Facebook nach dem 13.11. von Paris Solidarität im Profilbild - ja oder nein?
Halb Facebook diskutiert gerade heftig ums Profilbild. Nach den Anschlägen in Paris haben viele Nutzer ihr Bild mit der Frankreichflagge oder Peacesymbolen hinterlegt. Anderen passt das überhaupt nicht. Worum geht's beiden Seiten?
Ein paar Klicks und schon liegt ein blau-weiß-roter Schleier über dem Profilbild: Facebook bietet eine eigene Funktion an, um Mitgefühl nach den Anschlägen in Paris auszudrücken. Andere nehmen ein Peacezeichen mit dem Eiffelturm in der Mitte. Und wieder andere beschimpfen diejenigen, die ihr Profilbild verändern. Nicht weil die Anschläge sie kalt lassen, sondern weil bei Anschlägen in anderen Teilen der Welt nur wenige ihr Profilbild verändern. Auch in unserer Redaktion sind sich nicht alle einig.
Pro: Warum es okay ist, mit seinem Profilbild Solidarität zu bekunden
Normalerweise ändere ich nicht gerne mein Facebook-Profilbild, einfach weil es Zeit braucht. Damit meine ich aber nicht den technischen Vorgang des Hochladens. Das Profilbild ist öffentlich, jeder im Netz kann es sehen, was für mich einem Statement gleichkommt. Es geht um Außenwirkung, über die ich mir - je öffentlicher sie ist - zumindest kurz Gedanken machen möchte. Und weil ich meistens keine Zeit und Geduld für solche Extra-Gedanken habe, lasse ich alles beim Alten.
Diesmal habe auch ich mein Profilbild geändert. Die Anschlagsserie in Paris hat mich irgendwie persönlich erwischt.
Freitag, 13. November. Ich bin auf einem Konzert, Indieband, kleiner Club, ein richtig guter Abend, bis alle von Anschlägen in Paris reden und ich den Rest der Nacht vor dem Fernseher, Facebook und Twitter verbringe. Die Peace-for-Paris-Zeichnung des französischen Künstlers @jean_jullien wird von einem Radiosender geteilt und drückt in einem Bild alle Gefühle aus, die gerade in mir vorgehen: Frieden für diese malträtierte Stadt. Frieden, und zwar für diese Menschheit, die sich gegenseitig aus den verschiedensten Gründen abschlachtet.
Ich habe mein Profilbild geändert, um öffentlich zu machen, wie ich mich gerade fühle. Um ein Zeichen zu setzen. Es war der schnellste Weg. Auch der einfachste. Aber was soll ich Freitagnacht in München sonst noch tun, außer mit Freunden zu telefonieren, meiner Cousine, die vier Jahre in Paris gelebt hat und vor einem Monat wegzog, eine SMS zu schreiben und eben das: "Peace for Paris" verbreiten.
Kurz darauf bietet Facebook an, dass ich mein Profilbild aus Solidarität zu Frankreich mit den französischen Nationalflaggen hinterlegen könnte, was ich wie alles, was mir Facebook direkt vorschlägt, intuitiv ablehne. Die Profilbilder vieler Freunde verfärben sich, mein 16-jähriger Großcousin, der gerade ein Austauschjahr in der Bretagne macht, ist als erster blau-weiß-rot. Ich like es, ich denke an ihn. Ein anderer Freund postet: "Ich frage mich, warum man seine Trauer und Solidarität mit den Terroropfern von Paris in so einem Nationalflaggen-Fetischismus ausdrücken muss."
Ich verstehe, was er meint, ich habe es auch nicht mit Nationalflaggen, ich halte die französische Gesellschaft, das soziale Gefälle zwischen Oberschicht und Banlieue für extrem problematisch, aber ich denke mir trotzdem: Depp. Weil ich weiß, dass es meinem Großcousin um etwas anderes ging. Es ging ihm um die Werte des demokratischen Frankreich, um Solidarität und Mitgefühl mit Menschen, die getötet wurden, Angehörige, die damit fertig werden müssen und ein Land, das in Angst lebt. Dass er diese Gefühle eher bei Frankreich spürt, ein Land, dessen Sprache er gerade versucht zu lernen, das nun mal "nebenan" ist und nicht mit Beirut, für das Facebook keine Flagge bereitgestellt hat (was wiederum Facebooks Problem ist), ist so menschlich wie unreflektiert, wie das meiste, was wir tun.
Eine Freundin postet derweil ein Mem, auf dem ein Junge abgebildet ist, der jubelnd vor dem Rechner sitzt, und "Profilbild geändert, Terrorproblem gelöst."
Auch das geht mir tierisch auf die Nerven, weil sie damit Leuten unterstellt, zu glauben, dass sie mit geänderten Profilbildern irgendwas gegen Terrorismus unternehmen könnten. Es ist nicht mehr als ein Statement. Ein Profilbild geht zwar vordergründig nach außen, es ist aber vor allem ein Spiegel des inneren Zustandes und damit gleichzeitig hochprivat. Bei Netzaktivismus kommt meistens nicht mehr rum als ein Zeichen, nicht mehr und nicht weniger. Und im Umkehrschluss heißt das auch: Wer sein Profilbild nicht ändert, hat damit genauso viel oder wenig getan. Dieselbe Freundin, die das Mem postete, hat übrigens heute eine Sprechblase von netzfeuilleton.de geteilt mit dem Satz: "Nur weil die Täter 'Allahu Akbar' rufen, stehen sie noch lange nicht für den Islam. Pegida ruft ja auch 'Wir sind das Volk'."
Dazu kann ich nur sagen: Guter Satz, nettes Statement, aber auch damit hat sie die Welt noch keinen Fitzel weit bewegt, vielleicht war da auch nur dieses Gefühl, gerade jetzt den eigenen Standpunkt vertreten zu wollen.
Contra: Was haben Trauer und Solidarität mit dem Profilbild zu tun?
10. Oktober Türkei, Anschlag auf eine Demo, 102 Tote. 31. Oktober Ägypten, Bombenanschlag auf ein Flugzeug, 224 Menschen aus Russland sterben. 12. November Libanon, 44 Tote bei einem Doppelanschlag. Ich habe keine russischen oder türkischen und nur sehr wenige libanesische Fahnen in Facebook-Profilbildern gesehen. Warum jetzt die Tricolore als Profilbild? Weil Frankreich näher an Deutschland liegt? Das würde zeigen, dass Tote weiter weg uns nicht jucken. Oder etwa jetzt die Fahne, weil die Anschläge westlichen Werten, also irgendwie auch uns gegolten haben? Das kommt mir auch komisch vor. Als würden wir uns in einem Kulturkampf kurz vor der Entscheidung befinden. Als würden aus Angst vor Terrorismus demnächst Cafés geschlossen, wenn wir uns nicht sofort zu unseren Werten bekennen. Die Toten sind dann nur Nebensache.
Und dann kommt der Vorschlag und die App zum Profilbild beflaggen, von dem Unternehmen, dass zwar nackte Brüste sperrt, aber sonst so ziemlich jeden Mist geschehen lässt. Facebook sagt mir, wie ich mit nur fünfeinhalb Klicks meine Unterstützung für Frankreich und die Menschen in Paris zeigen kann. Genau wie meine Freunde - und wir alle versichern uns gegenseitig in unser Filterbubble per Profilbild, dass wir zu den Guten gehören. Wahlweise kann ich im Scrolldown-Menü aber auch eine NBA-Basketballmannschaft auswählen und mit der mein Profilbild flaggen. Neee.
Da schon lieber das Peacezeichen mit Eiffelturm, das gerade rumgeht. Oder das, wo "Paris Ankara Beirut Irak Syrien" rundherum stehen. Aber auch das würde ich nicht zu meinem Profilbild machen. Ich habe gar nichts dagegen, wenn andere das machen, aber mir käme das so vor, als würde ich mir eine Parole fett auf die Stirn malen und so rumlaufen. Vielleicht bin ich auch einfach nur zu zurückhaltend. Denn klar: Auch ich bin erschüttert, voller Mitgefühl, traurig. Nur weiß ich nicht, was das mit meinem Profilbild zu tun hat.
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Herbert Paul, Samstag, 21.November 2015, 20:12 Uhr
5. Profilbild
Im Abschnitt Kontra wird behauptet, dass die gezeigte Trauer etwas mit der Nähe zu Frankreich zu tun hat. Und warum bei Anschlägen andernorts keine Fahnen gezeigt werden.
Das ist doch Unsinn. Es mag vielmehr daran liegen, dass die Franzosen unsere Freunde, Brüder und Schwestern sind
Das kann von vielen andefen Staaten eben nicht behaupten
Barbara, Dienstag, 17.November 2015, 17:11 Uhr
4. Wer Symbole verwendet, der sollte wissen,
daß das umgedrehte Pestkreuz, das viele als vermeintliches "Friedens-Symbol" verwenden, der sog. "Truden-Fuß" ist. Dieses Symbol ist seit jeher das Symbol des Teufels! Alle diejenigen, die den Eiffel-Turm so darstellen, als sei er ein umgedrehtes Pestkreuz, also ein sog. "Truden-Fuß", sollten bedenken, daß sie dem wahren Frieden damit keinen Gefallen tun, denn das umgedrehte Pestkreuz oder der sog. "Truden-Fuß" ist und war schon immer das Symbol des Teufels!
Antwort von Zoot, Dienstag, 17.November, 18:28 Uhr
Sorry, aber das ist totaler Quatsch. Das Peace-Zeichen hat nichts mit dem Pentagramm zu tun. https://de.wikipedia.org/wiki/Friedenszeichen
Wohl zu viel Death-Metal gehört?
Antwort von Fränki, Mittwoch, 18.November, 09:20 Uhr
Liebe Barbara,
halte es doch einfach mal mit Herrn Nuhr: "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten!" Das stünde hier sowieso ganz vielen gut zu Gesicht.
Drudenfuß? Das in den Eiffelturm eingebrachte Zeichen stellt das sog. Peace-Symbol dar. Entworfen wurde es in den 1950ern von einem brit. Grafiker und zeigt im Winkeralphabet die Buchstaben "N" und "D". Sie wurden zur Kampagne für nukleare Abrüstung (Campaign for Nuclear Disarmament) entworfen.. Mittlerweile wird es wohl weltweit als Friedenszeichen verwendet und angesehen.
Zum eigentlichen Thema hier nur soviel. Jeder soll es halten, wie sie/er gerne möchte. Ob ich mein Profilbild zu irgendeinem Anlass abändere oder nicht, hat auf das Leben eines anderen keine Auswirkung. Okay, möglicherweise findet die ein oder andere Person das doof - darf sie auch! Mich dafür jedoch zu rechtfertigen ist Vergeudung von Energie, ebenso Missfallensäußerungen dazu!
Ne schöne Jrooß ahn all die, die unfählbar sinn.. (W. Niedecken)
Antwort von Barbara, Mittwoch, 18.November, 15:11 Uhr
So viel Unwissenheit ist unverzeihlich! Das umgedrehte Pest-Kreuz, das viele für das "Peace-Symbol" halten, ist seit 2000 Jahren das Symbol des Teufels! Wer das nicht weiß und auch nicht glauben will, der lese bitte nach im Lexikon der christlichen Kunst, wo alle wichtigen Symbole genau erklärt werden. Sekundär-Literatur oder Wikipedia hilft hier nicht weiter!
Robbi, Dienstag, 17.November 2015, 15:04 Uhr
3. Gehype
Ich habe meine Profilbild auch geändert und wurde damit sofort konfrontiert. Nur leider von den die sich in dieser schwierigen Thematik meist nie äußern und wenn mit wenig Ernsthaftigkeit. Klar Humor ist immer entwaffnet.
Ich denke jeder Mensch darf sein Mitgefühl auf die eine oder andere weise zeigen, froh bin ich das so viele Solidarität momentan im Gespräch ist, ob mit geänderte Profilbild oder nicht.
Doch wie wahnsinnig ist es sich zu duellieren welches Mitgefühl mehr Gewicht bekommt.
Menschen die sich wirklich mit der heiklen Thematik auseinander setzten, hab die nötige Sensibilität sich auf diesen Konflikt nicht einzulassen, sondern erkennen die schöne Vielschichtigkeit der Menschheit und die ernsthaftigkeit der Situation, egal auf welchem Haufen Erde.
TomW, Montag, 16.November 2015, 22:50 Uhr
2. Der Irrsinn in unserer Gesellschaft
Es geht mir tierisch auf die Nerven, dass die Medien anscheinend nur noch zwei Themen kennen: "Terrorismus" und "Flüchtlinge". Jedes Jahr sterben in Europa rund 26.000 (!) Menschen im Straßenverkehr. Die meisten davon, weil es irgendwelchen Idioten nicht schnell genug gehen kann. Diese Tode sind ebenso sinnlos wie vermeidbar. Warum empfindet hier niemand Trauer, Entsetzen und Empörung? Warum ändert hier niemand aus Solidarität sein Facebook-Profilbild? Warum handelt die Politik hier nicht? Wir betrauern Terroropfer und tote Flüchtlinge, nicht jedoch Verkehrsopfer? Das ist pervers! Warum wird dieses Thema nicht in den Medien mit der gleichen Intensität wie Terrorismus und Flüchtlinge dargestellt, um die Gesellschaft und die Politik auf diesen Irrsinn aufmerksam zu machen?
Gerhard Reinig, Montag, 16.November 2015, 21:26 Uhr
1.
Bei mir ist es die tiefe Freundschaft, die mich zu Frankreich verbindet.
Jahrhunderte lang haben wir und gegenseitig abgeschlachte. Im ersten Weltkrieg sogar noch schlimmer als im zweiten.
Doch jetzt besteht Freundschaft zwischen unseren Völkern.
Eine Freundschaft, die vieleicht (so Makaber es klingt) sogar nur durch dieses gegenseitige Abschlachten entstehen konnte.
Es sind direkte Freunde, die dort getötet wurden, so wie der Schwede, der Rumäne, der Engländer, der Chinese mit Bauchschuss (Gesudheitszustand unbekannt) und viele andere.
Ich trauere auch um die 230 Russen des Airbus über Agypten, denn es mag dahin gestellt sein, ob man Putin zur Zeit mag oder nicht, es waren ebenfalls unschuldige Menschen.
Paris ist zu Symbol geworden für alle Völker, die durch den Terror des IS Leid erfahren musste. Deshalb trägt mein Profilbild die Farben der Tricolore.