Ausbildung Das müsst ihr zum Azubi-Mindestlohn wissen
Mehr Geld und einheitliche Namen: Die Bundesregierung will Berufsausbildungen attraktiver machen und hat dafür zum neuen Jahr einiges geändert. Wir fassen das Wichtigste für euch zusammen.
Früher haben fast alle nach der Schule eine Ausbildung gestartet – zur Kauffrau, zum Friseur, zur Schreinerin. Heute finden Unternehmen immer seltener Azubis: Laut Bundesagentur für Arbeit ist allein im September 2019 fast jeder zehnte Ausbildungsplatz unbesetzt geblieben. Deshalb hat die Bundesregierung zum Jahr 2020 das sogenannte Berufsbildungsgesetz erneuert. Klingt kompliziert, deshalb haben wir die wichtigsten Infos für euch zusammengestellt.
Wie viel Geld gibt es ab jetzt für Azubis?
Mindestens 515 Euro pro Monat im ersten Ausbildungsjahr. Für die Miete in München reicht das meistens zwar noch nicht, in Bayern verdienen die Azubis größtenteils aber eh mehr: Nur 8,8 Prozent haben 2015 weniger bekommen als den neuen Mindestlohn, sagt das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Der Mindestlohn lohnt sich vor allem für Azubis aus den ostdeutschen Bundesländern: Mehr als ein Drittel hat 2015 noch weniger Geld im ersten Lehrjahr bekommen. Die können sich jetzt auch endlich ein, zwei Bierchen mehr gönnen.
Bleibt es bei diesem Betrag?
Nope. Jedes Jahr gibt‘s mehr Kohle – und zwar gleich im doppelten Sinne: Zum einen ist es normal, mit jedem weiteren Ausbildungsjahr besser bezahlt zu werden. Gleichzeitig sollen die Azubis jedes Jahr ein besseres Einstiegsgehalt bekommen - 2023 dann schon 620 Euro pro Monat. Theoretisch lohnt es sich also noch mit der Ausbildung zu warten…
Kriegen alle Azubis den Mindestlohn?
Nein! Es gibt Ausnahmen:
1) Alle, die ihre Ausbildung schon vor dem 01. Januar 2020 angefangen haben, bekommen leider nicht mehr Geld. Der Mindestlohn gilt nur für neue Azubis.
2) Wenn in einem Tarifvertrag weniger Ausbildungsgehalt festgelegt ist, dürfen die Betriebe auch weniger als Mindestlohn zahlen. In einem Tarifvertrag einigen sich Arbeitgeber*innen und Gewerkschaft auf Sachen wie Arbeitszeit und Lohn. Und was da drinsteht, ist dann bindend – Mindestlohn hin oder her.
3) Azubis in Berufen, die nach dem Landesrecht geregelt sind, wie zum Beispiel Erzieher*in, bringt der Mindestlohn nichts. Ähnlich sieht‘s bei Gesundheitsberufen wie Pfleger*in und Physiotherapeut*in aus. Also freut euch nicht zu früh, wenn ihr eine Ausbildung startet, sondern checkt das Thema Mindestlohn vorher für eure Branche ab.
Was gibt es für neue Berufsnamen?
Kennt ihr den Unterschied zwischen Fachkauffrau, Betriebswirt und Prozessmanagerin? So konnte man sich bisher nach einer Fortbildung nennen, aber durchgeblickt hat schon lange keiner mehr. Deshalb gibt es jetzt neue Namen dafür, einheitlich und gerne auch mal auf Englisch - damit man sogar international angeben kann:
- "Geprüfte/r Berufsspezialist/-in"
- "Bachelor Professional"
- "Master Professional"
Man ist dann zum Beispiel nicht mehr Betriebswirtin, sondern "Master Professional" in Betriebswirtschaft, oder statt Geprüfter Bilanzbuchhalter dann "Bachelor Professional" in Bilanzbuchhaltung.
Gibt es dann keine Handwerksmeister*innen mehr?
Doch, den Meistertitel gibt es auch weiterhin. Nur zusätzlich können sich die neuen Meister*innen jetzt auch noch "Bachelor Professional" nennen.
Was ändert sich sonst noch?
In Zukunft können mehr Leute eine Teilzeitausbildung machen - bisher ging das nur für Leute, die sich zum Beispiel um Kinder oder kranke Angehörige kümmern mussten. Jetzt kann das theoretisch jeder machen, solange das für den Betrieb okay ist. Außerdem müssen Berufsschultage jetzt immer von der Arbeitszeit abgezogen werden. Weniger Überstunden, juhu! Und alle bekommen am Tag vor der schriftlichen Azubi-Abschlussprüfung frei zum Lernen, spät Anfangen ist also nicht mehr ganz so schlimm.
Wie nimmt die Wirtschaft die Neuerungen auf?
Unterschiedlich. Viele Branchenverbände und Gewerkschaften finden es erst mal gut: "Die Änderungen verdeutlichen, dass berufliche und akademische Bildung gleichwertig sind", sagt Achim Dercks von der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Komplett zufrieden ist anscheinend trotzdem keiner. Jan Krüger von der Gewerkschaft Nahrung Gastronomie Genuss (NGG) sagt: "Jetzt muss noch gewährleistet sein, dass die Regeln überprüft werden und es eine effektive Handhabe bei Verstößen gibt." Nach dem Motto: Ins Gesetz kann man ja viel reinschreiben, wenn es dann keiner kontrolliert…
Wieso gibt es Kritik gegen die Neuregelung?
Mehr Geld, was gibt’s da zu meckern? Naja, der Bundesrat und unter anderem die AfD befürchten, dass die Neuerungen vor allem für kleine Unternehmen zum Problem werden könnten. Die sind nämlich auf die Azubis angewiesen und zahlen oft weniger als Großbetriebe. Die Grünen haben eher was gegen die erwähnten Ausnahmen beim Mindestlohn – dadurch würden zu wenige Azubis profitieren. Und ob die Neuerungen jetzt wirklich dazu führen, dass mehr Leute eine Ausbildung anfangen, kann man sowieso erst in ein paar Jahren sicher sagen.
PULS am 03.02.2020 - ab 15.00 Uhr