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Voluntourism Warum Freiwilligenarbeit in Afrika so nicht hilft

Wenn meine Freunde Bilder von ihrer Arbeit in afrikanischen Waisehäusern posten, habe ich oft ein schlechtes Gewissen. In den Ferien hätte ich ja auch mal für zwei Wochen helfen können. Gut, dass ich es nicht getan habe.

Von: Verena Hampl

Stand: 06.05.2016 | Archiv

Barbie Savior auf Instagram | Bild: Instagram

An den Wochenenden am Strand chillen, unter der Woche im Waisenhaus helfen und "den Kindern ein Lächeln ins Gesicht zaubern." So werben Organisationen im Netz für Freiwilligenarbeit. Dazu gibt es Fotos von süßen schwarzen Kindern mit großen Kulleraugen und mittendrin: blonde, europäischen Frauen die mich mit ihrem Blick fragen: "Worauf wartest du?"

Tatsächlich habe ich mir diese Frage schon öfter gestellt. Immer dann, wenn wieder ein Facebookfreund seine Bilder aus der Arbeit im Waisenhaus geteilt hat. Eigentlich hätte ich mir in den Semesterferien auch mal zwei Wochen Zeit nehmen können, um zu helfen. Ausgerechnet ein Instagram-Profil sagt mir jetzt: Das ist Quatsch.

Es heißt Barbie Savior. Dahinter stecken zwei Amerikaner, die regelmäßig Bilder von weißen Barbiepuppen mit kleinen, süßen schwarzen Barbies auf dem Arm posten. Dazu schreiben sie Kommentare wie "Waisenkinder sind die besten Motive. So. Süß." Mit ihrer Aktion karrikieren sie Weiße, die als Helfer nach Afrika fliegen und in den sozialen Netzwerken damit angeben.

Waisenkinder erleben ständig Verluste

Eine Studie aus dem Jahr 2010 zeigt, dass die Beiden mit ihrer Kritik nicht ganz falsch liegen. Die Wissenschaftlerinnen Linda Richter und Amy Norman haben den Elendstourismus unter die Lupe genommen und kommen zu dem Ergebnis: Vor allem kurze Freiwilligenarbeit schadet mehr, als sie nützt. Einer der Gründe ist, dass sich die Waisenkinder ständig an neue Bezugspersonen gewöhnen müssen und dadurch Verlustängste erleiden. Daneben argumentieren die Forscherinnen, dass nicht immer klar ist, wer von den Reisen profitiert. Viele Anbieter verlangen schon für zwei Wochen Aufenthalt mehrere tausend Euro. Einigen Waisenhäusern und Agenturen soll weniger das Wohl der Kinder, als der eigene Profit am Herzen liegen.

Wir haben mehrere Organisationen angefragt, die Freiwilligenarbeit in afrikanische Waisenhäuser ab zwei Wochen vermitteln. Eine von ihnen hat uns schriftlich geantwortet. Zum Vorwurf, der Profit stehe an erster Stelle, erklärt sie:

"Mindestens die Hälfte des Projektpreises geht direkt in unsere Destinationen. Darin inkludiert sind die Unterkünfte für unsere Freiwilligen, Verpflegung, Transportkosten, Ausstattung und Projektmaterialien. Unser größter und wichtigster Kostenpunkt in jedem unserer Zielländer sind unsere ausgebildeten MitarbeiterInnen in Vollzeit, die für das Training und eine 24-Stunden Betreuung unserer Freiwilligen verantwortlich sind."

Projects Abroad, Organisation zur Vermittlung von Freiwilligenarbeit

Sollte das stimmen, bleibt trotzdem noch eine Menge Geld für die Organisationen übrig. Dem Vorwurf, ständig wechselnde Betreuer würden die Kinder auf Dauer psychisch belasten, entgegnen sie folgendes:

"Durch unsere organisierte, strukturierte und langfristige Arbeit in unseren Zielländern und Projekten, erleben wir eher das Gegenteil, denn wir können garantieren, dass wir zusammen mit unseren Partnereinrichtungen die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen langfristig fördern."

Projects Abroad, Organisation zur Vermittlung von Freiwilligenarbeit

Also sollte ich doch für zwei Wochen nach Afrika fliegen? Nein, sagt Sylva Ullmann von weltwärts, die unter Anderem mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zusammenarbeiten.

"Die Arbeit mit Kindern erfordert, dass Vertrauen aufgebaut wird. Das ist ein langfristiger Prozess. Am Anfang tasten sich die Kinder vorsichtig heran, später öffnen sie sich immer stärker. Irgendwann kommen sie und wollen sogar kuscheln, ein großer  Vertrauensbeweis, der in eine große Enttäuschung münden kann, wenn die Betreuer ständig wechseln."

Sylva Ullmann, weltwärts

Hilfe muss nichts kosten

Die Freiwilligenorganisation "weltwärts" wird vom deutschen Entwicklungsministerium gefördert. Sie zeigt, dass es auch anders geht. Denn der Dienst kostet nichts, für die Teilnehmer fallen lediglich Reisekosten oder Unkostenbeiträge für Unterkunft und Verpflegung an. Außerdem vermittelt "weltwärts" keine Helfer unter 12 Monaten. Die Destination kann man sich nicht unbedingt aussuchen, es wird nur in Regionen vermittelt, in denen wirklich Hilfe gebraucht wird.

Wenn ich in einem Waisenhaus helfen möchte, sollte ich mir also ein Jahr Zeit nehmen und Angebote vergleichen. Oder ich wähle ein anderes Angebot und bleibe nicht so lange. Ein Freund von mir war zum Beispiel während des Studiums über seine Universität drei Monate lang als Fußballtrainer in Namibia. Er hat dort ein Turnier ausgerichtet und sagt heute:

"Durch die Spenden beim Turnier konnte der Verein neue Bälle und Trikots kaufen. Außerdem haben die Spieler auf jeden Fall sportlich profitiert. Ich bin mir sicher, dass ich damit etwas bewirken konnte."

Niklas Schenk, Freiwilligenarbeiter in Namibia


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