Interview // Judith Hoersch aus "Schneeflöckchen“ "Wir haben einen Crowdfunding-Film gemacht, der nach Millionenbudget aussieht“
Der deutsche Crowdfunding-Film "Schneeflöckchen“ ist ein wilder Genremix – voller skurrilem Humor und abgedrehten Wendungen. Wir haben mit der Hauptdarstellerin über die Dreharbeiten zu der Action-Splatter-Komödie gesprochen.
Die Kleinkriminellen Tan und Javid sind eigentlich nur auf der Suche nach dem besten Döner der Stadt, als sie in einem geklauten Auto ein Drehbuch finden. Darin steht Wort für Wort gedruckt das Gespräch, das die beiden gerade führen. Und ihr Tod. Also machen die beiden sich auf, den Drehbuchautor finden. Dann taucht auch noch ein Engel namens Schneeflöckchen auf. Sie versucht, die beiden auf den rechten Weg zurückzubringen. Judith Hoersch, die Schneeflöckchen spielt, erzählt von den Dreharbeiten.
PULS: Wie ist der Film "Schneeflöckchen“ entstanden?
Judith Hoersch: Wir sind eine Gruppe von befreundeten Filmemachern in Berlin. Die Idee zu dem Film "Schneeflöckchen“ hatte Arend Remmers. Wir wollten einen Film in einem wilden Genre-Mix machen, der uns selbst Spaß macht. Etwas, das sonst so nicht im Kino in Deutschland zu sehen ist. Wir haben ohne Geld angefangen zu drehen, mit einer gecrackten Canon 5D und Crowdfunding. Am Ende haben über 100 Leute an dem Film gearbeitet. Wir haben nicht wie üblich am Stück gedreht, sondern immer wieder an freien Wochenenden, über eineinhalb Jahre. Die Postproduktion hat dann auch noch wahnsinnig lange gedauert.
Wie lief das Crowdfunding genau ab?
Wir haben erstmal die Szene in der Bar mit Schneeflöckchen und dem Sänger gedreht und daraus einen Trailer geschnitten, den wir über Crowdfunding verteilt haben. So haben wir schon eine Fangemeinde aufgebaut, die gemerkt hat: Das ist toll, was die machen. Und trotzdem hat es an allen Ecken und Enden gefehlt. Aber wir haben am Ende einen Film gemacht, der nach einem hohen Millionenbudget aussieht, aber nur etwa 80.000 Euro gekostet hat.
Blockbuster aus den USA haben ein wesentlich höheres Budget und sind aufwendiger produziert. Ist der Genremix des Films "Schneeflöckchen“ gerade eine Chance, um sich abzuheben?
Wenn Leute hören: "Genremixfilm aus Deutschland“, dann heißt es: "Deutscher Film - kann ja nur scheiße werden“. Dass der Film bei der Presse, dem Fantasy Filmfest und YouTube-Bloggern so gut ankommt, hätten wir uns nie träumen lassen. Wir haben angefangen, den Film zu machen und unsere Prämisse war: Let’s have fun – dass es am Ende so gigantisch wird, hätten wir nicht gedacht. Es ist schon Selbstausbeutung, man kann auf dem Niveau nicht immer Filme machen, weil das bedeuten würde, dass nie jemand bezahlt wird. Wir hoffen, dass durch "Schneeflöckchen" auch solche Filme gefördert werden, von jungen Filmemachern, die sagen: Nein, wir Deutschen können geiles Zeug machen. Jeder sieht sich den Film an und fragt: Wie habt ihr das gemacht? Wir haben das mit viel Zeit und talentierten Leuten geschafft.
Was ist der besondere Reiz des Films?
Ich finde, besonders gut gelungen ist der Mix aus Realismus und totaler Überhöhung. Der Film stellt sich ja die Frage: Wer schreibt eigentlich das Leben? Gibt es so etwas wie Schicksal, Gott, oder schreiben wir selbst unser Schicksal?
Und wie fügt sich Schneeflöckchen als Figur in den Film ein?
Die Figur Schneeflöckchen steht eigentlich für Hoffnung: Ihr habt euer Schicksal selbst in der Hand. Sie ist ja kein schutzloses Engelchen, sondern hat es faustdick hinter den Ohren. Bei dem Film wird permanent mit der Erwartungshaltung des Publikums gespielt. Man denkt immer: Ach, jetzt hab ich es verstanden - und dann passiert genau das Gegenteil.
Das Fantasy Filmfest läuft in Nürnberg vom 21.September bis zum 1. Oktober im Cinecittà. "Schneeflöckchen“ gibt es am Samstag, den 30. September, um 12:30 Uhr zu sehen.
Sendung: Filter, 21.09.2017 - ab 15.00 Uhr