Rente und Altersvorsorge Altersvorsorge: Mit diesen Tipps kriegt ihr’s hin
Fast 50 Prozent der 20- bis 34-Jährigen halten das Thema Altersvorsorge für zu kompliziert. Dabei ist Vorsorgen viel einfacher als gedacht mit diesen acht Tipps.
„Schwierige und unangenehme Dinge schiebt man vor sich her“, sagt der Psychologe Michael Ziegler von der Uni Nürnberg. Und dass das so ist, wird uns auch unser Rentner-Ich wahrscheinlich mal übelnehmen. 54 Prozent der 20- bis 34-Jährigen fürchten sich vor Altersarmut. Und trotzdem kümmern wir uns zu wenig um unsere Altersvorsorge.
Das liegt zum einen daran, dass in der Schule die finanzielle Allgemeinbildung zu kurz kommt, sagt Ziegler. Einmal im Berufsleben angekommen, sind wir mit den komplexen Informationen und verschiedenen Möglichkeiten rund um das Thema dann vollkommen überfordert. Und so schieben wir die Vorsorge immer weiter vor uns her. Bis wir aus Angst eine falsche Entscheidung zu treffen, lieber gar keine fällen. Obendrauf ist es uns lieber, jetzt eine kleine Belohnung zu bekommen, statt später eine große. „Deswegen gönnt man sich lieber im Hier und Jetzt was“, sagt Ziegler. Klar, ein Urlaub nächste Woche klingt um einiges besser als in zehn Jahren. Dass sich der Verzicht in der Zukunft auszahlt, ist nicht verlockend genug, weil uns die Belohnung so weit weg erscheint. Trotzdem ist es wichtig, dass wir uns um unsere Rente und Altersvorsorge kümmern. Mit diesen acht Tipps schafft ihr den Anfang, auch wenn ihr von Finanzen so gar keine Ahnung habt. Versprochen!
1. Informiert euch!
Hier, hier oder hier. Private Altersvorsorge ist wichtig, aber auch an der Rente kann man noch schrauben. „Der häufigste Fehler ist, dass viele mit Scheuklappen durch ihr Berufsleben laufen“, sagt Patricia Kürzeder, sie leitet den Bundesverband der Rentenberater in Bayern. Die meisten wüssten nicht, wie das Rentensystem funktioniert, wie eine Rente berechnet wird und wie man mehr einzahlt, um die Rente zu erhöhen.
Der zweite Fehler: „Es wird nicht langfristig geplant“, sagt Kürzeder. Also: Überlegt euch schon jetzt, wie ihr euren Ruhestand verbringen möchtet. Wenn ihr jetzt anfangt einzuzahlen, sind die Beträge noch relativ gering. Wenn ihr aber erst mit Mitte 50 anfangt, müsst ihr mehr Geld aufbringen, was euch am Ende aber nicht mehr Rente bringt.
Der dritte Fehler: Setzt euch mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung auseinander. „In die Beratung kommen häufig junge Versicherte, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können und dann mit leeren Händen dastehen, weil sie nicht vorgesorgt haben“, sagt Kürzeder.
Last but not least, der vierte Fehler: Aufgeben und behaupten „Wenn ich alt bin, gibt es doch eh keine Rente mehr.“ Denn das stimmt so nicht. „Wir haben in Deutschland das Sozialstaatsprinzip“, sagt Patricia Kürzeder. „Eine Abschaffung der Rentenversicherung sehe ich definitiv nicht.“ Was stimmt: Die Beiträge zur Rente werden steigen. Derzeit kommen auf einen Rentenbezieher drei Beitragszahler. 2050 müssen zwei Beitragszahler die gleiche Summe stemmen, der Beitragssatz wird also steigen. Eine private Altersvorsorge und Anlagen in Fonds und Aktien ist deswegen sinnvoll.
2. Diversifiziert eure Anlagen
Diversifiwas? „Niemals nur auf eine Anlageform oder einen Vermögenswert setzen“, sagt Christoph Kaserer, er ist Professor für Finanzmanagement an der TU München. Also merke: Diversifizieren = so breit wie möglich streuen. Neben Investitionen in Aktien und Immobilienfonds, rät Christoph Kaserer auch zu Anlagen im Geldmarktfonds. Geldmarktfonds sind kurzfristige, Immobilienfonds langfristige Anlagen. Am einfachsten diversifiziert ihr eure Anlage, wenn ihr Exchange-Traded Funds (ETFs) kauft. Durch deren Kauf hat man nämlich direkt Hunderte Aktien in seinem Portfolio.
3. ETFs sind euer bester Freund
Das geht raus an alle, die sich kein Stück mit Aktien oder Finanzanlagen auskennen: Lasst die Finger davon, einzelne Aktien, einzelne Immobilien oder Schuldverschreibungen von Banken zu kaufen, sondern legt euer Geld in Exchange-Traded Funds, kurz ETFs, an. „ETFs sind extrem günstig, es gibt sie in so ziemlich jeder Form und Farbe und sie sind stark reguliert“, sagt Kaserer. Das bedeutet, dass das Risiko abgezockt zu werden, hier äußerst gering ist. Der Wettbewerb ist mittlerweile außerdem so ausgeprägt, dass die Leistungsunterschiede zwischen den ETFs minimal sind und es gar nicht so wichtig ist, welchen ETF man kauft. „Alle großen Fondsgesellschaften bieten ETFs an, auf deren Webseiten kann man sich über die informieren“, sagt Kaserer.
4. Wie viel Geld und wie lange anlegen? Macht euch Gedanken!
Wenn ihr euch für eine oder mehrere Anlageformen entschieden habt, müsst ihr zum einen überlegen, wie ihr euer Geld auf diese aufteilen möchtet. Und zum anderen müsst ihr euch fragen: „Wie lange soll die Kapitalanlage dauern?“, sagt Georg Erdmann von der Hochschule Augsburg, auch er lehrt Finanzmanagement. Denn: Ein 20-Jähriger muss sich andere Gedanken über seine Altersvorsorge machen als ein 50-Jähriger.
Ein möglicher Orientierungswert lässt sich durch die „100-minus-x-Regel“ berechnen. Für den 20-Jährigen bedeutet das: 100 – 20 = 80. Das heißt, von dem Geld, das man sich mit 20 Jahren für seine Altersvorsorge abzwackt, sollten etwa 80 Prozent in Aktien wandern. Aber was macht man mit den übrigen 20 Prozent? Üblicherweise heißt es, man solle in festverzinsliche Anleihen investieren, die auch Rentenfonds genannt werden. Auf die gibt es zurzeit aber kaum Zinsen, Georg Erdmann rät daher von dieser Form der Anlage ab. Christoph Kaserer stimmt zu: „Aktien schwanken zwar stark, aber sie werfen langfristig mehr Geld ab als andere Anlageformen.“ Das bedeutet aber auch, dass man mehr Zeit braucht, um Verluste auszusitzen. Für euch heißt das: Legt euer Geld in Fonds und Aktien an.
Dafür, wie viel Geld ihr für eure Altersvorsorge generell auf die Seite packen solltet, gibt es keinen wirklichen Richtwert. Ihr könnt euch an zwei Faustregeln halten: Entweder ihr spart das, was ihr könnt. Oder ihr überlegt euch, welches Einkommen ihr im Alter aus der privaten Altersvorsorge beziehen möchtet und orientiert den Wert daran. Da das berechnen dieser Rentenlücke etwas komplizierter ist, lohnt es sich, wenn ihr Hilfe bei einem Finanzberater sucht.
5. Ihr braucht nicht zwingend eine*n Finanzberater*in
Außer ihr sucht nach Antworten auf komplizierte Fragen, wie oben erwähnt oder möchtet euch einen ersten Überblick verschaffen. Berater*innen findet ihr zum Beispiel im Sachverständigenverzeichnis der IHK, im Finanztest der Stiftung Warentest oder auch bei der Lohnsteuerhilfe. Solltet ihr ein Gespräch vereinbaren, bleibt wachsam und fragt euch immer: Welche Interessen verfolgt der/die Berater*in? Heißt: Wenn er oder sie mich dazu drängt, ein Produkt zu kaufen, an dem er oder sie mitverdient, ist die Beratung alles andere als unabhängig. Also Finger weg!
Um Interessenskonflikte zu vermeiden könnt ihr euch alternativ an einen Robo-Advisor wenden. Also einen Computer, der die Finanzberatung durchführt. Aber erkundigt euch auch hier vorher genau, welchen Robo-Advisor ihr benutzen wollt. „Ein Robo-Advisor ist nur so gut, wie der Algorithmus der dahinter liegt“, sagt Erdmann. Einen Vergleich und eine Auflistung verschiedener Anbieter findet ihr hier.
6. No-Go für Anfänger*innen: Anlagen außerhalb regulierter Märkte
Weil man da entweder auf Betrüger*innen reinfallen könnte oder viel zu große Anlagerisiken eingeht. Um sicher zu sein, dass ihr einen regulierten Fonds kauft, rät Christoph Kaserer auf die Bezeichnung OGAW-Fonds (engl. UCITS-Fonds) zu achten. „Für Immobilien lohnt es sich außerdem auf Alternative Investmentfonds zu setzen“, sagt Georg Erdmann. Außerhalb der regulierten Märkte werden oft sogenannte geschlossene Immobilienfonds oder Nachrangdarlehen angeboten. Das sind Anlagen im grauen Kapitalmarkt, den ihr meiden solltet.
7. Macht, was sich gut anfühlt
ETFs, Immobilienfonds, Geldmarktfonds. Aber was ist, wenn mir das alles zu riskant ist? Was, wenn Aktien mal so gar nicht mein Ding sind? Dann könnt ihr euer Geld natürlich auch im guten alten Sparbuch anlegen. So niedrig wie die Zinsen sind, wirft das zurzeit zwar nicht viel ab. Regelmäßig auf ein Sparbuch einzahlen, bringt aber auf jeden Fall mehr, als gar nichts zu machen. Wichtig ist, dass ihr euch mit eurer Altersvorsorge wohlfühlt und abends nicht schlotternd im Bett liegt, weil ihr um euer Geld an der Börse bangt.
8. Motivation is Key
Mittlerweile ist es wohl bei allen angekommen: Altersarmut ist ein Ding, die Rente wird weniger und wir sollten deswegen privat vorsorgen. Trotzdem kümmert sich fast niemand drum. Das Problem bei der Sache ist nämlich, dass das Betrachten von Zahlen und Rechenbeispielen zu abstrakt ist, um uns zum Handeln zu motivieren. Besser ist es, „wenn man das Sparen mit etwas Positivem verbindet“, sagt der Psychologe Michael Ziegler. Also: Ich spare nicht, um mich vor Altersarmut zu schützen. Sondern ich spare, um einen Alterswohlstand zu erreichen. Helfen kann auch, wenn ihr Freunden oder Familie von euren Plänen erzählt. Damit motiviert ihr euch selbst dazu, euer Ziel nicht gleich wieder aufzugeben und zieht andere vielleicht sogar mit. Es gibt außerdem einen Trick, wie ihr die vermeintlich weit entfernte Zukunft präsenter macht. „Wenn ich für meinen Ruhestand spare, kann der in 30 Jahren sein oder aber in 10.950 Tagen“, sagt Ziegler. Denn „wenn man in Tagen rechnet, möchte man früher anfangen zu sparen.“ Und zum Abschluss ganz wichtig: Gönnt euch ab und an trotzdem was, damit ihr eure Motivation fürs Sparen nicht verliert.
Sendung: PULS vom 9.12.2019