Offene Beziehung Die einzige Möglichkeit, die ewige Liebe zu retten?
Was sich erst mal liest wie ein absoluter Gegensatz, schließt sich beim zweiten Hinsehen gar nicht aus: Die offene Beziehung könnte die Zukunft der ewigen Liebe sein. Der Gedanke: Sich gehen lassen, um sich wieder zu finden.
Mehr als 60 Prozent der Paare in Deutschland wollen heiraten, weil sie an die eine große Liebe glauben. Nach durchschnittlich 15 Ehejahren lässt sich etwa ein Drittel der Paare wieder scheiden. Das war’s dann. Die ewige Liebe mit dem einen Menschen am Laufen zu halten ist nicht einfach. Das Modell "Offene Beziehung" könnte vielleicht die Lösung sein, um eine dauerhaft funktionierende Partnerschaft zu führen. Sagt Friedemann Karig.
Er hat ein Buch geschrieben: "Wie wir lieben. Vom Ende der Monogamie." Dafür hat er mit Paaren gesprochen, die eine offene Beziehung führen. Bei manchen lief es gut, bei manchen ging es in die Hose. In jedem Fall hat sich Friedemann Karig aber Gedanken über etwas gemacht - nämlich darüber, wie wir es schaffen könnten, langfristige Beziehungen zu führen.
PULS: Du siehst offene Beziehungen als Chance, eine Liebesbeziehung auf Dauer auf die Reihe zu kriegen?
Friedemann Karig: Ja, ich finde die offene Beziehung verdient eine Imageänderung. Eine offene Beziehung ist nichts Loseres oder Gefährlicheres als die "normale" Beziehung. Sie kann eine Chance sein, um auf lange Sicht eine funktionierende Partnerschaft zu haben. Wenn ich sehe, wie viele Paare nach einer Zeit beim Thema Sex Probleme haben, dann ist es doch eine Überlegung wert, ob man da nicht etwas ändert. Früher oder später hat jeder mal Lust auf andere Leute – vor allem wenn wir eine Beziehung langfristig denken. Wenn wir da so tun als wäre das niemals so, dann ist das eine Lüge. Man muss einfach mal darüber nachdenken, ob Monogamie auf zehn oder zwanzig Jahre der Weg ist. Die Gefahr des Seitensprungs besteht ja immer – und so eine Lüge finde ich viel problematischer.
Nach dem Motto: Wer monogam lebt, belügt sich selbst?
Ich will nicht sagen, dass die Monogamie jetzt vorbei ist und die Polygamie der neue heiße Scheiß. Ich glaube nicht, dass das Eine das Andere ablöst oder dass das Eine besser ist als das Andere. Aber ich glaube schon, dass es eine Entwicklung gibt. Viele Leute sind nicht glücklich in ihren monogamen Beziehungen. Sie sind da reingerutscht, weil man das eben so macht. Man muss ja nicht direkt mit vielen Leuten schlafen oder zu dritt zusammenleben. Aber es schadet sicher nichts, drüber nachzudenken, dass man Beziehungen auch anders leben könnte - und das ist dann nicht gleich anrüchig oder total hippiemäßig. Im Grunde bleibt doch, dass man eine Beziehung mit viel Liebe haben will und wie man die gestaltet, ist ja im Prinzip total zweitrangig.
Du hast keinen Ratgeber geschrieben, sondern Geschichten über offene Beziehungen gesammelt. Trotzdem: Irgendwelche Tipps, wie man eine offene Beziehung mal ausprobieren kann?
Grundsätzlich gilt dasselbe wie in jeder anderen Beziehung. Ich will nicht klingen wie Dr. Love, aber: Ehrlich miteinander reden hilft immer. Außerdem ist es wichtig, konkrete Regeln aufzustellen, wie man seine Beziehung leben will und dann muss man sich auch daran halten. Als dritten Punkt habe ich von den Paaren aus den Interviews, die eine offene Beziehung führen, gelernt, alles als Teil der Beziehung zu sehen. Wir als Paar machen das zusammen und wenn einer Stopp sagt, dann hört man wieder auf oder macht etwas anderes aus. Wir gehen den Weg zusammen und alles was passiert, ist Teil unserer Geschichte.
Aus Friedemann Karigs Sicht kann eine offene Beziehung also eine Chance sein, um als Paar enger zusammen zu wachsen und sich immer wieder neu für den Partner zu entscheiden. Sich gehen zu lassen, um sich wieder zu finden. Das Modell einer "Offenen Beziehung", wie auch immer man sie gestaltet, könnte demnach Paaren helfen, wieder länger zusammen durchzuhalten. Es könnte den Glauben an die ewige Liebe retten. Könnte.