Best of Graphic Novels 2018 Sieben Comics, die ihr unbedingt auschecken solltet
Eine schwarze Taxifahrerin, die gegen Monster kämpft. Eine Gruppe ehemals strahlender, jetzt völlig hilfloser Superhelden und das größte internationale Talent mit seinem Coming Out. Das alles empfehlen wir euch mehr als wärmstens.
Von: Katja Engelhardt
Stand: 12.12.2018
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"Pirouetten"- Eine wahre Geschichte
Für diese biografische Graphic Novel hat Autorin Tillie Walden, als jüngste Person jemals, den Eisner Award bekommen - das ist der Oscar der Comicbranche.
"Pirouetten" ist eigentlich eine klassische Coming-Of-Age-Geschichte, die aber so viele Themen in sich vereint, als hätte Tillie in ihren Teeniejahren mehr erlebt als wir alle zusammen: Ihr Coming Out, Einsamkeit, Freundschaften und vor allem ihr mühseliges aber oft erfolgreiches Eiskunstlauftraining, für das sie und ihre Teammitglieder schon als Kinder in die klassisch-weirden Rollen gepresst wurden: knappe Röcke, krass viel Make-Up, Disziplin.
Bestes Bild: Auf einer Seite ist statt vieler kleiner Bilder nur eines, in sehr groß: Ein Snackautomat, in dessen Glasscheibe Tillie sich spiegelt. Sagt zusammen mit dem Eiskunstlauftraining mehr als 20 Erziehungshilfebücher über Körperempfinden und Selbstbewusstsein.
"Pirouetten" ist im Reprodukt Verlag erschienen.
"Black Hammer 2" - Der alternative Superheldencomic
Diese fünf Superhelden haben früher mal in der Stadt Spiral City für Recht und Ordnung gesorgt. Jetzt sind sie in einem Örtchen im Nirgendwo und können dem nicht entkommen. Wie sie dort gelandet sind und wieso sie dort bleiben müssen - keinen Schimmer. Während im ersten Band die Stories der einzelnen Charaktere erzählt worden sind und die Fünf sich mehr oder weniger mit der Situation arrangiert hatten, werden sie im zweiten Band von einem Neuankömmling wachgerüttelt. Unbedingt beide Hefte lesen.
Bestes Bild: Jede Kampfsituation. Was Autor Jeff Lemire schreibt, wird sowieso zu Gold und klar ist es witzig, wenn mehrere Superhelden einfach nur in einer Küche rumhocken. Aber in Action kommt Lemires Superhelden-Fantum erst so richtig raus. Und dass er mittlerweile auch Stories für Mainstream-Superhelden aus dem Marvel- und DC-Universum schreibt, macht diese verquere Story noch besser.
Die "Black Hammer Bände" erscheinen im Dark Horse Verlag.
"My Boyfriend Is A Bear" - Absurd-liebenswertes Gedankenspiel
Dating ist hart. Das weiß auch Nora, die in L.A. lebt und nur Pech hat. Alle Typen sind Rotz. Bis sie einen besonderen Mann kennenlernt: einen amerikanischen Schwarzbären. Die beiden sind ein Traumpaar. Ja, er frisst wirklich viel, räumt wenig auf und ist manchmal etwas ungehobelt. Aber das macht nichts. Allerdings ist das Umfeld nur so mittel begeistert. Noras Eltern machen sich Sorgen, eine Freundin lehnt den Bären grundsätzlich ab und überall erntet sie dumme Blicke. Auch von uns Lesern. Bis wir begreifen, dass das keine weirde Metapher ist, sondern einfach nur ein Gedankenspiel, das die Autorin Pamela Ribon konsequent durchgezogen hat. Also Kopf aus und einfach Spaß dran haben.
Bestes Bild: Der Bär trägt ein Arcade Fire Shirt, das ihm nicht einmal bis zum Bauch reicht. Mega gut. Ansonsten schadet es nicht, für diesen Comic ein wenig manga-affin zu sein.
"My Boyfriend Is A Bear" ist im Oni Press Verlag erschienen.
"MCMLXXV" - Retro-B-Movie-Trash-Juwel
Diese Reihe ist noch sehr jung, aber vielversprechend. Der Titel ist das Jahr, in dem sich alles abspielt: 1975. Taxifahrerin Pamela Evans will eigentlich nur ihren Job machen. Aber sobald sie jemanden durch die Stadt fährt, lauern ihnen nicht nur Gangs, sondern auch Monster auf. Die verarbeitet Pamela aber zu Matsch - mit einer Eisenstange. Das ist so albern wie ein Trash Movie, gleichzeitig mega stark und mit so vielen verschiedenen Farben und Perspektiven erzählt, dass dieser Comic unglaublich dynamisch wird. Mit dem Vibe aus Retro, Blaxploitation und einem 70er-Jahre New York könnte die "MCMLXXV"-Reihe 2019 alles richtig machen - oder grandios untergehen.
Bestes Bild: Pamela hat eben eine Monstergang vermöbelt. Sie steht immer noch kampfbereit mit dem Rücken zu uns, aus den in Weinrot gehüllten Figuren kommt gelb-grünliches Gas. Mega gut inszeniert.
Die "MCMLXXVl"-Reihe erscheint im Image Verlag.
"Sabrina" - Gesellschaftlicher Grusel
Bild: Drwan + Quarterly Verlag
Dieser Comic kommt optisch einfach um die Ecke, ist aber sehr strapaziös. Weil wir feststellen: Irgendwie redet hier kaum einer echt miteinander. Alle reden immer nur aneinander vorbei. Alle sind einsam, niemand wird wirklich für das wahrgenommen, was er oder sie ist und ja, das ist ganz schön deprimierend, weil realistisch. Und weil die Gesichter so schlicht dargestellt sind, können wir auch keine echte Regung rauslesen und nur Stück für Stück verstehen, wer Sabrina ist, wieso sie nicht mehr da ist und weshalb ihr Erscheinen nichts Gutes bedeutet. "Sabrina" findet sich garantiert in vielen Bestenlisten wieder und gilt in den USA als Psychoanalyse für eine ganze Generation. Klingt vertrackt. Deswegen muss man es selber lesen.
Bestes Bild: Bei "Sabrina" ist es eher die Bildabfolge, die so besonders ist, weil wir die Spannung und Anspannung suchen müssen. Manchmal ist kaum ein Bewegungsablauf zu sehen, von einem Bild zum nächsten. Eher für Freunde von Mystery als "Stirb langsam".
"Sabrina" ist bei Drawn and Quarterly erschienen.
"Eternity Girl" - Lebensmüde Superheldin
Bild: DC's Young Animal Verlag
Sie war einmal eine unglaubliche Superheldin, ist jetzt aber nur noch niedergeschlagen. Ihre Kräfte lassen sie im Stich. Und jetzt ist sie weder Superheldin noch ein Mensch wie jeder andere. Davon geplagt, will Eternity Girl eigentlich nur noch eins: sterben dürfen. Aber egal was sie versucht, ihr Superheldenkörper lässt sie nicht. Und na klar, genau dann, als sie komplett am Boden ist, bekommt sie ein unmoralisches Angebot. Das anzunhemen würde ihr zwar helfen, widerspäche aber allem, wofür sie bisher stand. Autorin Magdalene Visaggio wurde unter anderem für einen GLAAD Meda Award nominiert, dem Preis für LGTBQ* Themen.
Bestes Bild: "Eternity Girl" ist voller "Bildstörungen". Wenn ihre Gedanken und die echte Welt aufeinander treffen, sehen wir sie wie aus vielen kleinen Mosaiksteinchen zusammengesetzt oder wie zerschnitten. Das ist, zusammen mit den Farben, mega spannend dargestellt.
"Eternity Girl" erscheint bei DC’s Young Animal.
"Deadly Class" - Mitschüler, schlimmer als Draco Malfoy
Bild: Panini / Image Verlag
Ein Waisenjunge wird von einem Fremden mit einer besonderen Schule vertraut gemacht, die ihm eine Parallelwelt eröffnet. Klingt nach Hogwarts, es ist aber eine Attentäterschule, auf die Marcus Lopez Arguello geht und damit sein Leben auf der Straße hinter sich lässt. Nur: Wie sicher wird wohl eine Schule voller mordbesessener Teenager sein? Eben. Cliquenbildung, Intrigen und die üblichen Probleme zwischen verknallt sein und Party machen werden zu einem düsteren Strudel, in den Autor Rick Remender auch noch 80er-Popkulturreferenzen streut. Die Bände sind nicht erst dieses Jahr erschienen, aber ihr solltet sie noch fix nachholen, denn im Januar 2019 kommt "Deadly Class" als TV-Serie!
Bestes Bild: Spoilersicher aus dem allerersten Band, als Marcus seinen Musikgeschmack verteidigen muss. Er liebt The Smiths, sein Kumpel findet die "schwul", woraufhin Marcus entgegnet: "Wenn du mit 'schwul' mutig und ehrlich meinst." Dazu ist diese Szene in gräuliches Türkis-Blau-Grün getaucht. Die Farben sind bei "Deadly Class" der heimliche Star.
Die "Deadly Class" Bände erscheinen im Image Verlag, auf Deutsch bei Panini.
Sendung: Filter, 18.12.2018 - ab 15 Uhr