Interview zu Künstlicher Intelligenz "Bilderkennung ist die größte Herausforderung"
Die Datenbank Pic2Recipe soll zu Foodporn-Fotos die passenden Rezepte liefern. Läuft allerdings noch so lala. Technikphilosoph Mads Pankow ist aber zuversichtlich: Er sagt, dass KI mal echt was bringen wird - auch beim Geschmack.
PULS: Als wir bei Pic2Recipe ein Foto von Eis am Stiel eingegeben haben, wurde uns ein Rezept für gesunde Backpflaumen-Pralinen ausgespuckt. War auch lecker, aber halt kein Eis. Ist die künstliche Intelligenz, kurz KI, also noch doof?
Mads Pankow: Künstliche Intelligenz kann auf Tage und Wochen genau das Wetter voraussagen, da denkt man: Die muss doch Backpflaumen von anderen Dingen unterscheiden können. Aber tatsächlich ist Bilderkennung die größte Herausforderung. Nicht weil KI zu langsam ist oder schlecht programmiert - sondern weil sie ganz anders arbeitet als menschliches Bewusstsein. Wenn wir ein flauschiges Ohr sehen, dann ist das eine Katze. Ein Computer hat manchmal schon ein Problem zu sagen, ob auf einem Foto eine Katze ist. Für den hat nach seiner Definition eine Katze vier Beine. Sind nur zwei zu sehen, kann das für den Computer ebenso ein Storch sein.
Das Rezept zu diesem Foto haben wir auf Pic2Recipe gesucht...
...ausgespuckt hat uns die Datenbank das Rezept für diese Backpflaumen-Pralinen. Da ist definitiv noch Luft nach oben.
Was passiert, wenn ich das Programm mit dem Eis am Stiel-Foto füttere? Wie schließt das Programm da zur Backpflaume in Schokolade und Himbeerpuder?
Die KI wird davor mit Massen an Daten gefüttert, mit Essensfotos und den Rezepten dazu. KI und Bilderkennung sind nur so schlau, wie die Bilder und die Bezeichnungen, die durch Menschen eingepflegt wurden. Wenn sich dann Farben oder Formen ähneln, sagt der Algorithmus vielleicht: Backpflaumen sind rot-braun und rund, das habe ich beim Eis auch erkannt, dann muss das eine Backpflaume sein. KI weiß nicht, dass dahinter reale Gegenstände stecken. Sie erkennt nur Formen und Farben.
Was bei Essen natürlich manchmal schwierig ist. Welche speziellen Probleme hat KI in dem Bereich?
Wenn die Software die Zutaten kennt, ist es sehr einfach, dazu ein Rezept zu finden. Im Kühlschrank habe ich eine Tomate, Zucchini und ein paar Nudeln, kann man relativ leicht ein Rezept finden, auch ohne KI. Beeindruckend ist zum Beispiel, was "Watson", die künstliche Intelligenz von IBM, geschafft hat: selber Rezepte zu entwerfen. Ihm wurden zigtausend Rezepte verfüttert, daraus ist eine erwachsene KI entstanden. Der kann ich nun sagen, was ich zu Hause habe, und "Watson" kreiert ein eigenes Rezept - anhand der Geschmackskombinationen, die er kennengelernt hat.
Hast du das schon mal ausprobiert? Wie schmeckt sowas?
Ja, ich habe mir alle möglichen Sorten von Chili gesucht und Watson gesagt, dass ich nur die habe. Dann hat er mir ein relativ mildes Rezept gegeben für Hackbällchen aus diesen Chilis. "Watson" denkt zum Beispiel: Hier ist ein Rezept für Auberginensalat, du hast keine Aubergine, aber Zucchini – und woanders lässt sich Aubergine problemlos durch Zucchini ersetzen. Das funktioniert nicht immer. Wenn "Watson" gelernt hat, dass man Honig durch Zucker ersetzen kann, heißt das nicht, dass ich den auch aufs Butterbrot streuen kann. Die Geschmacksergebnisse sind eher bescheiden, der Reality Check fehlt.
Wo macht es dann Sinn, die KI einzusetzen?
Ich bezweifle, dass die KI irgendwann alles können wird. Auch nach 70 Jahren Forschung in dem Bereich gibt es zum Beispiel keinen Fortschritt beim künstlichen Bewusstsein und der Sinnverarbeitung. Da wird der Mensch weiter vorne stehen. Und ich glaube, KI wird sehr bald sehr praktisch in unserem Alltag mitmachen, als ein etwas schlauerer Sprachassistent, der uns nicht nur an Termine erinnert - sondern fragt, warum wir heute die Tochter nicht von der Schule abholen, obwohl wir das doch jeden Donnerstag um 15 Uhr tun.
Welchen Einfluss kann die KI dann überhaupt noch aufs Kochen in der Zukunft haben?
Ich glaube, die kann uns viel abnehmen. Gerade bei der Zubereitung von großen Mengen, in Mensen oder in Notsituationen. Da geht es darum, aus den bestehenden Mitteln etwas Nahrhaftes zu kochen. Künstliche Intelligenzen, die trainiert und vom Mensch etwas nachkalibriert wurden, können da gute Vorschläge machen. Aber Computer können nicht schmecken. Vielleicht lassen sich Sensoren bauen, die bestimmte Geschmäcker in digitale Signale übersetzen. Aber ist das wirklich schmecken? Im Gehirn passiert da mehr als nur Datenverarbeitung. Und am Ende muss es aber wahrscheinlich doch ein Mensch abschmecken.
Sendung: Filter vom 03.08.2017 ab 15 Uhr