Serie // "Ad Vitam" Was tun, wenn die Eltern ewig leben?
Die französische Serie "Ad vitam" zeigt eine Welt, in der niemand mehr sterben muss und für immer 30 bleibt. Nur müssen die Jüngeren darunter leiden. Wem "Altered Carbon" zu flach war, der findet hier mehr Gedankenfutter.
Diese Serie gehört auf eure Watchlist, wenn... ihr gern etwas deeper über ewiges Leben philosophiert als es in der Serie "Altered Carbon" getan wird, euch der Generationenkonflikt manchmal ähnliche Kopfschmerzen bereitet wie den jungen Menschen in der brasilianischen Dystopie "3%" oder ihr radikale Reformen lieber in einer Serie durchspielt - zum Beispiel mit "The Purge".
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Quallen sind schon faszinierende Wesen. Sie sind einfach da. Ohne Bestimmung, ohne eigenen Antrieb – sie haben ja noch nicht mal ein Gehirn – bis sie irgendwann fertig sind mit ihrem Dasein. Nur die Quallen-Art Turritopsis dohrnii hat einen außergewöhnlichen Lebensdrang. Sie regeneriert sich ständig selbst und könnte theoretisch für immer leben. Irgendwie logisch, dass Wissenschaftler längst versuchen herauszufinden, ob wir Menschen uns da nicht auch was von der Glibberplage abschauen können.
In der Serie "Ad Vitam" haben Forscher vor Jahrzehnten schon das Geheimnis der Quallen geknackt. Und nun hat jeder Bürger in Frankreich das Recht darauf, sich ab dem 30. Lebensjahr zu regenerieren, also ständig verjüngen zu lassen. Alle Menschen sind jung und fit, kaum einer hat Falten - nicht einmal eine 169-Jährige, die älteste Frau der Welt. Während sich die Alten die Köpfe darüber zerbrechen, was sie mit ihrem schier unendlichen Leben noch so anstellen können, müssen die Jungen 30 Jahre warten, um überhaupt am Leben teilnehmen zu dürfen. Dann erst sind sie volljährig.
Eine ganze Generation in der Warteschleife
Die Alten sitzen an allen Hebeln und steuern die Gesellschaft, Kinder und junge Menschen sind Störfaktoren. Und so werden sie auch behandelt. Vor ein paar Jahren hat sich deshalb eine Gruppe zusammengeschlossen, um ein sehr radikales Zeichen zu setzen – ein Massenselbstmord von jungen Leuten. Christa war damals 14. Sie hat überlebt und verharrt seit mittlerweile zehn Jahren in der geschlossenen Jugendpsychiatrie. Jetzt scheint es, als sei die Gruppe wieder zurück. Am Strand werden mehrere Leichen gefunden und einer der sieben toten Jugendlichen hat das selbe Symbol tatöwiert wie der Anführer des Massenselbstmordes.
Darius Asram, 119 Jahre alt, schon immer Polizist gewesen, soll diese Selbstmordzelle aushebeln. Dafür tut er sich mit Christa zusammen. Auf was die beiden bei ihren Ermittlungen stoßen, übersteigt aber sogar die Fantasie eines über Hundertjährigen, der glaubt, schon alles gesehen zu haben.
Eine Parabel auf alternde Gesellschaften
Die Welt, die "Ad Vitam" zeigt, ist eigentlich unsere eigene: Eine Welt nämlich, in der die Jungen immer länger von den Älteren abhängig sind. In der Politiker über ihre Köpfe und Interessen hinweg regieren und den Jüngeren Chancen nehmen, die sie selbst einst hatten. Dabei kommt "Ad Vitam" ganz ohne Action aus. Leider verzettelt sich die Handlung in der Mitte ein wenig - das sollte aber niemanden davon abhalten, mal reinzuschauen. Denn das Gedankenexperiment von "Ad Vitam" ist faszinierend gemacht und in den ersten Folgen auch sehr spannend erzählt.
In "Ad Vitam” wird aus der Frage um die Endlichkeit des Lebens ein handfester Generationenkonflikt. Die Antworten sind nicht besonders optimistisch, aber die Serie thematisiert clever viele aktuelle Probleme, die wir in alternden Gesellschaften auch heute schon haben. Ohne, dass wir wie Quallen ewig leben.
"Ad Vitam" ist ab 01.11. in der Arte Mediathek abrufbar. Jeden Donnerstag kommen zwei neue Folgen.
Sendung: Hochfahren, 31.10.2018 - ab 7 Uhr