CO2-Kompensationen Flug mit gutem Gewissen?
Fliegen ist ein Klima-Killer. Immer mehr Leute versuchen deswegen, ihr schlechtes Gewissen mit Spenden an Klimaorganisationen zu beruhigen. Aber wie funktioniert so ein CO2-Augleich eigentlich? Und wann bringt er wirklich etwas?
Flygskam, oder auf Deutsch "Flugscham", ist eine neue Gefühlsschöpfung aus Schweden, die mittlerweile weite Kreise zieht. In Schweden haben 250 Vertreter der Filmbranche die Abmachung unterschrieben, mehr im Inland zu produzieren und die schwedische "Frau des Jahres", Greta Thunberg, fuhr 65 Stunden mit dem Zug in die Schweiz - um das CO2 für den Flug zu sparen. Und auch in Deutschland ist das Thema in vielen Köpfen angekommen.
Die Zahl der Inlandsflüge sinkt auch hierzulande und eine YouGov-Umfrage ergab, dass sich 47 Prozent der Deutschen einen Verzicht auf das Fliegen zugunsten des Klimas vorstellen können. Denn geil Urlaub machen am anderen Ende der Welt und gleichzeitig das Klima schützen, geht eben nicht.
Geht man von einem klimafreundlichen CO2-Budget von zwei Tonnen pro Nase und Jahr aus, frisst schon ein einziger Urlaubsflug nach Mallorca über ein Drittel davon auf. Ganz auf den verdienten Urlaub verzichten will aber auch niemand – verständlicherweise. Die scheinbar simpelste Lösung des Problems: Das CO2, das wir mit dem Ferienflieger in die Luft pusten, einfach über Klimaorganisationen wie Atmosfair oder Primaklima ausgleichen. Die erleben derzeit einen wahren Boom: Im letzten Jahr stiegen die Spenden an Atmosfair um 40% an. Tendenz steigend. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um die Klima-Kompensationen.
1. Klimasünden online begleichen - wie funktioniert das überhaupt?
Eigentlich super easy: Man tippt auf einer der Webseiten der Klimaorganisation seinen Flug ein, zum Beispiel München – San José. Dann wird einem die ungefähre Menge an CO2 ausgespuckt, die man damit verursacht, und wie viel Kohle man abdrücken muss, um seine Klimasünde wieder gut zu machen. Das gespendete Geld wird dann in Klimaschutzprojekte investiert, z. B. in Solaranlagen, Windkraftanlagen oder Aufforstungsprojekte. Ziel dieser Programme: entweder Treibhausemissionen vermeiden oder CO2 binden.
2. Wie werden die Emissionen eines Flugs berechnet?
Wenn man einen Flug nun bei verschiedenen Anbietern eintippt, fällt auf, dass oft unterschiedliche Werte rauskommen. Ein Flug nach Costa Rica ergibt auf der einen Website 5,9t (Primaklima) auf der anderen 6,3t (Atmosfair), bei der nächsten wieder 3,7t (Myclimate).
Der Grund: "Verschiede Agenturen haben verschiedene Grundlagen", sagt Dr. Michael Kopatz, Umweltwissenschaftler und Projektleiter im Wuppertaler Institut für Klima. Unterschiedliche Anbieter nutzen unterschiedliche Berechnungsmethoden, um den Emissionswert zu ermitteln. Manche achten darauf, wie viel Gepäck man aufgibt, andere ob man zwischenlandet oder in welcher Höhe geflogen wird. Es gilt: je detaillierter, desto besser.
Wenn ihr ganz sicher gehen wollt, könnt ihr den Wert, den eure Suchmaschine ausspuckt, mit dem Rechner des Umweltbundesamtes abgleichen. Der Rechner wird immer wieder von Klimaschutzexperten an aktuelle Forschungsergebnisse angepasst und nimmt auf alle wichtigen Details Rücksicht.
3. Warum kostet die Kompensation unterschiedlich viel Geld?
Die Preise pro Tonne CO2 können bei verschiedenen Anbietern stark variieren. Grund dafür sind die unterschiedlichen Standorte und Konzepte der einzelnen Organisationen: In einem Entwicklungsland ein Projekt auf die Beine zu stellen, ist meist günstiger als in Deutschland. Ein Solarkraftwerk zu bauen, braucht erstmal mehr Investitionen, bevor wirklich etwas passieren kann, als das Pflanzen von einem Baum. Eigentlich ganz logisch.
4. Worauf muss ich bei der Wahl eines Kompensations-Anbieters achten?
Wer auf Nummer sicher gehen will, muss selbst recherchieren. Gütesiegel wie der "WWF Gold Standard" oder der "Verified Carbon Standard" (VCS) sind dabei auf jeden Fall eine große Hilfe, allerdings sollte man auch immer checken, wie aktuell eine solche Auszeichnung ist.
Wichtig ist die Transparenz: Oft lässt sich nicht so gut verfolgen, wohin das Geld genau fließt, vor allem in ärmeren Staaten. Sollte nicht klar sein, was konkret mit dem Geld passiert, muss sofort die Warnleuchte angehen!
5. Was sollte denn am besten mit meinem Geld passieren? Bäume pflanzen, die mein verpulvertes CO2 binden?
Der "Klassiker" Bäume pflanzen ist eher umstritten: Erst nach Jahren wirken sich die Bäume wirklich sinnvoll auf den CO2 Ausgleich aus. Außerdem sind solche Projekte oft nicht beständig, sie sind Risiken wie Waldbränden oder illegaler Rodung unterworfen. Dazu könne sie auch "Leakage" verursachen. Das bedeutet, dass durch die Durchführung eines Projekts an einer anderen Stelle wieder mehr Treibhausgase entstehen - also wenn ein Wald neu gepflanzt und an einer anderen Stelle wieder einer abgeholzt wird, um neues Weideland zu schaffen. Deshalb sollte man von Projekten, die ausschließlich mit Aufforstung arbeiten, besser auch die Finger lassen.
6. Projekte besser im Ausland oder daheim fördern?
Auf die Frage ob es sinnvoller ist, sein Geld in Projekte im Ausland zu stecken oder lieber im eigenen Land, rät Dr. Kopatz:
"Man kann sagen, dass es nicht verkehrt ist, wenn man einen Euro in China oder Lateinamerika investiert und dann da viel mehr CO2-Ersparnis bewirken kann, als in Deutschland, wo wir ja schon extrem viel in Effizienz investiert haben. Richtig ist aber auch, dass wir versprochen haben, dass wir unsere CO2 Emission auf zwei Tonnen im Jahr verringern, um die globale Hitze bei zwei Grad zu begrenzen. Wir sind jetzt bei 11,5 Tonnen, es ist also mehr geworden in den letzten Jahren."
Dr. Michael Kopatz vom Wuppertal Institut für Klima
Entscheidend sei auch die Vorreiterrolle von Deutschland, findet Dr. Kopatz. Gerade Länder wie zum Beispiel Brasilien, wären nicht bereit CO2 zu sparen, solange solche Industrienationen wie Deutschland nicht zeigen, dass es geht, so Kopatz. Bei der Suche nach der richtigen Organisation ist also auch der Standort des Projekts entscheidend.
7. Wie sinnvoll ist Kompensation? Lohnt sich der ganze Aufwand wirklich?
Das kann man nur mit einem "Jein" beantworten. Anders gesagt: Ausgleichen ist gut, vermeiden ist besser. Für die, die nicht aufs Fliegen verzichten möchten, bietet die Treibhausgaskompensation eine Möglichkeit, Klimasünden soweit es eben geht zu begleichen. Außerdem kann es nie schaden, sich mit dem eigenen ökologischen Fußabdruck auseinanderzusetzen. Aber so schön es auch wäre, selbst durch eine sorgfältig durchdachte Klimaspende lässt sich nicht rückgängig machen, dass man vorher einige Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre geballert hat, findet auch Dr. Kopatz:
"Es ist aber auf jeden Fall besser als nichts zu tun, das steht für mich außer Frage. Wenn durch meine Spende, die ich beim Flugbuchen leiste, nur zehn Bäume aufgeforstet werden, ist das besser als nicht zu kompensieren. Man braucht sich aber nicht einzubilden, dass man damit wirklich seinen Flug ausgeglichen hat."
Dr. Michael Kopatz vom Wuppertal Institut für Klima
Es gilt also weiterhin: Wer möglichst klimaneutral leben möchte, muss aufs Fliegen verzichten, denn ein Flug wird auch durch eine CO2-Kompensation nicht weniger schädlich für das Klima. Die umweltfreundlichsten Alternativen sind übrigens Reisebusse und die Bahn - und auch die lassen sich kompensieren.
Sendung: PULS am 28.06.2019, ab 15.00 Uhr.