Zwischen Demokratie-Spam und digitaler Partizipation Bringen Online-Petitionen wirklich was?
Von Psychiatriegesetz bis Kruzifixbeschluss: In Bayern stehen Petitionen gegen Regierungsvorhaben gerade hoch im Kurs, Hunderttausende unterzeichnen im Netz. Aber was bewirken diese Klicks wirklich?
Vom Regensburger Psychologie-Studenten zum Anführer einer mittelgroßen politischen Protestwelle - für Tarek Carls, 23 Jahre alt, hat das gerade mal eine gute Woche gedauert. Begonnen hat es damit, dass sich Tarek wahnsinnig geärgert hat über den Kruzifix-Beschluss von Ministerpräsident Markus Söder. Weil der Beschluss für Tarek nicht zu einem modernen und weltoffenen Bayern passt. Also hat Tarek, der sowohl Vorsitzender der Jungen Liberalen in Regensburg als auch studentischer Sprecher der Uni Regensburg ist, eine Petition gestartet. Unter dem Titel "Kein #Kreuzzwang in öffentlichen Institutionen" fordert er Söder dazu auf, den Beschluss zurückzuziehen.
Weit über 40.000 Leute haben inzwischen unterschrieben. Nur: Was bringt so eine Online-Petition? Sind das nicht nur Links, die man vielleicht mal anklickt, aber fünf Minuten später auch schon wieder vergessen hat? Was muss man tun, um mit Online-Petitionen etwas zu erreichen?
Rechtlich kann auch ein Einzelner sich beschweren - praktisch aber bringt das kaum was
Tarek hält eine Petition vor allem deshalb für sinnvoll, weil sie ihm die Möglichkeit gibt, zu sagen: "Ich stehe nicht alleine da. Ich kann immer sagen: Hey, über 43.000 Bürgerinnen und Bürger sehen das ähnlich wie ich.“ Das, so sagt er, verleiht seiner Aussage mehr Gewicht: "Mit einer Petition habe ich schneller einen Fuß in der Tür. Ich kann die betreffenden Stellen in den Diskurs zwingen. Als Einzelmeinung ist das oftmals schwer.“
Wobei rein rechtlich bereits eine Einzelmeinung für eine Petition beim Landtag reicht. In Artikel 115 Absatz 1 der Bayerischen Verfassung steht nämlich:
"Alle Bewohner Bayerns haben das Recht, sich schriftlich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Behörden oder an den Landtag zu wenden."
- Bayerische Verfassung
Aber wer als Einzelner einen Beschwerdebrief beim Landtag abgibt, hat nicht allzu große Erfolgsaussichten. Die Standard-Reaktion lautet: "Erledigt durch Erklärung der Staatsregierung - negativ.“ Also: schnell abgehandelt, nichts passiert. So ging das zwei Drittel der 4.500 Petitionen , die zwischen 2013 und 2016 beim Landtag angekommen sind. Dass eine Petition wirklich was ändert, ist eher selten. Denn in der Verfassung steht zwar das Recht, sich zu beschweren - aber erstmal keine Pflicht für die Regierung, was zu ändern.
Gesetz gestoppt - aber: "Die Petition allein hat’s nicht geschafft“
Und dennoch: Petitionen stehen in Bayern gerade hoch im Kurs: Über 131.000 Menschen haben unterschrieben, um das neue Polizeiaufgabengesetz zu verhindern. Gegen das Psychiatriegesetz sind es sogar 111.000 - und die können schon einen Erfolg verbuchen, sagt Organisator Uwe Hauck: "Wir haben die Petition abgegeben und eine halbe Stunde später wurde das Gesetz in der Form gestoppt. Das war natürlich sehr schön.“ Aber Hauck ist Realist: "Die Petition allein hat‘s nicht geschafft. Aber in Summe mit dem restlichen öffentlichen Druck und der Menge an Personen, die unterschrieben haben, hat sie auf jeden Fall Eindruck hinterlassen.“
Kritiker sagen, mit Petitionen gewinnt die Faulheit gegen die Demokratie, weil nur noch geklickt wird. Aber da widerspricht Tarek Carls. Er findet, Petitionen sind eine wichtige Ergänzung für die Demokratie:
"Es ist einfacher eine Petition zu unterschreiben als auf die Straße zu gehen oder sich bei einer Partei zu engagieren. Mit einer Petition erreiche ich auch diejenigen, die sich sonst nicht am demokratischen Prozess beteiligen würden, obwohl sie eine ganz klare Meinung zum Gesetzentwurf haben."
Tarek Carls
Erst Medien und Oppositions-Politiker geben einer Petition ihre Wucht
Carls und Hauck sind sich einig: Jeder Klick hat ihnen geholfen - aber die Klicks allein reichen nicht. Man muss auch die Medien involvieren und Polit-Profis aus der Opposition dazu holen, sagt Hauck: "Diese Kombination hat uns geholfen, eine relativ medienwirksame Übergabe machen zu dürfen. Sonst hätten wir die Petition wohl irgendwo am Empfang abgegeben und keiner hätte es wirklich mitbekommen.“
So aber war die Übergabe in einem Saal im Landtag und das Gesetz wurde gestoppt. Sieben Tage nach dem ersten Klick.
Sendung: Filter, vom 14. Mai 2018 - ab 15 Uhr