Das DOK.fest 2020 Diese Dokus solltet ihr euch jetzt ansehen
Das Münchner Dokumentarfilm-Festival DOK.fest findet 2020 als "At Home"-Streaming-Festival statt. Es gibt wieder eine Menge spannende Geschichten aus der ganzen Welt zu sehen. Fünf Filme empfehlen wir euch besonders.
True coming-of-age: "Punks"
Auf einem Hof in Frankreich sollen ein paar niederländische Jungs lernen, ihre Aggressionen und ihr problematisches (in manchen Fällen auch kriminelles) Verhalten in den Griff zu kriegen. Sie alle rauchen permanent, hören Gangsta-Rap, blödeln rum – aber ihre Ängste und ihre Wut behalten sie ganz bei sich. Mitchel zum Beispiel, der seine Mutter verloren hat und sich von seinem Vater nicht geliebt fühlt; oder Mike, der hinter Drohungen und Lügen einen tiefen Schmerz verbirgt.
Die heimliche Heldin des Films ist die Betreuerin Petra, die trotz allen Provokationen und Ausfällen immer empathisch und ruhig bleibt – so wie dieser Film auch.
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IDFA 2019 | Trailer | Punks
Film als Aktivismus: "Vivos"
"Vivos" ist ein Film vom gefeierten chinesischen Künstler und Doku-Regisseur Ai Weiwei (u.a. "Human Flow" von 2017). Er erzählt die unglaubliche und unglaublich traurige Geschichte von der Community in der kleinen mexikanischen Stadt Ayotzinapa. Dort verschwanden 2014 43 Studenten, andere wurden ermordet oder schwer verletzt – von Kräften der mexikanischen Polizei.
In fast komplett regungslosen Bildern (der Nachbarschaft, der Natur und der Menschen) lässt Weiwei die Hinterbliebenen – größtenteils Frauen – zu Wort kommen. Sie prangern die Korruption und die Brutalität des von den USA geforderten und unterstützten "war on drugs" an – und zeigen, welche Lücke die 43 Menschen in ihren Leben gelassen haben. "Vivos" ist ein Film, der nicht so tut, als wäre er objektiv, sondern stellt sich klar auf eine Seite: die der Schwächeren und Einsamen.
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VIVOS - A new film by Ai Weiwei
Abseits des Fußball-Hypes: "Nachspiel"
Regisseur Christoph Hübner hat drei Fußball-Profis während verschiedenen Phasen ihres Lebens begleitet: Alle drei haben Ende der 90er in der Jugendabteilung von Borussia Dortmund gespielt, und sich danach in sehr verschiedene Richtungen entwickelt. Florian Kringe schafft den Sprung in die erste Mannschaft und wird mit dem BVB Deutscher Meister, Mohammed Abdulai kommt als 17-jähriger aus Ghana nach Deutschland und tingelt dann durch Ligen in Belgien und Bangladesch, und Heiko Hesse wird Ökonom beim International Monetary Fund (IMF).
"Nachspiel" zeigt Aufnahmen aus den jungen Jahren der drei Männer, und zeichnet ihre Entwicklungen nach: Wieso schafft es der eine, und beim anderen reicht es nicht? Was macht der Profifußball aus Menschen?
Schnappschuss aus einer anderen Welt: "Kosher Beach"
Dieser knapp einstündige Film von Karin Kainer tut das, was wir uns gerade von einer Doku wünschen: uns an einen anderen Ort transportieren. Dieser Ort ist Sheraton Beach, ein Strand in Tel Aviv. Dort gibt es, direkt neben einem LGBTIQ*-Bereich, einen abgetrennten "Sittsamkeits"-Bereich für orthodoxe Mädchen und Frauen.
Dorthin begeben sich seit Jahren eine Gruppe strenggläubiger Frauen: um zu plantschen, zu ratschen, um sich zu bewegen, und um ab und an aus ihrer kleinen, ebenfalls vom Rest der Umgebung abgetrennten, orthodoxen Nachbarschaft heraus zu kommen. Im Laufe des Films lernen wir diese Frauen, ihre Familien und Schrulligkeiten kennen und werden Zeuge von Diskussionen über Religion, Liebe und Sehnsucht. Ein Film wie eine schöne Postkarte aus einem unbekannten Ort.
Ein Film, der Privilegien hinterfragt: "Was tun"
Der Ton, den Regisseur und Protagonist Michael Kranz am Anfang des Films anschlägt, ist noch ziemlich anstrengend: Nachdem er in der Doku "Whore’s Glory" (2011) das Leiden einer jungen Zwangsprostituierten in Bangladesh gesehen hat, will er dem Mädchen unbedingt helfen. In einem salbungsvollen Voice-Over überlegt er, ob das der richtige Weg ist – bevor er dann doch die Reise antritt.
Sobald die Kamera in Bangladesh angekommen ist, entwickelt sich "Was tun" zu einem mitreißenden, bunten und empathischen Film. Michael Kranz macht sich in den Slums und Bordellen von Faridpur auf die unmöglich erscheinende Suche nach dem Mädchen, lernt dort liebevolle, hilfsbereite, und auch bösartige Menschen kennen. Dabei reflektiert er permanent sein eigenes Verhalten: Ist es verwerflich, nur einer Person zu helfen? Und welche Rolle spielt dabei sein Privileg als weißer, westlicher Mann?
Sendung: PULS am 06.05.2020 ab 15 Uhr