Surfen mit Handicap Diese Starnbergerin fährt zur Adaptive Surf WM
Eva Maria Lischka kann nicht richtig laufen - trotzdem fliegt sie im März zur Surf Weltmeisterschaft nach Kalifornien und geht dort für Deutschland an den Start. Uns hat sie erzählt, warum sie fast nicht mit dem Surfen angefangen hätte.
Treppen ohne Geländer runtergehen oder auf einem Bein stehen, so etwas fällt ihr schwer. Eva Maria Lischka aus Starnberg ist mit infantiler Cerebralparese aufgewachsen. Die angeborene Bewegungsstörung in den Beinen verursacht ihr Koordinations- und Balanceprobleme. Trotzdem hat sie sich ein Hobby ausgesucht, für das man extrem viel Balance braucht. Die 30-Jährige ist nämlich leidenschaftliche Surferin. In den letzten zehn Jahren hat sie sich vom liegenden Surfen bis zum knienden Surfen hochgearbeitet. Bei der letzten Europameisterschaft im Adaptive Surfing, also dem Surfen mit Handicap, hat sie schon eine Silbermedaille in der Frauendivision und einen vierten Platz für Deutschland abgeräumt. Dieses Jahr geht es für Eva vom 11. bis 15. März zur Weltmeisterschaft in Kalifornien – nicht ohne Schwierigkeiten.
PULS: Eva Maria, warum ausgerechnet Surfen?
Eva Maria Lischka: Es ist eine wahnsinnig große Freiheit, die man da spürt. Gerade für jemanden, der ein Handicap hat, sind da viel mehr Sachen möglich, als jetzt auf dem Asphalt oder so. Im Wasser kann man sich einfach viel besser bewegen. Und das Lustige ist, dass das Surfen genau die Sachen, die ich eigentlich nicht kann, sehr stark verbessert. Beim Surfen ist ja alles wackelig, man ist auf dem Wasser, auf dem Brett, und hat ja eigentlich gar keinen Halt. Aber so kann man eben genau das trainieren, was einem fehlt.
Wie genau bist du zum Surfen gekommen?
In der elften Klasse sind wir zu einer Art Klassenfahrt mit – ich sag mal – Teambuilding-Hintergrund gefahren. Das Ziel war, dass wir gemeinsam etwas unternehmen, das eben noch niemand richtig kann. Und da kam natürlich das Surfen wie gerufen. Aber an dem Tag, an dem das entschlossen wurde, war ich krank. Und dann kam ich zurück und es hieß: Juhu, wir gehen zum Surfen! Ich fand das überhaupt nicht cool, weil ich mir gedacht habe: ich kann noch nicht einmal richtig laufen und soll da jetzt zum Surfen gehen. Ich konnte mir unter dem Sport überhaupt nichts vorstellen und ich war schon kurz davor, zu Hause zu bleiben, aber dann hat mein Klassenleiter mich doch davon überzeugt. Also bin ich mitgefahren, in der Annahme, dass ich aber nur wegen der Klassengemeinschaft mitfahre und nicht surfe. Das fand dann aber der Surflehrer blöd und hat gefragt, ob ich es probieren will. Dann sagt man natürlich auch nicht nein und dann sind wir ins Wasser gegangen und nach ein paar Wellen war ich dann überzeugt.
Wie hältst du dich trotz Balance- und Koordinationsschwierigkeiten auf dem Brett?
Angefangen habe ich vor zehn Jahren ganz banal im Liegen. Man muss erstmal trainieren, sich überhaupt auf dem Brett halten zu können. Da braucht es ganz viel Körperspannung und eben ganz viel Balance. Dann habe ich mich vorgearbeitet bis auf alle Viere - und jetzt seit kurzem bin ich sehr stolz, weil ich nämlich auf den Knien surfen kann. Das ist immer noch ein bisschen schwierig - man hat natürlich auch als Mensch, der nicht am Meer wohnt, jetzt nicht so viel Möglichkeit das zu trainieren - aber es klappt schon ganz gut.
Gut genug für das Adaptive Nationalteam des Deutschen Wellenreit Verbands – wie bist du da reingekommen?
Das war, wie vieles in meinem Leben, ein Zufall: Ich habe einen Facebook-Post vom Deutschen Wellenreit Verband gesehen, der eben bekannt gegeben hat, dass in vier Wochen die Euro Surf Adaptive stattfindet - die Europameisterschaft - und, dass noch Unterstützer willkommen sind. Dann habe ich denen geschrieben und erst hieß es, dass die Anmeldefrist schon vorbei ist. Aber innerhalb von zwei Stunden oder so habe ich dann die Antwort erhalten, dass es doch noch möglich ist und dann bin ich ganz schnell zum Arzt gegangen und habe die nötigen Dokumente zusammen geholt und dann, etwa drei Wochen später, war ich dann am Strand in Portugal gestanden. Und dann war ich eben im Nationalteam.
Und jetzt geht’s zur WM. Welche Schwierigkeiten musst du bis dahin noch meistern?
Wir müssen die Flüge selbst bezahlen, die Unterkunft selbst bezahlen, unser Equipment, also das Surfbrett und so weiter. Wir benötigen auch ein Mietauto, das rollstuhlgerecht ist, weil mein Teamkollege im Rollstuhl sitzt. Und ja, da stellt sich dann natürlich die Frage: Wie finanziert man sich das Ganze? Das ist alles sehr kostenintensiv. Deswegen haben wir eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, die Gott sei Dank sehr erfolgreich läuft. Die läuft auch immer noch. Wir haben ganz viele liebe Unterstützer, mit denen es jetzt schon möglich ist, die Flüge und die Unterkunft zu decken.
Wie läuft so eine Weltmeisterschaft im Adaptive Surfing überhaupt ab? Wie wird das bewertet?
Ich kann jetzt nur von dem reden, was ich bei der Europameisterschaft kennengelernt habe. Da war es so, dass wir in verschiedene Kategorien eingeteilt wurden, weil ja nicht jedes Handicap vergleichbar ist. Es gibt Leute in der stehenden Kategorie, dann Menschen, die wie ich eben auf Knien surfen, oder Leute, die auch eine Assistenz mit im Wasser haben, zum Beispiel blinde Surfer. Das ist auch ganz inspirierend zu sehen. Und dann sind am Strand zwei Fahnen aufgestellt und in diesem Bereich wird dann gesurft. Man nimmt eben innerhalb einer bestimmten Zeit - damals waren es jetzt 20 Minuten - Wellen und die werden dann bewertet.
Da gibt’s ganz viele Faktoren, zum Beispiel, welche Welle man überhaupt anpaddelt: Es gibt ja Wellen, die schon gebrochen sind. Die sind dann nicht so interessant. Besser sind natürlich die ungebrochenen, weil man dann auch noch mehr mit denen anfangen kann. Dann zählt noch, wie lange bin ich auf der Welle und was mache ich damit? Fahre ich einfach nur geradeaus auf den Strand zu, blöd gesagt, oder fahr ich eben Manöver, also mach ich eine Kurve oder irgendwas Verrücktes.
Wie schätzt du deine Chancen bei der WM ein?
Ich muss sagen, um die Chance auf eine Medaille geht’s mir eigentlich weniger. Also, natürlich freue ich mich, wenn ich jetzt mit einem Edelmetall nach Hause marschiere, aber für mich ist das noch ein viel größeres Unterfangen. Da geht’s ja schonmal um die Reise dorthin, was ja auch nicht ganz unbeschwerlich ist. Und ich muss auch sagen, es ist auch für mich einfach ein wahnsinniges Erlebnis, andere Leute zu sehen, wie die mit ihrem Handicap umgehen und damit auch Lebensfreude verspüren - obwohl man sich wirklich einfach denkt: Wahnsinn, was du für ein Päckchen im Leben mitbekommen hast. Und darum geht’s mir, um den Austausch. Weil das auch wahnsinnig inspirierend ist und sehr viel Halt gibt, wenn man merkt, dass man zwar ein Handicap hat, aber es auch noch viele andere Menschen gibt, die auch betroffen sind. Man ist eben nicht alleine auf der Welt.
Sendung: Puls am 29.01.2020 - ab 15.00 Uhr.