Social-Media-App "Vero" Instagram Plus oder Ello Nummer 501?
Immer wieder versuchen neue Soziale Netzwerke, sich als Konkurrenz zu Facebook, Instagram und Co zu etablieren. Bisher ohne Erfolg. Der jüngste Versuch, der gerade die App-Charts erobert: Vero.
Peach, Ello, Diaspora, Tsu, EyeEm. Die Liste gescheiterter Facebook- und Instagram-Alternativen ließe sich noch ein ganzes Stück fortführen. Der Bedarf nach einer Konkurrenz zu Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter ist offenbar da. Die großen Plattformen nutzen wir aber trotzdem alle weiter. Obwohl sie unsere Daten sammeln, diese an Dritte weitergeben und uns aus der Filterbubble, die die Algorithmen für uns schaffen, nicht mehr entkommen lassen. Alternativen, die das besser machen wollen (und vielleicht auch würden), gäbe es genug. Aber ganz ehrlich: Wer von euch ist noch regelmäßig auf Ello unterwegs?
Seit einigen Tagen stürzen sich Medien, Influencer und alle, die sonst noch im Internet Rang und Namen haben, auf die neueste App, die es Facebook aber mal so richtig zeigen will: Vero.
Wobei neu eigentlich das falsche Wort ist: Denn Vero gibt es schon seit 2015. Bis vor wenigen Tagen war Vero eine App von vielen, dümpelte in Apples App-Store irgendwo bei Platz 1500 in den Download-Charts herum. Dann plötzlich schossen die Downloadzahlen in die Höhe – mittlerweile steht Vero in den App-Store-Charts und auch in Google Play ganz oben.
Vero ist durch den plötzlichen User-Ansturm überlastet
Der plötzliche Hype um die App löst natürlich auch Misstrauen aus. Bald diskutierten auf Twitter einige Journalisten über eine mögliche versteckte Influencer-Kampagne, die Influencer selbst schweigen oder streiten es ab, für eine Promotion Geld kassiert zu haben. Roland Eisenbrand von der Plattform "Online Marketing Rockstars" glaubt, dass "Hunderte von Nischen-Influencern" die App in den vergangenen Tagen beworben haben. CEO von Vero ist der libanesische Milliardär Ayman Hariri, auch der soll nicht so ganz sauber sein.
Dabei steht der Name laut dem "Manifest" der Entwickler für Wahrheit – abgeleitet aus dem Lateinischen. Das ist grammatikalisch zwar nur so halb richtig, aber Vero will ein wahrhaftiges Soziales Netzwerk sein. Eines, das den User wirklich sich selbst sein lässt. Vero verspricht Werbefreiheit in der App und damit keine Algorithmen, kein Datensammeln. Damit die Macher trotzdem Geld verdienen, soll die fertige App etwas kosten. Aber die ersten Millionen User dürfen Vero ihr Leben lang kostenlos nutzen. Cleverer Schachzug! Da lade ich mir die App lieber schnell runter.
Mit der Anmeldung beginnen allerdings schon die ersten Probleme: Ich bekomme zwar einen Code, um meinen Account zu aktivieren. Vero behauptet aber, der sei falsch. Durch den plötzlichen Ansturm von Usern ist die App schlicht überlastet. Das zieht sich durch meine ganze Erfahrung mit Vero. Die App öffnen? Klappt erst beim fünften Mal. Profilbild und Kurz-Bio ändern? Nach dem siebten oder achten Mal gebe ich auf. Einen Post absetzen? Wenigstens das kriege ich nach einigen Mühen hin.
Ich will meinen bisher null Followern auf Vero ein Buch empfehlen. Das schlägt erst einige Male fehl, dann gibt es den Post plötzlich doppelt in meiner Timeline. Trotzdem irgendwie sympathisch, dass ich neben den üblichen Bildern, Standorten und Links immerhin auch mitteilen kann, welches Buch ich gerade lese.
Auf Twitter stempeln Vero viele als Hype ab, der sich bald wieder legen wird
Die Posts erscheinen – wenn es endlich klappt – in chronologischer Reihenfolge. So wie in den guten alten Tagen von Twitter oder Snapchat oder Instagram. Das ist nämlich der Punkt: Die Versprechen von Vero klingen toll. Aber andere, heute erfolgreiche Soziale Netzwerke haben auch werbefrei angefangen und ohne Algorithmen, die Inhalte vorfiltern. Was passiert, wenn die App mal wirklich erfolgreich ist, lässt sich schwer vorhersagen.
Vero setzt voll auf Visualität. Im Gegensatz zu Facebook oder Twitter kann man nicht nur Text posten, es ist immer ein Bild dabei – oder zum Beispiel ein Book-Cover. Wenn man großzügig ist, könnte man sagen: Instagram plus. Aber nicht allen gefällt das dunkle Design der App:
I tried out Vero, and its design says "what if linkedin designed a shitty nightclub?"
— brook shelley (@brookshelley) 26. Februar 2018
Vero sieht also aus, als hätte LinkedIn einen hässlichen Nachtclub entworfen – das ist nur eine von vielen nicht sehr netten Reaktionen. Und ich muss sagen: Brook Shelley hat verdammt noch mal Recht. Vero ist keine App, in der man sich als User sofort heimelig fühlt. Durchdesignt, aber kalt. Die meisten User stempeln Vero als Hype ab, bald werde sich die App bei Ello, Google Plus und Peach einreihen. Um bei der Wahrheit zu bleiben: Ich glaube auch nicht, dass Vero das neue Facebook wird. Und falls doch habe ich immerhin die lebenslängliche Vero-Flat.
Sendung: Filter vom 01.03.2018 - ab 15 Uhr