Kulturdiskussion in München Ein Schiff wird kommen
München bekommt bald einen Veranstaltungsort in einem ausrangierten Dampfer, der auf einer Brücke steht. So viel Kreativität hätte der Stadt niemand zugetraut. Wir haben mit Macher Daniel Hahn über die Lage der Münchner Subkultur gesprochen.
Seit Monaten wird in München hitzig diskutiert: Hat die Stadt ein Imageproblem? Zu brav, zu konservativ, zu bieder? Ist die Münchner Herkunft eine Art Stigma, wie manche Künstler und Kulturschaffende behaupten? Tut die bayerische Hauptstadt zu wenig für Kreativszene und Subkultur?
Der 26-jährige Daniel Hahn arbeitet seit Jahren erfolgreich daran, das Münchner Nachtleben bunter zu gestalten und Räume für ein kulturelles Angebot abseits des Mainstreams zu schaffen. Sein Verein Wannda zieht mit dem Wannda-Circus über ungenutzte Freiflächen, mit dem ausrangierten Zugwagon "Bahnwärter Thiel" hat man eine der beliebtesten Off-Locations der Stadt aus dem Boden gestampft. Und das nächste große Projekt wird in wenigen Tagen Wirklichkeit: Hahn und sein Team lassen ein ausrangiertes Dampferschiff auf eine stillgelegte Eisenbahnbrücke heben – als Kulturlocation und Veranstaltungsort. Im Interview erklärt Daniel Hahn, wie er die Situation in München sieht, welchen Schwierigkeiten er bei seiner Arbeit begegnet, und was Stadt und Bürger für eine lebendige Szene und Subkultur tun können.
Daniel, im Herbst gab es einige Aufregung um Sebastian Schnitzenbaumer. Der Musiker und Labelchef hat seine Heimatstadt München verklagt – das biedere Image der Stadt sei für ihn als Künstler geschäftsschädigend. Hast du mal überlegt, dich der Klage anzuschließen?
Daniel Hahn: Die Stadt zu verklagen – das ist natürlich etwas provokant. Aber ich denke, er hat damit eine sehr interessante Diskussion losgestoßen und auf Dinge aufmerksam gemacht. Meiner Meinung nach wäre die nächste Herausforderung für die Stadt jetzt, sich zu überlegen: Wie kann man die Randgebiete attraktiver machen? München vergrößert sich ja, und es wäre wichtig zu schauen, wie kriegt man die Randgebiete spannend für Leute, die Bewegung wollen, die Kommunikation wollen, die etwas erleben wollen. Und nicht nur für Leute, die Ruhe und günstigen Wohnraum suchen.
Du würdest also sagen, dass die Stadt München ein Raumproblem hat?
Es gibt ja Stadtviertel in München, die sehr ansprechend sind, sehr vielseitig. Da gibt es kleine Boutiquen, kleine Läden, Restaurants, Bars oder sonstige Kulturbetriebe. Und dann gibt es aber auch Viertel, wo sehr einheitlich gebaut wurde, wo generell sehr wenig Angebot für die Bürger vorhanden ist. Wo zum Beispiel das Lebensmittelangebot dominiert wird von ein, zwei Supermarktketten. Das ist natürlich sehr langweilig. Das müsste man besser nutzen.
Euer Kunst- und Kulturverein Wannda ist äußerst kreativ, wenn es um die Suche nach geeigneten Räumen geht. Ihr konntet in den letzten Jahren viele Projekte umsetzen. Andere dahingegen klagen über zu wenig Möglichkeiten, neues zu erschaffen. Was macht ihr anders?
Ich habe irgendwann aufgehört daran zu glauben, dass ich einen „fertigen“ attraktiven Ort finden kann, der bereits eine spannende Geschichte erzählt – also zum Beispiel eine alte, verlassene Baumwollspinnerei oder so was, die man dann wieder zum Leben erweckt. Andere Städte haben das ja vielleicht noch öfter – verlassene Industrieanlagen, mit Geschichte und Charakter, die man neu nutzen kann. Das gibt es hier in München eben nicht mehr. Deshalb haben wir irgendwann angefangen, selbst solche Orte zu schaffen. Weil wir gemerkt haben: Am leichtesten ist es noch, eine Freifläche zu bekommen, und da dann etwas komplett eigenes zu erschaffen.
Was für Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man versucht solche Projekte in München umzusetzen?
Ich denke, ganz oft ist mangelnde Vorstellungskraft das Problem. Wenn man eine Idee hat, brennt man natürlich dafür, aber man muss im Prozess der Realisierung eben ganz viele behördliche Hürden nehmen. Aber je mehr die individuellen Personen und Entscheidungsträger auf Seiten der Stadt sich mit dem Projekt identifizieren können, sich das vorstellen können, desto leichter wird es. Es hilft natürlich, wenn man Projekte vorweisen kann, die in der Vergangenheit bereits gut funktioniert haben. In den ersten Jahren war es für uns deutlich, deutlich schwieriger, als es jetzt ist. Ich würde nicht sagen, dass in München keinerlei Interesse an so etwas vorhanden ist – es ist eben oft eine Herausforderung.
Dass der Kulturverein Wannda verrückte Ideen durchsetzen kann, habt ihr spätestens mit eurem neuesten Projekt bewiesen. In ein paar Tagen hebt ihr das ausrangierte Dampferschiff Utting auf eine stillgelegte Bahnbrücke – als zukünftigen Veranstaltungsort. Wie habt ihr dafür denn die Genehmigung bekommen?
Hier war es so, dass wir die Idee einfach toll fanden. Aber dadurch, dass die Utting deutlich größer ist, als das ursprüngliche Schiff, das wir uns dort vorgestellt hatten, haben wir uns kaum getraut dran zu glauben, dass es gehen könnte. Wir haben mit einem Statiker gesprochen und ihm diese Brücke vorgestellt und er fand die Idee cool und meinte, er könne sich vorstellen, dass es klappt. Und das war der Moment, als wir wirklich alle Feuer und Flamme für das Projekt waren. Wir haben alle Energie reingesetzt um diesen besonderen Ort möglich zu machen. Und dann war auch die Begeisterung in der Verwaltung entfacht. Das hätten wir nie gedacht, weil es so eine verrückte Idee ist. Aber vielleicht hat es gerade deswegen funktioniert. Weil die Idee so verrückt war, wurde sie so gut angenommen.
Was kann man denn als Münchner Club- und Konzertgänger deiner Meinung nach tun, um eine lebendige Subkultur zu unterstützen?
Ich habe oft das Gefühl, es gibt in München viele tolle Sachen. Aber oft bewegt man sich nur in seinem eigenen kleinen Mikrokosmos, und ist gar nicht richtig informiert, was es sonst noch so gibt. Ich denke, je mehr die Leute ein weiter reichendes Interesse entwickeln, neue Sachen entdecken wollen, desto spannender werden die neuen Projekte, die entstehen.