Meinung zum World Emoji Day Warum es gar nicht genug Emojis geben kann
Sobald neue Emojis vorgestellt werden, die Minderheiten repräsentieren, ist der Aufschrei im Netz groß: das braucht niemand und macht alles komplizierter. Unsere Autorin findet aber, dass jeder ein passendes Emoji verdient hat.
Im Spätsommer dieses Jahres ist es soweit: Google wird mit seinem nächsten Update 53 geschlechtsneutrale Emojis einführen. "Personen" nennen sich die neuen Bildchen und sie sollen Inklusion und Diversität schaffen. Und wie bei jedem solcher Updates lässt der Hass im Netz nicht lange auf sich warten. Auf Twitter schrieb ein User beispielweise, dass damit "eine perverse Entartung gefördert" würde, jemand anderes twitterte: "Wir wollen keine genderneutralen Emojis". Laut einer Umfrage unter Smartphone-Besitzern sind 43,4% genervt davon, wenn Emojis vielfältiger werden, um verschiedene Geschlechter oder Kulturen zu berücksichtigen. Aber was ist eigentlich das Problem, wenn den Menschen, die in unserer Gesellschaft so gut wie nicht sichtbar sind, ein kleines Bildchen gewidmet wird? Alle anderen haben schließlich auch eins.
Fünf Emojis für Briefkästen stören auch keinen
Ganz ehrlich: Es gibt kein Problem mit vielen Emojis! Sollte es zumindest nicht. Es bleibt schließlich immer noch jedem selbst überlassen, ob er ein Emoji verwenden möchte oder nicht. Es stört ja auch scheinbar niemanden, dass es fünf verschiedene Emojis für Briefkästen gibt. Oder acht verschiedene Bücher. Sobald Emojis aber den Menschen mit all seinen Unterschieden und Besonderheiten darstellen sollen, ruft das die Konservativen auf den Plan. Sobald es um reale Gefühle und den Respekt für andere Lebensrealitäten geht, hört bei einigen Menschen die Toleranz auf. Muss ja irgendwann auch mal Schluss sein. Als nächstes installieren wir noch genderneutrale Toiletten und führen das dritte Geschlecht ein. Ach Moment. Das gibt es ja alles schon.
Von einer heilen Welt, in der wir alle so akzeptieren, wie sie sind, scheinen wir trotzdem noch weit entfernt zu sein. Egal ob es um nicht-binäre Menschen, Trans- oder Intersexuelle geht, um People of Colour, Geflüchtete, Migranten oder Menschen, die einfach nur einer fremden Religion angehören: Für viele gehört Rassismus, Diskriminierung oder Ausgrenzung zum Alltag. Auch auf dem Handydisplay. Denn bis jetzt haben nicht alle ein passendes Emoji für sich selbst.
Noch mehr Emojis in der Pipeline
Ein Beispiel: Vergangenes Jahr schlug Apple eine Reihe von Emojis vor, die Menschen mit Behinderung besser repräsentieren sollen. Darunter sind Personen im Rollstuhl, ein Blindenführerhund, ein Ohr mit Hörgerät und eine Armprothese. Apple hat für die Entwicklung der Bildchen unter anderem mit einem Blindenverband und einer Stiftung, die sich für Menschen mit Kinderlähmung einsetzt, zusammengearbeitet. Gemeinsam haben sie 13 neue Emojis entwickelt, die natürlich noch lange nicht alle Arten und Formen von Behinderungen abbilden. Es ist aber ein Anfang.
Klar, es ist wahr, dass jedes neue Emoji das Handydisplay noch unübersichtlicher macht. Aber das kann nicht das Argument gegen mehr Emojis sein. Stattdessen müssen einfach die Softwarehersteller ran und Emojis endlich einfacher durchsuchbar machen.
Diskriminierung auf dem Display beenden
Für so manchen mögen mehr Emojis "unnötig", "kompliziert" oder "Sachen, die die Welt nicht braucht" sein. In Wahrheit kann es aber nicht genug von ihnen geben. Bisher gibt es insgesamt 427 offiziell anerkannte Emojis, die Personen, Körperteile oder Gesichtsausdrücke darstellen. Auf der Welt leben etwa 7,5 Milliarden Menschen. Es wäre also ziemlich gewagt, zu behaupten, dass es jetzt schon für jede Form des Menschseins ein Emoji gibt.
Das zu behaupten, fällt aus einer privilegierten Position heraus aber natürlich sehr leicht. Regelmäßige Diskriminierung gehört als hörender, sehender, gehender, heterosexueller, weißer Mensch nicht zum Alltag. Aber nur, weil etwas nicht zur eigenen Lebensrealität gehört, heißt das nicht, dass es für andere Menschen unwichtig wäre. Jeder Mensch verdient, gehört und gesehen zu werden. Und wenn der Anfang auf unseren Handydisplays in einem Emoji steckt, ist das besser, als wenn sich nichts verändert.
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Sendung: PULS am 17.07.2019 - ab 15.00 Uhr