Interview mit Moritz Hoffmann Herr Höcke und die Fakten
Nimm das, Björn Höcke! Der Historiker Moritz Hoffmann hat die Dresden-Rede des AfD-Posterboys und gelernten Geschichtslehrers Höcke auf Fakten gecheckt - bei Twitter hat er den Rotstift angesetzt!
Von: Matthias Hacker
Stand: 19.01.2017
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PULS: Moritz, du hast die Dresden-Rede von Björn Höcke genommen, deine Korrekturen mit Rotstift an der Seite notiert und bei Twitter gepostet. Dein Post hat sich dann ziemlich schnell im Netz verbreitet. Hast du damit gerechnet?
Moritz Hoffmann: Nein, damit gerechnet habe ich definitiv nicht. Als ich mir den Post ausgedacht habe, hoffte ich natürlich, dass es in meiner Timeline und bei meinen Followern auf Wohlwollen stoßen und vielleicht eine Diskussion in Gang bringen könnte - dass es jetzt so durch die Decke geht, hätte ich nicht gedacht. Sonst hätte ich das alles auch - allein grafisch - schöner aufbereitet.
Waren die Reaktionen darauf insgesamt denn eher positiv oder negativ?
Grundsätzlich waren die Rückmeldungen eher positiv als negativ, was mich sehr gefreut hat. Das Internet wird heute oft zum Meckern genutzt. Ich habe zwar auch mit vielen Usern, die sich negativ geäußert haben, lange diskutiert, aber überwogen haben vorallem Aufmunterung und Zuspruch.
Wie lang ging das denn?
Ich habe gestern (18.01.2017, Anm. d. Red) kurz nach 20 Uhr aufgehört - nach zehn Stunden Dauerdiskussion. Das hat viel Kraft gekostet. Heute Morgen habe ich direkt um 8 Uhr wieder angefangen. Vielleicht war das aber auch ein Fehler.
Hast du das Gefühl, dass du aus deiner Filterbubble mit dem Post rausgekommen und in einer Region vorgestoßen bist, die sonst von der AfD besetzt ist?
Ja, ich denke schon. Als allererstes habe ich meine eigene Filterblase erreicht und im zweiten Schritt dann warscheinlich überzeugte AfD-Wählerinnen und Wähler, die ich aber nicht vom Gegenteil ihrer Meinung überzeugen konnte. Das will ich mir auch gar nicht anmaßen.
Aber im dritten Schritt - durch die Diskussionen, die sich ergeben haben - habe ich recht viele von den unbeteiligten, mitlesenden, vielleicht noch offenen Menschen erreicht. Nicht Freunde auf der einen Seite oder klare AfD-Wähler auf der anderen Seite, sondern die, die in der Community noch indifferent dazwischen stehen, wollte ich damit erreichen. Das sind die, auf die wir zugehen müssen, denen wir zuhören und mit denen wir reden müssen.
Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Ein prominetes Zitat aus Björn Höckes Rede lautet "Die Bombardierung Dresdens war ein Kriegsverbrechen". Das hast du in deinem Post korrigiert. Warum?
Das ist einer der strittigsten Punkte. Das Problem ist grundsätzlich, dass es 1945 noch kein Luftkriegsrecht gab, da Luftkrieg noch eine recht neue Sache war und man sich damals schlicht noch nicht auf Regelungen dazu geeinigt hatte. Juristisch ist es so relativ leicht zu sagen, dass es kein "Kriegsverbrechen" ist.
Moralisch ist das eine andere Ebene: Denn man kann sagen, dass es ein unverhältnismäßiger Angriff war. Es gab durchaus militärische Ziele, dennoch wissen wir im Nachhhinein, dass diese Ziele gegenüber der in Dresden lebenden Zivilbevölkerung sehr gering waren. Gleichzeitig müssen wir aber auch davon ausgehen, dass die Briten, die diesen Luftangriff gefahren haben, nicht so gut darüber informiert waren, was in Dresden vor sich ging, da Dresden von ihrer eigenen Front im Westen entfernt lag. Das ist mit Sicherheit so nichts, was man defintiv als "Kriegsverbrechen" bezeichnen kann - weder juristisch noch moralisch. Das stört mich an diesem konservativen und rechten Erinnern: Oft wird dabei auch mit völlig überhöhten Opferzahlen hantiert - die meistens um das zehnfache vergrößert werden.
Björn Höcke sagt an anderer Stelle "Mit der systematischen Umerziehung nach 1945 gab es keine deutschen Opfer mehr, sondern nur noch deutsche Täter." Was sagst du dazu?
Das stimmt schon allein deshalb nicht, da 1946, zur ersten Jährung, mit dem offiziellen Gedenken auch in Dresden und vielen anderen Städten begonnen wurde. Dazu kommt, dass in den ersten 15 Jahren nach dem Krieg alles, was an Verfolgung von deutschen Tätern stattfand, eigentlich Werk der Allierten war. Ein Beispiel sind die Nürnberger Prozesse. Bis deutsche Gerichte, deutsche Täter verurteilten, vergingen einige Jahrzehnte.
Dieses oft verbreitete Vorurteil, dass man in Deutschland nicht über die eigenen Opfer sprechen darf, ist mir so einfach nicht begreiflich. Das war seit jeher möglich und wurde auch immer gemacht. Es gibt so viele Denkmäler, Mahnmäler für deutsche Opfer und deutsche Soldaten in der ganzen Republik.
Du bist Historiker. Björn Höcke ist selbst auch Historiker - er ist gelernter Lehrer für Geschichte. Macht das seine Worte noch brutaler?
Ja, denn ich habe den Eindruck, dass Björn Höcke oft unterschätzt wird. Er hat eine rhetorisch sehr geschickte Rede gehalten und jetzt natürlich nachgeschoben, dass er selbstverständlich missverstanden wurde. Er hat seine Rede so gehalten, dass die Leute im Saal sie auf die eine Art verstehen konnten, zum Beispiel dieses Diktum des "Denkmals der Schande für das Holocaust-Mahnmal" und dass er jetzt mit sehr guten Argumenten sagen kann, dass er das vollkommen anders gemeint hat. Je nachdem, wer sein Publikum ist, suggeriert er unterschiedliche Inhalte. Dazu weiß Björn Höcke, wie er eine Rhetorik verwenden kann. Ich halte seine Sprache gar nicht so sehr für Nazi-Rhetorik, sondern eher für eine Sprache, die von den National-Konservativen, die vor dem Dritten Reich in Deutschland aktiv waren, geprägt ist. Er kennt sich sehr gut damit aus, wie man ein Redepublikum aufputscht.
Jetzt sind wir nicht alle Historiker und haben nicht dieses Hintergrundwissen, das du hast. Sollen wir uns mit unserem Halb- oder Nichtwissen trotzdem in die Diskussion wagen?
Das ist eine schwierige Frage. Ich komme da auch selbst an Grenzen, da man als Historiker natürlich auch nicht die ganze Weltgeschichte auswendig kennt. Aber ich weiß, wo ich nachschauen muss und das ist sicher ein Vorteil. Man muss, denke ich, da aber unterscheiden zwischen einer Diskussion als politisch-interessierter Staatsbürger und als Fachperson. Wir sind aber mittlerweile als Historiker auch in Facebook und Twitter stark vertreten. Auf Twitter kann man ganz vielen von uns folgen und wir helfen da, wie ein befreundeter KfZ-Mechaniker, gerne mit Daten und Fakten weiter. Am besten mich oder andere Historiker auf Twitter ansprechen, wir kommen gern zur Hilfe!