Goldrausch digital Fünf Dinge, die ich gelernt habe, als ich versucht habe mit Kryptowährungen reich zu werden

Unser Autor hat drei Monate über Kryptowährungen recherchiert und sein komplettes Honorar in digitales Geld investiert, um zu sehen, was am Bitcoin-Hype dran ist. Reich geworden ist er nicht, gelernt hat er trotzdem eine Menge.

Von: Max Muth

Stand: 09.04.2018 | Archiv

Mann mit Lupe sucht nach Bitcoins | Bild: BR

1. Bitcoin ist nicht mehr das, was es mal war

Als ich 2013 zum ersten Mal Bitcoins gekauft habe, da war das noch das Experiment von ein paar Informatik-Nerds und Idealisten, die Banken abschaffen und anonym Drogen im Internet kaufen wollten. Auf Meetups waren häufig nur die Veranstalter selbst und das Wort "Investment" habe ich damals überhaupt nie gehört.

Heute füllen die Treffen von Bitcoin-Enthusiasten ganze Wirtshäuser. Zu den Informatiknerds sind jede Menge Anzugtypen mit Dollarscheinen in den Augen gekommen, die möglichst schnell möglichst reich werden wollen. Das ist zwar nicht sehr sympathisch, aber total verständlich, weil in den letzten Jahren tatsächlich viele Menschen mit Bitcoins sehr reich geworden sind. 

2. Niemand blickt wirklich durch

Mittlerweile gibt es neben den altehrwürdigen Krypto-Dinosauriern Bitcoin und Ether noch etwa 1.500 andere Kryptowährungen oder Krypto-Tokens - Tendenz steigend. Alle behaupten irgendwie, mit Hilfe von Blockchain-Technologie die Welt zu verändern und ihre Investoren sagenhaft reich zu machen. Im zugehörigen Begleitpapier, dem Whitepaper, kann man nachlesen, wie das funktionieren soll - theoretisch. Denn um zu verstehen, was da drin steht, und um rauszufinden wie hoch der Bullshit-Anteil ist, muss man gleichzeitig Mathegenie, Informatiker und Anwalt sein. Der Rest der Krypto-Investoren (alle außer vielleicht 100 Menschen auf der Welt) muss sich auf Hype, Hörensagen und Bauchgefühl verlassen. Selbst erfahrene Investoren sagen: It’s a Casino. Das kann Spaß machen, wenn man der Typ dafür ist. Seriöse Altersvorsorge sieht aber anders aus.

3. Investieren in Kryptowährungen ist komplizierter als gedacht

Mal schnell Bitcoin kaufen ist heute nicht mehr drin. Außer man kennt jemanden, der einem privat ein paar verkaufen will. Sich bei Tauschbörsen zu registrieren ist ähnlich aufwändig, wie ein Bankkonto zu eröffnen. Andere Kryptowährungen als Bitcoin oder Ether zu kaufen ist nochmal deutlich komplizierter. Neuere und exotischere Währungen und Tokens werden nur auf bestimmten Börsen gehandelt, am Ende hat man sieben Accounts und genauso viele Passwörter. (Warum das ein Problem sein kann: siehe Punkt 2)

4. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, sein Geld zu verlieren.

Die einfachste Möglichkeit: Der Kurs deiner Investments fällt. Aber es gibt noch genügend andere Optionen. Viele neue Kryptowährungen sind von vornherein nichts anderes als eine Masche, um Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen. Kaum haben genügend Leute investiert, machen sich die Erfinder der Währung mit dem Investment aus dem Staub.

Weitere Möglichkeiten, Kryptogeld zu verlieren: man wird von Hackern angegriffen, vergisst Passwörter, setzt den Computer neu auf, oder wirft aus Versehen die Festplatten weg, auf denen die Bitcoins liegen. Die Seite ohmycoins.xyz sammelt Geschichten von verlorenen Coins. Wenn alles stimmt, was die Leute da schreiben, weinen Menschen mittlerweile Coins im Gegenwert von ca. 11.000.000.000 Dollar hinterher. Ja, das sind neun Nullen.

5. Krypto-Roulette ist anstrengend

Während es viele Möglichkeiten gibt, den Einsatz zu verlieren, gibt es für normale Menschen nur eine Möglichkeit zu gewinnen: nämlich, wenn der Kurs steigt. Das war bis Ende 2017 fast die ganze Zeit so. Seitdem geht es mehr oder weniger konstant bergab. Und das ist psychologisch anstrengend. Jeden Tag - oder eher jede Stunde - Kurse checken ist nicht gesund und raubt einem jede Menge Lebenszeit. Das haben viele Hobby-Investoren auch verstanden und sich deshalb auf das praktische Investment-Motto HODL verständigt. HODL ist ein Vertipper und heißt eigentlich "hold". Die Theorie in aller Kürze: Kryptowährungen steigen sowieso irgendwann ins Unermessliche, deshalb muss man nur die ganzen Hiobsbotschaften von den Börsen und aus der Presse ignorieren und wird irgendwann automatisch reich. Wenn man nicht versehentlich seine Festplatten wegwirft oder seine Passwörter vergisst...

Sendung: Netzfilter, 07.04.2018 - ab 18.00 Uhr.