Interview // Nilgün Tasman über Hijabistas "Die Modewelt ist da weiter als die Politik"
Das Kopftuch als Mode-Accessoire? Die Schriftstellerin und Theaterregisseurin Nilgün Tasman sieht im Kopftuch-Trend eine Protestaktion junger Muslima - die ihrer Meinung nach auch zu mehr Akzeptanz in der Gesellschaft führen kann.
Auf Instagram haben sogenannte Hijabistas Hunderttausende von Followern: Muslimische Frauen, die das Kopftuch als Mode-Accessoire tragen und ähnlich wie westliche Fashionistas Style und Fashion feiern. Die Schriftstellerin und Theaterregisseurin Nilgün Tasman ist eine liberale Muslima. Wir haben mit ihr über den neuen Kopftuch-Trend gesprochen - und darüber, was die Hijabistas damit zeigen wollen.
PULS: Du bist in Deutschland groß geworden und beschreibst in deinem Buch "Ich träume deutsch: ... und wache türkisch auf. Eine Kindheit in zwei Welten" dein Leben als Deutsch-Türkin. Was hältst Du vom Hijabista-Trend?
Nilgün Tasman: Ich glaube, dass die Mädchen damit ein Zeichen setzen wollen. Dieser Trend geht ja vor allem von sehr jungen Frauen aus, die damit wohl ihre Gruppenzugehörigkeit ausdrücken wollen. Der Trend wird auch von den Medien stark in den Fokus gerückt, daher denke ich, ist es auch eine Art Protestreaktion von jungen muslimischen Frauen, sich mit Kopftuch in Szene zu setzen. Ich glaube, dabei geht es weniger um den Ausdruck von Religiosität, sondern eher um das Gefühl, damit einer Gruppe anzugehören. Ich akzeptiere das, weil ich finde, dass jeder die Zeichen und Bekleidung tragen kann, die er will.
Viele halten das Kopftuch trotzdem für ein Symbol, das für die Unterdrückung der Frau im Islam steht. Führt der Hijabista-Trend dann dazu, das dieses Symbol als cool und stylisch wahrgenommen wird?
Für mich hat das weder etwas mit Unterdrückung noch mit Emanzipation zu tun. Im Koran wird nicht spezifisch vorgeschrieben, dass Frauen ein Kopftuch tragen sollen. Da ist lediglich davon die Rede, seine Reize nicht zu zeigen. Es wäre begrüßenswert, wenn dieser Trend einen Wandel einläutet, der dazu führt, dass Kopftücher anders wahrgenommen werden.
Oder ist dieser Trend eine Art Befreiungsschlag für junge Muslima, die sich selbstbestimmt für das Kopftuch entscheiden und sich jetzt selbstbewusst zeigen können?
Ich denke, dieser Trend kann dazu führen, dass man die Frauen für emanzipiert hält, weil sie sehr selbstbewusst mit dem Kopftuch in der Öffentlichkeit auftreten. Ich selbst nehme das nicht so wahr. Für mich ist das eher ein Spiel mit der Zugehörigkeit zu einer Gruppe und eine ganz persönliche Entscheidung dieser jungen Frauen.
Was hältst du davon, dass große Modemarken wie Dolce & Gabbana, Mango oder Zara mit eigenen Modekollektionen speziell sich verschleiernde Muslima ansprechen?
Die Modehäuser bedienen damit vor allem eine Marktlücke. Die wollen mit diesem Angebot vor allem Geld machen und einen neuen Absatzmarkt erschließen. Man muss aber auch sagen, dass die Modewelt in diese Richtung auch sehr offen ist. Die gehen bei dieser Art von Bekleidung nicht gleich von der Unterdrückung der Frau aus. Die Modewelt ist in dieser Hinsicht vielleicht schon weiter als die Politik.
Warum tragen muslimische Männer eigentlich keine Kopftücher beziehungsweise lange Klamotten?
Männer aus dem arabischen Raum haben oft lange Gewänder an. Aber hier in Deutschland sieht man das selten. Beim Beten bedecken aber auch muslimische Männer ihren Kopf mit Gebetsmützen.