Interview mit Pornoproduzentin Erika Lust "Frauen müssen zeigen, wie sie befriedigt werden wollen"
Erika Lust produziert Pornos, die sich von vielen anderen Produktionen unterscheiden. Ihre Filme sind ästhetisch, divers, sexy - und sie zeigen Menschen, die einvernehmlich heißen Sex haben.
Erika Lust ist eigentlich Schwedin, lebt aber mit ihrem Mann mittlerweile in Barcelona. Zusammen haben sie 2004 die Produktionsfirma Erika Lust Films gegründet. Ihre Pornos zeigen natürlichen Sex – auf alle erdenklichen Arten, mit völlig verschiedenen Menschen. Erika Lust will vor allem drei Dinge in ihren Pornos abbilden: Lust, Einvernehmen und Diversität.
PULS: Was unterscheidet deine Pornofilme von anderen?
Erika Lust: In den letzten 15 Jahren haben wir uns an ziemlich trashigen Porno auf verschiedenen Plattformen gewöhnt. Wir denken also: Das ist Porno, so sieht Porno aus. Aber Porno kann ja auch anders sein. Im Prinzip sind Pornofilme ja nur eine explizite Darstellung von echtem Sex. Es sind einfach Filme, in denen Leute Sex haben.
Meine Produktionen nenne ich gerne "Independent Adult Cinema", weil es besser beschreibt, was Porno meiner Meinung nach sein sollte. In meinen Filmen ist meist eine Story enthalten, die zeigt, wie verschiedene Leute ihre ganz eigene Art von Sex ausleben. Es geht nicht darum zu zeigen, wie jemand krass penetriert wird und man dabei überall rumspritzt. Es geht darum zu zeigen, wie verschiedene Leute verschiedenen Sex haben. Die meisten Pornos zeigen ja auch nur männliche Lust – männliche Hauptdarsteller, männliche Kameraperspektive, Ejakulation. Ich will zeigen, wie es aussehen kann, wenn Menschen einvernehmlich Sex haben. Denn es ist ja super erotisch, anderen Leuten beim Sex zuzugucken – dafür ist Porno da. Nur sind die meisten Pornoproduktionen zu einfachen Rein-Raus-Filmchen verkommen.
Eine "Story" hört sich für viele vielleicht überflüssig oder nach Blümchensex an. Was für eine Art Sex zeigen deine Filme denn?
Ich zeige jede Art von Sex. Sex ist ja so unterschiedlich, jeder steht auf was anderes. Die meisten Pornos sind "Fast Food" – ich produziere aber ausgesuchte Pornos. Wenn man es mit einem Restaurant vergleichen will, dann bin ich diejenige, die zum Markt geht, leckere Sachen einkauft und sie mit viel Detailverliebtheit zubereitet. Das ist der Unterschied. Und das tue ich bei allen Filmen, sei es BDSM, Fetisch oder welches Genre auch immer.
In dieser traurigen Welt der „Erwachsenen Unterhaltung“ – wie man so schön sagt – sind die meisten Pornos einfach, schnell und billig. Etwa 98 Prozent der Pornoproduzenten sind Männer und die haben meist ihre eigenen Vorstellungen davon, wie Sex gezeigt werden soll und wie Frauen in den Filmen dastehen. Und deshalb geht es in den meisten herkömmlichen Pornos darum, wie eine Frau einen Typ befriedigt bis er kommt. Ich finde, es wird Zeit, dass Frauen das mal in die Hand nehmen und zeigen, welche Pornos sie sehen und wie sie selbst im echten Leben befriedigt werden wollen oder wie sie sich Sex vorstellen.
Ich habe beispielsweise fast nur Frauen am Set: Kamerafrauen, Texterinnen, Cutterinnen. Frauen und Männer können davon profitieren, sich einen Porno anzuschauen, der zeigt, wie Menschen Sex haben und sich einfach gegenseitig Lust bereiten – in welcher Form auch immer.
Gibt es Szenen, die du nicht drehen würdest?
Ich messe das immer an meiner eigenen moralischen Vorstellung: Würde ich das selbst sehen wollen? Wird irgendwer dabei unterdrückt? Ist es rassistisch oder frauenverachtend?
Ich mache natürlich auch BDSM oder Fetischfilme. Mir ist aber immer wichtig, dass klar ist: alle Protagonisten wollen das. Ich würde niemals etwas drehen, das Menschen erniedrigt. Ich finde es auch sehr wichtig, in meinen Filmen verschiedene Hautfarben, verschiedene Körper, verschiedene Altersgruppen und verschiedene Individuen zu zeigen. Ich will einfach mehr Diversität in Pornos zeigen.
Was hältst du davon, Pornos auch in der Schule schon zu thematisieren?
Ich finde es total notwendig und unvermeidbar in Schulen oder auch zuhause über Pornos zu sprechen. Man kann ja nicht so tun, als würden sie nicht existieren. Und Pornos werden ja von jungen Menschen ganz klar als Mittel zur sexuellen Aufklärung genutzt. Es reicht nicht im Sexualunterricht nur über Verhütung und Geschlechtskrankheiten zu sprechen. Es geht ja nicht nur darum, zu vermitteln, was man beim Sex nicht tun sollte, sondern auch, was dabei Spaß machen kann. Wenn junge Menschen darauf nur Antworten in Pornos bekommen, dann werden viele ziemlich enttäuscht sein. Denn so läuft Sex im echten Leben nicht. Man muss erst mal für sich herausfinden, was man gut findet und was es alles so gibt. Und wie gesagt: Mädchen sehen in Pornos hauptsächlich, dass es ihre Hauptaufgabe ist, den Typen beim Sex einen Orgasmus zu verschaffen. Anstatt auch mal zu sehen, was man tun kann, um selbst einen Orgasmus zu bekommen.
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