Interview mit Shahak Shapira "Ich bin kein It-Girl"

Er macht sich im Netz über so gut wie alles und jeden lustig. Ein Gespräch mit Shahak Shapira über sein Selbstbild, seine Haltung zur AfD und seine Pläne, Rapper zu werden.

Von: Frank Seibert

Stand: 24.04.2017 | Archiv

Bild: Shahak Shapira

In seinem Buch "Das wird man ja wohl noch schreiben dürfen! Wie ich der deutscheste Jude der Welt wurde" erzählt Shahak Shapira, wie er mit 14 Jahren mit seiner Mutter aus Israel in ein Kaff nach Sachsen-Anhalt gezogen ist - eine Hochburg der NPD. Für sein Projekt "90s Boiler Room" hat Shahak Hits von den Backstreet Boys unter die Videos der Live-Gigs von DJs wie Sven Väth gelegt, für seinen "ehrlichen AfD-Adventskalender" hat er nicht nur Applaus von Jan Böhmermann bekommen. Und durch "Yolocaust" sind auch internationale Medien auf Shahak aufmerksam geworden: Besucher, die im Berliner Holocaust-Mahnmal ein Selfie aufgenommen haben, hat er in genau dieser Pose auf Leichenberge ermordeter Juden montiert - und hat damit eine Diskussion über Erinnerungskultur ausgelöst.

PULS: Einige Leute kennen deinen Namen oder dein Gesicht, aber wissen nicht woher. Du bist aber dauernd im Fernsehen oder Internet präsent. Bist du sowas wie ein It-Girl?

Shahak Shapira: Das finde ich unfair! Ich bin kein It-Girl. It-Girls sind einfach da - aber ich habe es mir verdient. Mehr, als die meisten. Jeden Scheiß, den du siehst, habe ich selbst gemacht. Und das ist viel Arbeit.

Du machst ganz viele unterschiedliche Projekte. Wie würdest du denn selbst beschreiben, was du tust?

Es ist schwer, mir eine Berufsbezeichnung zu geben. Vielleicht Kunst. Aber nur, weil das das Allgemeinste ist, was mir einfällt. Nicht alles, was ich tue, ist Kunst.

War das dein Traum?

Eigentlich war mein Traum Musiker zu werden. Das ist einfach, da musst du nicht über den Nahost-Konflikt reden. Du machst einfach dein Ding und die Leute halten ihre Fresse - kein Dialog. Aber das Schlimme dabei: Wenn du wirklich über Politik reden willst, dann sagen die Leute: Sei ruhig, du bist nur Musiker. Du hast keine Ahnung. Außer, du bist Bono. Dann gestehen sie dir vielleicht Ahnung zu - aber sie können dich trotzdem nicht leiden.

Es fällt jedenfalls schwer, dir ein Label aufzudrücken.

Ist doch super! Eigentlich wollen alle sagen: Das ist doch dieser Jude, der ein bisschen besser aussieht als Oliver Polak - und ein bisschen lustiger ist.

Wäre das schlimm, wenn alle denken: Das ist doch dieser Jude?

Ja, aber es wäre auch meine eigene Schuld, weil ich mich in der Vergangenheit darüber definiert habe. Auf meinem Buchcover steht: Der deutscheste Jude der Welt. Das stimmt aber nicht. Das ist der einzige Satz, von dem ich mich heute distanzieren würde. Damals habe ich dem Verlag zehn Titel-Vorschläge geschickt – und gesagt: Sucht euch einen aus. Ich will nicht nur darüber definiert werden.

In deinem Buch schreibst du, dass du früher gemobbt wurdest. Kinder haben dich "Quark" oder "Neonröhre" genannt. Du warst eher der Aussenseiter. Wie fühlt sich das an, plötzlich so viel Fame zu bekommen?

Ungewohnt - aber ich feier das auch. Einige Leute sagen: "Es muss schlimm für dich sein, wenn man dich ständig auf der Straße erkennt." Ich antworte dann: "Ja, sehr schlimm. Willst du ein Selfie mit mir? Komm wir machen noch eins."

Aber woran man sich echt gewöhnen muss: Die Leute finden Bilder, die du irgendwann hochgeladen hast. Oder sie fangen an, dich zu photoshoppen. Aber das muss ich aushalten. Ich mache das ja auch mit anderen. Im Winter habe ich zum Beispiel zugenommen und musste mir Beleidigungen von Fremden anhören. Das gibt mir für das nächste Mal zu denken, wenn ich mich über andere lustig mache.

Was verletzt dich denn?

Wäre jetzt nicht so schlau, das zu verraten. Alles und nichts. Ich lese mir alles durch, den ganzen Scheiß. Die meisten Beleidigungen bekomme ich mittlerweile von Juden. Absurd. Man muss damit klar kommen, dass dich Menschen nicht leiden können, wenn du in der Öffentlichkeit stehst. Viele haben nicht mal nen Grund. Es gibt wenig, was mich wirklich beleidigen kann - außer ich mich selbst, wenn ich mit mir unzufrieden bin.

Hast du eigentlich selbst Vorurteile?

Viele. Die hat jeder. Du musst nur merken, dass es welche sind. Und wissen: Ich denke gerade wie ein Arschloch und es nicht aussprechen. Kurz die Fresse halten. Guck mal, du kommst aus München. Natürlich denke ich, dass du der schlechteste Mensch der Welt bist. Aber ich sag es nicht. Achso. Halt. Aber ich weiß, dass es nur ein Vorurteil ist. Kann sein, dass du nur halb so schlimm bist.

Hängst du eigentlich den ganzen Tag vor dem Computer rum?

Ja.

Du checkst den ganzen Tag Twitter und Facebook?

Das war mal so. Jetzt muss ich Sport machen, damit ich nicht fett werde. Damit die Leute auf Twitter mich in Ruhe lassen.

Woher kommen die Ideen für deine Posts? Schicken dir Leute Links? Man kann ja nicht alles auf dem Schirm haben - zum Beispiel, was die AfD jeden Tag so macht.

Manchmal machen mich Leute auf etwas aufmerksam, ja. Es kommt zu mir. Und ich versuche, mich nicht mehr so viel lustig zu machen über die AfD. Die machen das schon selbst. Außerdem sind die sind ja bald weg.

Meinst du wirklich?

Die haben nichts mehr zu melden, glaube ich. Was sie ausgemacht hat, war die Flüchtlingskrise. Aber die ist vorbei - auch, wenn wir noch viel Arbeit vor uns haben. Aber mittlerweile kommen genauso viele Menschen, wie vor der Krise. Die AfD hat keine anderen politischen Themen, keine Kompetenz. Weder beim Klima, noch bei der Familienpolitik - die ist aus der 60ern. Ihre Steuerpolitik, katastrophal. 

Was würdest du machen, wenn die AfD nicht in den Bundestag kommt? Dann wärest du praktisch arbeitslos.

Ich habe ja noch Markus Söder und Donald Trump. Und all die Gangsterrapper. Kein Problem.

Wir diskutieren in der Redaktion immer wieder, wie wir mit der AfD umgehen sollen.

Wenn du die AfD kritisierst - dann ist das nicht parteiisch, sondern menschlich und demokratisch. Das ist keine normale Partei. Die duldet Neonazis in den eigenen Reihen. Die haben sich ja entschieden so zu sein und Leute wie Björn Höcke zu tolerieren. Dann müssen sie sich nicht wundern und sich Kritik gefallen lassen. Aber ich mache mich auch über andere Parteien lustig, wenn sie Pannen haben.

Wie lange denkst du drüber nach, bevor du etwas postet?

Viel. Ich würde behaupten, es gibt wenige, die sich so viel mit dieser Partei auseinandergesetzt haben. Und ich habe gemerkt, dass es schwieriger geworden ist zu überprüfen, woher Meldungen kommen. Deshalb bin ich da vorsichtig. Sonst kommen die sofort und schreien: Fake-News!

Wenn Leute deine Texte liken, dann ist das doch bloß Clicktivism. Müssten wir nicht eigentlich rausgehen und uns in Parteien engagieren?

Manchmal geh ich raus, zu Pegida-Demos. Aber da ist ja niemand mehr. Ich habe sehr viel Respekt vor Menschen, die auf Demos gehen, um mit der Gegenseite zu sprechen. Ich will das auch öfter machen. Trotzdem ist es wichtig, auch im Internet Position zu beziehen. Klar, es ist nicht schlimm, wenn sich die Leute damit gut fühlen. Sie müssen kritisch bleiben. Schwierig wird es, wenn sie nicht mehr hinterfragen und zu schnell abstempeln.

Was sind denn deine Pläne? Schon neue Projekte auf dem Schirm?

Mir fallen ständig Dinge ein - und dann mach ich die. Das kann man nicht so voraus planen. Entweder das läuft - oder ich mache was Neues. Und Rap. Ich werde Gangster-Rapper.

Mit Kollegah? Bei eurem "offenen Gespräch über Antisemitismus" habt ihr doch schon was gemeinsam aufgenommen, oder nicht?

Vielleicht, wer weiß. Wir sollten uns aber nochmal unterhalten. Zu zweit, ganz in Ruhe. Auch gerne mit Kamera. Es ist schwierig ne Diskussion zu führen, wenn der Raum voller Leute ist – und man nicht zu Ende reden kann. Ich habe noch ein paar Fragen, die offen geblieben sind. Hoffentlich klappt das.

Sendung: Filter, 25.04.2017 ab 15 Uhr