Online-Dating Warum Instagram das neue Tinder ist
Tinder gilt als die erfolgreichste Online-Datingapp. Noch. Denn Instagram holt auf. Wir haben mit einem Paar gesprochen, dass sich dort kennengelernt hat und verraten, wo sich die Erfolgsfaktoren verbergen.
Tom fand Hendrik vor etwa fünf Jahren nur aus Zufall. Er war beim Scrollen durch Instagram auf Hendriks Profil hängen geblieben, weil ihm seine Fotografien gefielen.
Damals steckten beide Jungs mitten im Abi, der eine in Mönchengladbach, der andere 200 Kilometer entfernt irgendwo auf dem Land. Als Hendrik auf Instagram postete, dass er gerade für seine Pädagogik- und Bio-Leistungskurse lernte, fiel Tom auf, dass die beiden mehr gemeinsam hatten als nur ihr Interesse für Fotografie: Denn Tom machte gerade in den gleichen Fächern Abi wie Hendrik. Also schrieb Tom Hendrik an. Mittlerweile sind sie seit mehr als vier Jahren zusammen und teilen sich eine Wohnung in Aachen.
Seit Juni 2018 hat Instagram mehr als eine Milliarde Nutzer*innen. Davon wiederum posten etwa 500 Millionen jeden Tag eine Story innerhalb der App. Manche nutzen Instagram, um ihren Alltag zu teilen, andere folgen ihren Idolen. Wieder andere schicken Memes hin und her, der nächste ist nur wegen der Outdoor-Fotos dort. Und dann gibt es jene, die Instagram auch fürs Dating verwenden. So wie Tom und Hendrik.
Zwanzigmal mehr Nutzer*innen als bei Tinder
Immer mehr Menschen lernen sich über Instagram kennen – manchmal nur für eine Nacht, manchmal auch für länger. Für Online-Dating braucht es also gar nicht mehr zwingend Apps wie Tinder, Lovoo oder Grindr. Viele nehmen stattdessen den direkten Weg über Instagram. Warum auch nicht? Schließlich tummeln sich zwanzigmal mehr Nutzer*innen dort als auf Tinder. Den Typen, der gerade aus dem Bus gestiegen ist, oder das Mädchen aus der Bar vom Vorabend wieder zu finden, ist dort also deutlich wahrscheinlicher.
Die App macht einem das außerdem sehr einfach: User können sich taggen und sich an Orten verlinken. Gemeinsame Hobbies und Interessen findet man heraus, indem man mal schnell durch die Accounts scrollt, denen der oder die andere folgt. Und anschließend Kontakt aufnehmen ist durch ein Like, einen Kommentar oder eine Reaktion auf eine Story auch ganz einfach. Die Hemmschwelle auf jemanden zuzugehen, ist auf Instagram um einiges niedriger. Man muss sich also nicht erst das Hirn über den nächsten Anmachspruch zermartern, der dann eh nach hinten losgeht.
Noch dazu ist Instagram diskreter und anonymer als Tinder, findet Hendrik: "Wenn man auf Tinder ist und das jemand sieht, der dich kennt, weiß der dann auch: Okay, derjenige sucht einen festen Partner oder nur für eine Nacht." Auf Instagram schwingt hingegen nicht ständig die Angst mit, vom Arbeitskollegen, der Chefin oder dem Dozenten beim Flirten entdeckt zu werden. Ist ja sowieso jeder dort angemeldet.
Online-Dating nimmt rasant zu
Weder Tom noch Hendrik hatten es ursprünglich darauf angelegt, ihren Partner über Instagram zu finden. Noch haben sie damals die Plattform überhaupt als Ort verstanden, den man fürs Dating nutzen kann. Warum immer mehr Menschen sich online kennenlernen, kann Hendrik aber verstehen. Er hatte für Tom am Tag ihres ersten Treffens sogar einen Liebesbrief geschrieben, weil es ihm schwerfällt, wichtige Dinge – Dinge wie "Ich liebe dich" – auszusprechen. "Ich glaube, dass sich Onlinedating in Zukunft noch weiterentwickeln wird, weil es für die Leute bequemer ist, in der eigenen Komfortzone mit anderen zu kommunizieren", sagt er.
Tatsächlich sollen sich Schätzungen zufolge 70 Prozent aller Paare im Jahr 2040 online kennenlernen. Allein in Deutschland gab es schon vor zwei Jahren mehr als 135 Millionen Mitgliedschaften bei Online-Dating-Portalen. 2010 waren es gerade mal knapp halb so viele.
Instagram gilt unter den sozialen Netzwerken, als die am schnellsten wachsende App. Wie gut die Plattform inzwischen tatsächlich als Dating-App funktioniert und wie beliebt sie auch bei User*innen ist, zeigt schon eine kurze Google-Suche.
Artikel, Ratgeber und Kolumnen geben Tipps, wie Dating auf Instagram am besten laufen soll. Wieder andere wollen einem erzählen, wie das perfekte Profil auszusehen hat, um überhaupt angeschrieben zu werden. Irgendwie muss man ja herausstechen, aus der restlichen Milliarde Instagram-Accounts.
Weder Tom noch Hendrik haben sich übrigens vor ihrem Kennenlernen an irgendeinen dieser Tipps gehalten. Geklappt hat es auch so. Vielleicht gerade deswegen.
Sendung: PULS vom 13.08.2019