Meinung zur Klimadebatte Wer das Klima retten will, braucht einen Facebook-Account
Wer in den Kommentarspalten auf Facebook abhängt, der merkt schnell: Dort wird heftig über die Klimastreiks gehatet. Doch die Generation, die dafür auf die Straße geht, ist nicht mehr auf Facebook. Ein Problem, findet unser Autor.
Gleich vorneweg erstmal ein Disclaimer: Nein, ich werde nicht von Facebook bezahlt und das ist auch keine versteckt bezahlte Werbung vom Netzwerkriesen (#teamöffentlichrechtlich). Trotzdem wünsche ich mir, dass sich in den nächsten Tagen bitte massenweise Teenies bei Facebook anmelden. Grund dafür sind Kommentare wie diese zur Klimadebatte:
"Und was qualifiziert ein Kind sich ne Meinung dazu zu bilden das weder Erfahrung hat noch irgendwas geleistet hat?"
Facebook-User Uwe unter einem Posting der WELT
"Kinder hört endlich auf rumzunörgeln, geht (auch freitags) zur Schule und beschäftigt euch nachmittags mit dem Pflanzen von Bäumen und schmeißt das Handy mal für ‘ne Weile weg."
Facebook-Userin Inka unter einem Posting der Tagesschau
"was hat greta für die umwelt getan ? worte, geheule wie schlecht ihre kindheit war und müll. wir haben damals müll von der schule aus gesammelt und glas und papier gesammelt und unser taschengeld aufgebessert"
Facebook-Userin Yvette unter einem Posting der AfD
Und die sind noch eher harmlos. Besonders extrem ging es vor kurzem in der Facebook-Gruppe "Fridays for Hubraum" zu. Die hatte innerhalb weniger Tage mehrere hunderttausend Fridays for Future-Hasser vereint. Die schaukelten sich so sehr hoch, dass dort öffentlich Mordaufrufe gegen Greta Thunberg standen. Die Admins mussten die Stimmung in der Gruppe erstmal abkühlen und haben zu krasse Postings gelöscht. Das große Problem an diesen oder ähnlichen Kommentaren: Sie bekommen oft mehrere hundert Likes und werden abgefeiert, ohne dass jemand widerspricht. In vielen Facebook-Kommentarspalten werden demonstrierende Schulkinder mehr verachtet als ein zehnfacher Vergewaltiger, ein Pickel am Arsch oder Kim Jong-un.
Einseitiger Generationenkampf auf Facebook
Wenn man sich die Profile hinter diesen Kommentaren anschaut, fällt auf, dass dort vor allem ältere Menschen abhaten. Wenig überraschend, denn in Deutschland sind nur noch 61 Prozent der 14- bis 19-Jährigen bei Facebook angemeldet. Bei den über 60-Jährigen sind es zum Vergleich 70 Prozent. Auf der Plattform findet also ein Generationenkrieg statt, an dem die Generation, die angegangen wird, nur teilweise teilnimmt.
Ich kann schon verstehen, dass sich viele von uns dort nicht mehr anmelden wollen. Wer hat schon Bock, sich auf einer Plattform rumzutreiben, wo hauptsächlich Eltern und Großeltern unterwegs sind. Das wird für die Klimadebatte aber zunehmend zum Problem: Denn die Hater bleiben unter sich und fühlen sich durch eine fehlende Gegenmeinung bestätigt. Die Fridays for Future-Demonstrant*innen werden wild beschimpft und kaum einer schreitet ein. Weil die, um die es geht, davon gar nichts mitbekommen. Die sind abgeschirmt auf Instagram, TikTok oder Snapchat unterwegs, wo die Welt so aussieht, als hätten alle Bock auf Klimademos. Die Realität ist leider anders.
Diskutiert wenigstens ab und an mit!
Ich weiß, dass Facebook mehr als genug Dreck am Stecken hat: Datenskandale, Probleme im Umgang mit Hasskommentaren, die Liste ist lang. Trotzdem sollten sich alle Schüler*innen, denen das Klima am Herzen liegt, dringend einen Facebook-Account erstellen und wenigstens einmal pro Woche mitdiskutieren. Wer das Klima retten will, muss sich auch mit den Gegnern auseinandersetzen und versuchen sie zu überzeugen. Und die sind nun mal vor allem auf Facebook unterwegs.
Also spread the word: Schickt diesen Artikel per WhatsApp, Instagram oder was auch immer an eure kleinen Geschwister, Cousins und Cousinen und alle, die auch gerne in Zukunft einen lebenswerten Planeten haben wollen, aber noch keinen Facebook-Account haben.
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Sendung: PULS am 01.10.2019 – ab 15 Uhr.