Liquid & Maniac im Interview "Rap' halt einfach nicht über deinen Ferrari, wenn du keinen fährst"

Egal ob als Rapper oder Fan, die Oberpfälzer Liquid & Maniac sind tief im Hip Hop-Game. Wir haben das Duo gefragt, wo die größte Gaudi abgeht, wie sie zu Trap stehen und was den Reiz von Plattenläden für sie ausmacht.

Von: Jan Limpert

Stand: 23.10.2019 | Archiv

Liquid & Maniac | Bild: BR

PULS: Ihr wart jetzt mit eurem Album "Die Gaudi Is Real" auf Tour. Der Albumtitel wirft direkt die Frage auf: Wo hattet ihr denn dieses Jahr bei einem Live-Gig die krasseste Gaudi?

Maniac: Also ich bin mir ziemlich sicher, dass wird die in Regensburg auf der Gaudi-Is-Real-Stage hatten. Dort hatten wir unsere eigene Bühne direkt auf der Jahninsel. Dahin haben wir dann auch Kumpels von uns eingeladen, wie Roger Rekless, MC Rene, Refugee Rap Squad oder die RC Gäng. In der Stadt, aus der wir herkommen, Headliner zu sein, war natürlich am coolsten. Wir hatten dort die Möglichkeit, eine krasse Show für tausende Leute ganz umsonst zu spielen. Das war eins von den Highlights.

Liquid: Wir haben eh schon festgestellt, dass das Publikum in Regensburg, München und Nürnberg echt was kann. Österreich kann auch immer was. Egal, wo wir in Österreich spielen, die gehen immer voll ab. Also die Gaudi war eigentlich überall real!

Maniac: Das Splash! Festival war auch ein großes Highlight für uns. Das war ein dream come true, mit bayrischem Rap auf der Hauptbühne bei so einem großen Festival zu stehen.

Ihr habt bei PULS eure eigene Show – Die Liquid & Maniac Show – mit dem Motto: "Zwei Stunden Banger ins Gsicht". Jetzt neigt sich das Jahrzehnt langsam dem Ende zu. Was sind denn eure größten Banger des Jahrzehnts?

Liquid: Puh, es gibt so viele Banger. Aber "Alright" von Kendrick Lamar, das ist für mich der motivierteste und geilste Song dieses Jahrzehnts. Da stimmt einfach alles. Die Produktion ist krass, sein Rap-Part ist krass, das Video ist krass. "To Pimp A Butterfly" von ihm ist für mich auch das Album des Jahrzehnts. Aber es hat natürlich auch viele andere gute Alben gegeben, wie "Drunk" von Thundercat.

Weil ihr ja Experten seid was Rap und Hip Hop angeht, müssen wir auch über die Soundentwicklung in den 10er-Jahren sprechen. Da ist einiges passiert. Man hört mittlerweile überall die Trap- und Reggaeton-Sounds. Wie würdet ihr die Sound-Entwicklung in den 10er-Jahren einschätzen?

Maniac: Also HipHop-mäßig hat sich das von dieser Samplekultur und den Boom-Bap-Beats, bei denen alle mit Händen in der Luft dastehen, sehr geshiftet. Durch die 808-Beats und die Geschwindigkeit von Trapmusik kann man heute live viel mehr Energie reinbringen. Das ist mittlerweile bei Rap-Konzerten manchmal schon fast wie bei Rock- oder Heavy-Metal-Konzerten, wo auch mal richtig gepogt wird. HipHop ist mittlerweile auch so erfolgreich, weil er sehr poppig geworden ist. Man merkt einfach, dass der Sound durch die eingängigen Hooks und die vielen Wiederholungen in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. 

Liquid: Ich sehe das genauso. Die Energie live gefällt mir viel besser als in den 90ern. Da waren immer nur die Hände oben, aber der Körper hat sich kaum vom Fleck bewegt. Jetzt geht es vielmehr darum, rumzuspringen und eine gute Zeit zu haben. Das ist der Sound der Jugend und jeder, der das nicht kapiert, ist irgendwo auf der Strecke geblieben. Als HipHopper musst du hip sein.

Wenn man sich die Liveshows von aktuellen Artists wie Travis Scott anschaut, sieht man: Da geht’s richtig ab, da wird gepogt, da gehen die Leute ohne Schuhe und mit zerrissenen Shirts heim. Wie ist das bei euch? Strukturiert ihr die Show so, dass es Momente gibt, bei denen ihr einfach nur voll auf die Fresse gebt?

Liquid: Wir haben erst bei den letzten Gigs angefangen, etwas Besonderes zu machen. Und zwar muss man den Drop einfach nur einzählen. Und wenn der dann kommt, springen automatisch alle. Wenn du es nicht einzählst, dann kapieren die Leute das oft nicht. (lacht)

Also ist es dadurch auch aus Künstlersicht spannender geworden, weil die Shows energetischer als früher sind?

Maniac: Ja, kann man definitiv sagen. Bei uns hat sich so auch unsere Mukke geändert, weil wir jetzt häufiger langsamere, bassigere Beats verwenden. Auf solche Beats kann man ganz anders rappen. Außerdem darf man auch nicht vergessen: Wir rappen das Ding live. Da ist nichts Playback, sondern wir sind noch real. Real Rap.

Liquid: Wir haben auch, anders als die meisten Anderen, keinen Autotune dabei. Ich halte es für den völlig falschen Ansatz zu glauben, dass du als unbekannter upcoming Künstler einfach auf die Bühne kommst, Autotune-Trap machst und nicht mal live rappst. Da tut man sich dann schwer, einen Standpunkt zu setzen. Im Großen und Ganzen ist das, was gerade passiert, aber sehr interessant. Und ich bin gespannt, wo es dann die nächsten zehn Jahre hingeht. Ich schätz‘ mal in fünf Jahren hat sich das Trap-Ding auch wieder im Sand verlaufen und keiner kann es mehr hören. Dann schauen wir mal, was als Nächstes kommt.

Euer Sound hat sich ja über die Jahre auch verändert. Könnt ihr eure Entwicklung an bestimmten Songs oder Ereignissen, die euch beeinflusst haben, festmachen?

Liquid: Als die Alben von Kendrick "To Pimp A Butterfly" und "D.A.M.N." rauskamen, hat mir das echt die Augen geöffnet. Mir hat dieses moderne Trap-Ding echt gefallen. Davor war ich schon eher so: Der Oldschool-Shit ist der true Shit. Ich habe mich zu der Zeit aber auch noch nicht wirklich mit Trap und dem neuen Sound befasst. Durch diese Alben habe ich mich mehr für das Thema geöffnet und seitdem bin ich Feuer und Flamme für den neuen Sound.

Maniac: Ich denke bei Liquid & Maniac selber waren es dann so Tracks wie "Zwieflsuppn". Da haben wir einfach mehr ausprobiert. Das hat auch den Sound auf unserem neuen Album geprägt. So ist es dann mit der Gaudi losgegangen.

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Liquid & Maniac - Zwieflsuppn | Bild: The Gaudi Is Real (via YouTube)

Liquid & Maniac - Zwieflsuppn

Trap und Cloud Rap sind ja Kinder der 2010er Jahre und wurden am Anfang ein bisschen belächelt. Das war so ein seltsames Ding, das dann immer mehr Hype erfahren hat. Auf eurem aktuellen Album habt ihr auch einen Track, der einfach "Trap" heißt. Wenn man den zum ersten Mal hört, kann man leicht den Eindruck bekommen, dass ihr das Thema eher kritisch behandelt. Ihr nehmt das nicht für komplett voll, oder?

Liquid: Ja, weil es einfach so viele Leute gibt, die das falsch auffassen. Das ist so wie bei Gangster Rap. Die Leute sind Gangster und machen Rap, damit sie nicht mehr Gangster sein müssen, damit sie sozusagen aus der "Trap" rauskommen. Die Deutschen, die das nachmachen, waren nie in der "Trap" und wollen am liebsten da rein. Das prangern wir einfach ein bisschen an. Also: Rapp‘ halt einfach nicht über deinen Ferrari, wenn du keinen fährst. Rapp‘ halt nicht über Versace, Versace, Gucci, Gucci, wenn du das nur machst, weil das Gucci Mane gemacht hat. Darum haben wir gesagt: In Deutschland gibt’s keinen Trap. Also laber mich nicht zu mit deinen Trapgeschichten, als ob du Koks in einem verlassenen Haus strecken würdest ­­­- das macht nämlich keiner – aber alle rappen drüber und ich find es lächerlich.

Sido hat sich letztens in einem Interview mit HipHop.de genau darauf bezogen und gesagt, dass Hip-Hop und Rap in Deutschland eigentlich tot sind, weil es nur noch um den Vibe geht und viel weniger darum, mit Worten umzugehen und krasse Rhymes rauszuhauen. Bei euch geht es eben schon noch darum. Man merkt, dass ihr immer darauf achtet, eure Musik komplex zu machen und geile Lines einzubauen. Wie seht ihr das? Ist Hip Hop in Deutschland wirklich zu oberflächlich geworden?

Liquid: Ich sehe das so, dass Sido eh relativ wenig Ahnung von HipHop hat. Wer mit Mark Forster Tracks macht, sollte eh ruhig sein und sich mal wieder einkriegen. Es gibt genug geile Trapkünstler, die geile Tracks mit geilen Lyrics machen. Und dann gibt’s eben auch genauso viele schlechte. Wenn du dir diese Ganzen Typen wie Mero, Fero, Zero und wie sie alle heißen anschaust, dann merkst du gleich, dass sie alle gleich ausschauen, gleich heißen und sich alle gleich anhören. Das ist einfach der neue Schlager. Das kannst du am Ballermann hören.

Maniac: Zwischen den Mainstreamleuten gibt es aber auch in Deutschland viele gute Perlen. Da ist noch lang nichts tot und wird’s auch so schnell nicht werden.

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Liquid & Maniac – Flohmarkt (Official Video) | Bild: The Gaudi Is Real (via YouTube)

Liquid & Maniac – Flohmarkt (Official Video)

Man hört immer wieder, dass Künstler krassen Stress haben, Samples zu nutzen. Entweder, weil sie die Samples einfach gar nicht nutzen dürfen, oder weil sie viel zu teuer sind. Ging es euch auch schon mal so, dass ihr einen geilen Track mit einem Sample gebaut habt, ihr es aber einfach nicht verwenden konntet?

Maniac: Ja, so ging es uns beim Haindling-Track. "Depp Du" ist ja eigentlich ein alter Klassiker, den wir neu aufgenommen haben. Am Anfang haben wir einfach sein YouTube-Video gesampelt und den Track aus Spaß gemacht. Dann haben wir uns erst gedacht: Boah, wie krass wäre das eigentlich, wenn einer unserer Helden bei uns als Feature dabei wäre? Haindling hat es tatsächlich gemacht, ist nach Regensburg gekommen und war sogar im Video dabei. Den Track hätten wir auf keinen Fall einfach so rausgedroppt. Ohne die Zustimmung vom Haindling wäre das viel zu risky gewesen, aber so war das natürlich perfekt.

Wie oft hängt ihr eigentlich noch in Plattenläden ab?

Liquid: Ich war schon ewig nicht mehr in einem Plattenladen. Wenn ich zurzeit was suche, dann eigentlich nur noch auf Youtube. Da geb‘ ich was ein, zum Beispiel "Old Soul 70er", dann hör ich mir da die Playlists durch und irgendwann find ich was.

Maniac: Wenn wir in Plattenläden sind, dann meistens nur in anderen Städten.

Habt ihr einen Lieblingsplattenladen?

Liquid: Das Plattenzimmer in Altötting ist sehr chillig, da kann man auch entspannt einen Kaffee sippen.

Maniac: Der Laden "Groove City" in Hamburg ist auch super. Der "Odeon-Recordstore" in Regensburg ist auch ganz cool. Ich bin eigentlich ständig am diggen. Ich such nicht nur nach Samples, sondern einfach nach neuem Input und neuer Mukke. The search never ends.

Aber was reizt dich da im Plattenladen noch? Eigentlich könntest du ja alles auch im Internet finden.

Maniac: Ja klar kann man im Internet alles finden, aber das ist auch das Problem daran: Wenn man so uneingeschränkt ist, macht das einen auch wieder unkreativ. Es gibt die krassesten Leute mit den krassesten Studios und das hört sich alles an wie Müll. Wenn du aber auf einem kleinen, shitty Setup was Cooles produzieren willst, musst du gleich viel kreativer sein und so ist das mit Platten auch. Außerdem ist bei Platten das Feeling einfach nice. Man schaut sich ein Cover an, schaut wer da mitgespielt hat, welche Instrumente verwendet wurden und das finde ich schön. Das ist eben keine Spotify-Playlist, bei der man jeden Song gleich skippt. Das ist für mich kein "Musik hören". Klar, such ich auf Youtube schon auch nach Samples, aber bevorzugen würde ich immer einen Plattenladen.

Sendung: PULS am 23.09.2019 - ab 19.00 Uhr