Medizinstudium Warum dieser Mediziner gegen die Landarztquote ist

Um wieder mehr Ärzte aufs Land zu locken, führt Bayern die Landarzt-Quote ein. Die löst aber nicht alle Probleme, sagt Julian Bloch. Der Landarzt hat stattdessen andere Ideen.

Von: Conny Neumeyer

Stand: 12.09.2019 | Archiv

Julian Bloch | Bild: Julian Bloch

In Deutschland und Bayern herrscht Ärztemangel. Besonders auf dem Land, weil immer weniger junge Ärzt*innen nach dem Studium eine Praxis in Dörfern und Kleinstädten übernehmen wollen. Um den Nachwuchs wieder vermehrt aufs Land zu ziehen, führen Bayern und andere Bundesländer 2020 die Landarzt-Quote ein. Das heißt: Der Staat senkt die Zulassungshürden für das Medizinstudium. Der Numerus Clausus fällt weg. Aber nur für die Studierenden, die sich verpflichten, nach dem Abschluss für mindestens zehn Jahre auf dem Land zu arbeiten.

Je nach Bedarf werden jährlich etwa 90 Studienplätze für das Modell vergeben. Zum Vergleich: Insgesamt werden im nächsten Winter- und Sommersemester in Bayern 1.966 Erstsemester zum Medizinstudium zugelassen. Derzeit sind 12.912 Studierende an staatlichen Universitäten für Medizin im Freistaat eingeschrieben. Hat man sich einmal für einen der 90 Plätze und den Landarzt-Deal entschieden, bleibt aber ein Schlupfloch: Wenn man nach dem Studium doch nicht aufs Land will, kann man sich durch das Zahlen einer Strafe von 250.000 Euro wieder freikaufen. Neben den niedrigeren Zulassungshürden sollen außerdem in den kommenden Jahren in Augsburg und Bayreuth insgesamt 2.100 neue Medizinstudienplätze entstehen.

Julian Bloch ist seit 2018 Landarzt in Erding bei München. Der 36-Jährige hat Medizin in Österreich studiert, weil auch seine Abinote nicht für den Numerus Clausus in Deutschland gereicht hat. Wir haben mit Julian über den Ärztemangel und die Probleme mit der neuen Quote gesprochen.

PULS: Julian, du arbeitest jetzt schon seit fast einem Jahr als Landarzt bei München. Warum hast du dich fürs Land und gegen die Stadt entschieden?

Julian: Es ist hier nicht so anonym wie in der Stadt, wo man seine Nachbarn links und rechts nicht kennt. Bei einer Landarztpraxis ist genau das für mich auch der Vorteil: Wenn ich in einer Großstadt arbeite oder in einem Krankenhaus, dann sehe ich meine Patienten immer nur kurz. Hier auf dem Land betreue ich die Leute im Endeffekt ein Leben lang und bekomme wirklich einen kompletten Einblick, anstatt nur einzelne Episoden aus irgendeiner Krankheitsgeschichte. Das ist der Reiz, den die Arbeit auf dem Land mit sich bringt.

Damit bist du eher die Ausnahme. Seit Jahren herrscht in Deutschland Ärztemangel auf dem Land. Was hältst du davon, dass in Bayern jetzt die Landarzt-Quote eingeführt wird, um wieder mehr Mediziner*innen aufs Land zu locken?

Prinzipiell find ich den Gedanken nicht schlecht, den ländlichen Raum zu stärken. Gerade, was die Versorgung der Bevölkerung mit Hausärzten betrifft. In Bayern haben die Hausärzte ein durchschnittliches Alter von 55 bis 60 Jahren. Da weiß man schon seit längerem, was in den nächsten 15 Jahren auf uns zu kommt. Das heißt, den Grundgedanken finde ich gut. Wie das jetzt aber durchgeführt werden soll, sehe ich eher skeptisch.

Warum?

Insgesamt braucht man für das Medizin-Studium etwa sechs Jahre, für den Abschluss zum Facharzt noch mal sechs. Wir sprechen hier also über einen Zeitraum von elf bis zwölf Jahren, bis die Auswirkungen des Modells spürbar werden. In den nächsten zehn Jahren gehen aber schon wahnsinnig viele Kollegen in Rente und damit wird der Bedarf ja nicht gedeckt. Zudem find ich’s äußerst schwierig, sich direkt nach dem Abitur für so ein Modell zu entscheiden. Da verpflichtet man sich für die nächsten 20 Jahre. In der Zeit kann viel passieren. Medizin ist ein extrem breites Fach und erst während des Studiums merkt man: Welche Interessen hat man? In welche Richtung will man gehen? Will man vielleicht lieber operieren?

Wenn man sich für den Deal entschieden hat und nach Abschluss des Studiums doch nicht mehr aufs Land will, kann man sich quasi freikaufen. Gegen eine Zahlung von 250.000 Euro Strafe. Glaubst du, dadurch könnten Student*innen aus wohlhabenden Familien einen Vorteil haben?

Das ist eine enorme Summe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die jemand nur in Kauf nimmt, um einen Studienplatz in Medizin zu bekommen. Das ist ein minimaler Prozentsatz, der sich sowas leisten kann. Bisher haben Menschen mit Geld versucht, sich in einen Studienplatz einzuklagen und dafür braucht man weitaus weniger Geld als 250.000 Euro.

Die Quote ist nicht die einzige Neuerung, die es geben wird. Daneben entstehen in Augsburg und Bayreuth zusätzliche Studienplätze.

Die Forderung nach mehr Studienplätzen gibt es von Studentenseite und auch von führenden Ärzteverbänden schon seit Jahren. Die Zulassungshürde ist enorm hoch und der Ärztemangel war absehbar. Bisher ist es wahrscheinlich am Geld gescheitert, dass nicht mehr Studienplätze zur Verfügung gestellt werden konnten. Dass in Augsburg und Bayreuth neue Studienplätze entstehen, ist auf jeden Fall der richtige Weg. Es gibt extrem viele Interessenten und es gibt viele motivierte junge Leute, die das machen wollen.

Was muss noch getan werden?

Es ist so, dass man im Studium bisher über das Modell des Hausarztes viel zu wenig gelernt hat und gar nicht wusste: Wie funktioniert ein Hausarzt überhaupt? Man muss vermitteln, was ein Hausarzt zu tun hat und was es für Vorteile gibt, anstatt die Verteilung über eine Quote zu diktieren. Außerdem sollte man Bewerber nicht nur über harte Faktoren wie seine Abiturnote bewerten, sondern auch über weiche Faktoren wie soziale Fähigkeiten. Man erwartet von einem Arzt ja auch, dass er empathisch ist und auf den Patienten eingeht. Manche Unis führen deswegen jetzt schon Interviews mit Bewerbern, um zu schauen, ob jemand für den Arztberuf geeignet ist. Das finde ich sinnvoll.

Sendung: PULS vom 12.09.2019 ab 15 Uhr