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Ein Tabu, das keiner braucht Lasst uns über unser Gehalt reden!

Was ist das für 1 Land, das Gesetze braucht, damit wir endlich erfahren, was unsere Kollegen verdienen? Ein Plädoyer gegen das Schweigen.

Von: Tobias Krone

Stand: 07.10.2016 | Archiv

Ein Tabu, das keiner braucht: Lasst uns über unser Gehalt reden! | Bild: BR

Es ist eine krasse Ungleichheit: 21 Prozent verdienen Frauen im Jahr 2016 im Durchschnitt weniger als ihre männlichen Kollegen - bei gleicher Arbeit. Das Entgeltgleichheitsgesetz soll jetzt für mehr Gerechtigkeit sorgen: Alle Menschen, die in großen Betrieben arbeiten, sollen jetzt erfahren dürfen, was die Kollegen auf der gleichen Position so verdienen. Damit möchte Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) vor allem Frauen ermuntern, bessere Lohnverträge zu verhandeln.

Das neue Gesetzt zeigt aber auch noch ein anderes Problem, das bei uns allen tief verankert ist: Wir reden nicht über unser Gehalt. Ob unter Kollegen, Freunden – sogar in Familien, Gespräche über Geld sind ein Tabu. Über das Geld, das wir verdienen, schweigen wir erst recht. Aber warum reden wir nicht einfach drüber?

Amerikaner sprechen offen übers Gehalt – kulturell bedingt

Die deutsch Verkrampfung beim Thema Geld ist kulturell bedingt: In den USA zum Beispiel ist es kein Problem über Kohle zu reden, weil die Menschen Erfolg nicht als festen Teil der Identität betrachten. Jeder kann reich werden, jeder kann diesen Reichtum aber auch wieder verlieren. Wenn ein US-Amerikaner also über sein Gehalt spricht, dann spricht er über sein momentanes Gehalt. In Deutschland hat die Frage, wie viel wir verdienen, viel stärker damit zu tun, wer wir sind. Das Schweigen über Geld hat also eine kulturelle Komponente. Zeit, dagegen vorzugehen!

Neulich habe ich mich selbst ertappt – nicht beim Schweigen über mein Gehalt, sondern dabei, neidisch zu sein auf den Lohn Anderer. Auf einer Grillparty erzählte mir eine Freundin von ihrem Gehalt: "3600 Euro"sagte sie und schob dann noch ein unsicheres "Ist das viel?" hinterher.

Selbst ertappt – beim Neid

Meine erste leicht gekränkte Reaktion: "Ja, das ist viel." Für meine Verhältnisse ist das viel. Aber dann aber habe ich mich gefragt: Woher soll ich denn eigentlich wissen, ob das viel ist, wenn ich sonst von niemand anderem das Gehalt kenne? Genau das halte ich für ein echtes Problem. Denn um einschätzen zu können, ob mein Gehalt gerecht ist oder nicht, müsste ich wissen, wer wie viel für was verdient. Aber diesen Vorhang lüftet eben kaum einer, aus Angst, sich und andere nicht zu verletzen. Jeder kämpft für sich allein.

Wozu das führt, erleben wir auf unseren Straßen: Die einen protzen mit BMW, Audi und Markenklamotten. Die anderen stapeln tief, tragen H&M und fahren Golf. Und wieder andere haben tatsächlich keine Kohle – und schieben eine berechtigte Portion Neid vor sich her. Total logisch: Natürlich wollen wir zeigen, wer wir sind – und Wohlstand gehört eben dazu. Nur tun wir immer noch so, als hätten wir die Rolex von Geburt an am Armgelenk hängen. Das mag bei vielen Leuten stimmen, aber bei vielen anderen eben auch nicht.

Solange wir nicht sachlich darüber reden können, wie viel wir verdienen, werden wir weder am Neid noch an der Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft etwas ändern. Darum: Lasst uns doch mal ganz offensiv über unser Gehalt reden. Bei mir waren es im September dieses Jahr etwa 2800 Euro.


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