Längst nicht nur Ultras Polizei sammelt Fußballfan-Daten
Egal, ob sie Gewalttäter sind – oder einfach nur daneben standen: Die Polizei speichert Daten über Fußballfans. Bis zu zehn Jahren stehen Namen und Daten in Polizeikarteien. Einige Bayern-Fans wollen sich jetzt wehren.
Fußballfans sind auf Polizisten ja häufig schlecht zu sprechen, andersrum ist das ganz ähnlich. In deutschen Fußballstadien gibt es immer wieder Straftaten. Über 250 hat die Münchner Polizei 2015 gezählt. Verständlich, dass sie Illegales im Fußballstadion möglichst verhindern will. Aber ihre Methode ist dabei ziemlich umstritten. Sie sammelt nämlich Daten über Fans. Viel zu viele, sagen Kritiker.
Auch Unschuldige werden zehn Jahre lang gespeichert
Zum Beispiel in der "Informationsdatei Fußball". Die Münchner Polizei erfasst hier die Namen von 1700 Fußballfans der drei größeren Klubs in der Region: Bayern, Sechzig und Unterhaching. Nebenbei speichert sie auch die Religionszugehörigkeit, Fremdsprachenkenntnisse und DNA-Infos. Und das nicht nur von verurteilten Gewalttätern, sondern auch von Menschen, die sich bei Polizeieinsätzen einfach nur in der Umgebung aufgehalten haben. So kann es sein, dass sich friedliche Fußballfans in einer Gewalttäter-Datei befinden - und das, ohne es zu wissen. Herausgefunden hat das die Grünen-Innenpolitikerin im Bayerischen Landtag Katharina Schulze durch eine Anfrage.
Für den Münchner Fan-Anwalt Marco Noli geht dieser Zustand überhaupt nicht.
"Also diese Eintragungen führen dazu, dass Leute gefährlicher dargestellt werden, als Sie unter Umständen sind."
Marco Noli, Arbeitsgemeinschaft Fan-Anwälte
Die Münchner Polizei beschwichtigt. Nicht jeder Fan werde gespeichert.
"Da muss man sich schon in einem Hardcore-Bereich aufhalten und sehr nah an den gewaltbereiten Fans sein. Es muss der normale Besucher eines Fußballstadions nicht befürchten, dass er in eine polizeiliche Datei hineinkommt."
Thomas Baumann, Polizei München
Doch egal, wo Fans stehen: Ob in der Südkurve oder in der VIP-Lounge - unschuldig ist unschuldig. Juristisch gesehen macht es nur einen Unterschied, wenn ein Fan wirklich wegen einer Straftat verurteilt ist. Daher können viele das Vorgehen nicht verstehen.
Die Polizei will Straftäter schneller finden
Der Grund dafür, dass die Polizei zu solchen Mitteln greift: Sie will effektiver gegen Straftäter vorgehen.
"Wenn wir Straftaten haben, wo auch ein Teil der Täter nicht erkannt worden ist, dann kann man mit dieser Datei nochmal nachvollziehen, ob der Täter, den wir dann haben, bei anderen Spielen mit anderen Personen angetroffen worden ist. Diese Personen können dann nochmal vorgeladen werden. Und so kommt man der Sache näher."
Thomas Baumann
Letztlich helfen mehr Daten, schneller zu ermitteln – und schon im Vorfeld Gewalttaten vorhersagen zu können. Doch dass sie auch Fakten wie Religionszugehörigkeit speichern, geht Fußballfans viel zu weit.
Stadionverbot und Probleme am Flughafen – die Konsequenzen
Ein Fußballfan fürchtet natürlich nichts so sehr wie Stadionverbot. Aber auch das wird wahrscheinlicher mit einem Eintrag in einer Polizeidatei. Denn Clubs fragen bei der Polizei an und bekommen dann – "relevante Sachverhalte" übermittelt. Doch auch am Flughafen können betroffene Fans Probleme kriegen, denn auch auf Bundesebene gibt es eine Datei "Gewalttäter Sport" – ebenfalls mit 30 Prozent Nicht-Verurteilter. Und hier besteht die Gefahr, dass sie auch von der Bundespolizei an der Passkontrolle angefragt werden könnte.
"Es ist durchaus schon vorgekommen, dass dann aufgrund einer Eintragung in solchen Dateien es zu erheblichen Problemen am Flughafen gekommen ist. Es wird dann immer geprüft, ob es sogar zu einem Ausreiseverbot kommen soll. Oftmals ist es aber so, dass die Prüfung so lange dauert, dass dann vielleicht das Flugzeug schon weg ist. Gerade bei Leuten, die geschäftlich ins Ausland müssen, vielleicht sogar mit Kollegen unterwegs sind, hat das natürlich erhebliche Auswirkungen. Da wird dann gesagt: 'Was hast du für Probleme, was ist da los?'"
Marco Noli
Was Fans tun können
Gegen die Methode zu klagen, scheint schwierig. In Niedersachsen ging eine Frau vor Gericht, sie bekam nur teilweise recht. Grundsätzlich sei die Speicherung Nicht-Verurteilter zur Gefahrenabwehr zulässig, erklärte das Gericht. Doch es gibt auch andere Ansichten. In Hamburg hat der Datenschutz-Beauftragte eine ähnliche Datei komplett geprüft und angeordnet, dass knapp die Hälfte der rund 2000 Einträge gelöscht werden musste. So weit aber ist man in Bayern längst nicht. Der Fachanwalt rät daher allen bayerischen Fußballfans, sich bei der Polizei nach Informationen über sie zu erkundigen – Auskunft auf Anfrage müssen sie erhalten. Sollten sie als nicht Verurteilte trotzdem in der Datei stehen, rät Noli dazu, beim Landesbeauftragten für Datenschutz dagegen vorzugehen. Das ist kostenlos.
UPDATE (24. Februar 2017) :
Vor dem Bundesligaspiel des FC Bayern München gegen den HSV am morgigen Samstag organisiert sich nun Widerstand aus der Fanszene. Der "Club Nr. 12", eine Vereinigung von aktiven Bayern-Fans, möchte nach Informationen der Süddeutschen Zeitung eine Sammelanfrage an die Polizei organisieren. Fans des Rekordmeisters können sich vor dem HSV-Spiel melden und organsieren. Die Sammelanfrage soll klären, welche Daten über welchen Fan bisher erhoben wurden und wie das Personenprofil der Registrierten aussieht. Das Münchner Polizeipräsidium hat offenbar bereits 1.700 Namen von Fußballfans bayerischer Vereine gespeichert.