalschleimhaut an und wirkt deswegen nicht so gut wie bei Männern.
Seit vergangener Woche kann man sich die PrEP für gut fünfzig Euro gegen Rezept in ausgewählten Apotheken holen. In Großbritannien und Australien ist seit Einführung der PrEP die Zahl bei den neuinfizierten Männern in den letzten Jahren stark gesunken - dort kann man die Tablette schon länger erwerben. Mögliche Nebenwirkungen können die Entstehung oder Verschlechterung von Nieren- oder Knochenproblemen sein. Deswegen wird PrEP-Nutzern empfohlen, regelmäßig einen Arzt zu besuchen.
Vor anderen sexuell übertragbaren Infektionen wie Syphilis, Tripper oder Chlamydien schützt die PrEP übrigens nicht. Was man sonst noch über die Pille wissen sollte, hat die Deutsche AIDS-Hilfe hier zusammengefasst.
Sendung: Filter vom 10.10.2017 ab 15 Uhr